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10.01.09 / Genie ohne Gesicht / Vom Baumeister Andreas Schlüter, der vor 350 Jahren in Danzig geboren wurde, kennt man nur die Werke

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-09 vom 10. Januar 2009

Genie ohne Gesicht
Vom Baumeister Andreas Schlüter, der vor 350 Jahren in Danzig geboren wurde, kennt man nur die Werke

Der Wiederaufbau des Berliner Schlosses nimmt endlich Formen an. Die Arbeiten an dem mit drei rekonstruierten Fassaden ummantelten Neubau nach einem Entwurf des italienischen Architekten Francesco Stella sollen 2010 beginnen. Vier Jahre später soll das Humboldtforum dann fertig sein und die außereuropäischen Sammlungen Berlins sowie die Zentral- und Landesbibliothek aufnehmen.

Die Überreste des im Zweiten Weltkrieg beschädigten Schlosses waren 1950 von den Machthabern des DDR-Regimes kurzerhand gesprengt worden. 1698 hatte der Architekt Andreas Schlüter den Auftrag erhalten, das Schloß umzubauen und das Innere neu zu gestalten. Nachdem Kurfürst Friedrich III. als Friedrich I. König in Preußen 1701 von den Krönungsfeierlichkeiten aus Königsberg nach Berlin zurückgekehrt war, verlangte er von seinem Baumeister „eine Verlängerung der nach dem Lustgarten zu gelegenen Festsaalflucht bis zu dem im Jahre 1572 errichteten Münzturm, der beibehalten und nach einem von Schlüter gefertigten Entwurf erheblich erhöht werden sollte“ (Carl Wünsch).

100 Meter hoch sollte er werden, dieser Turm. Ein gewagtes Vorhaben, wie auch Archäologen in jüngster Zeit noch feststellen konnten. Der Untergrund war sandig und weich. Bei Grabungen fand man 1995 Hunderte von Eichenpfählen; mit ihnen hatte Schlüter versucht, dem Turm Halt zu geben. Vergeblich. Der Turm zeigte Risse, man mußte ihn abtragen. Schlüter wurde vor Kommissionen gezerrt und mußte sich rechtfertigen. Resigniert legte er schließlich 1706 die Bauleitung des Schlosses nieder. In der Berliner Dorotheenstraße errichtete er noch das Landhaus Kameke, das allerdings im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.

Als Friedrich I. 1713 starb, wurde Schlüter, der immer noch als Hofbildhauer tätig war, aufgefordert, einen Sarkophag für seinen König zu schaffen. Als dieses vollbracht war, hielt ihn nichts mehr in Berlin. Er ging nach St. Petersburg, um dort beim Aufbau der Stadt mitzuhelfen. Im Kleinen Palais im Sommergarten schlug er seine Zelte auf und wirkte an dessen Innenausstattung mit. Außerdem fertigte er Entwürfe für die Grotte im Sommergarten und für die Kunstkammer. Am 23. Juni 1714 schließlich starb der Baumeister und Bildhauer in St. Petersburg. – Seine Grabstätte ist heute nicht mehr bekannt.

Hoffnungsfroh war Andreas Schlüter 1694 nach Berlin gekommen. Als kurfürstlicher Hofbildhauer erhielt er immerhin ein Gehalt von 1200 Talern und sollte mit dazu beitragen, Berlin zu einer glanzvollen Residenzstadt auszubauen. Das Licht der Welt hatte Schlüter in Danzig erblickt, wo er am 13. Juli 1659 getauft wurde. Bei dem aus der Pfalz stammenden Bildhauer Sapovius ging er in die Lehre; anschließend unternahm er eine Studienreise nach Italien. 1689 ließ er sich in Warschau nieder, wo er auch für Mitglieder der königlichen Familie tätig war. 1694 schließlich erreichte ihn der Ruf nach Berlin. In den 13 Jahren seines Aufenthaltes schuf er eine erstaunlich große Anzahl bedeutender Kunstwerke wie das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten, das heute vor dem Charlottenburger Schloß steht, oder das Standbild Friedrichs I., als dieser noch Kurfürst Friedrich III. war. Die politische Entwick-lung hatte das Kunstwerk überholt, so daß es anstatt in Berlin 1802 in Königsberg gegenüber dem Ostportal des Schlosses aufgestellt wurde. Wie so viele andere Kunstwerke fiel auch dieses Standbild dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer. Den Bildhauern Gerhard Marcks und Waldemar Grzimek (aus Rastenburg) ist es  zu verdanken, daß sich die Nachwelt an dieser Arbeit von Schlüter dennoch erfreuen kann. Sie setzten sich dafür ein, daß ein Bronzenachguß des in Ost-Berlin erhaltenen Gipsabgusses in Charlottenburg aufgestellt wurde.

Die beiden Standbilder sind nur wenige Beispiele aus dem reichen Schaffen des Danzigers, der auch den Sarkophag für Königin Sophie Charlotte im Berliner Dom, Grabdenkmäler und eine Kanzel (Marienkirche Berlin) schuf. Beeindruckend sind vor allem die „Masken sterbender Krieger“, die Schlüter für den Innenhof des Berliner Zeughauses (heute Deutsches Historisches Museum) entwarf. Sie zeigen die schmerzverzerrten Gesichter gefallener Türken bei der Belagerung von Wien. – In der Mitte des Innenhofs sollte ursprünglich die Gestalt Fried-richs III. als Sieger stehen.

Schlüter war in erster Linie Bildhauer, seine Architektur waren „plastische Gebilde mit bewegter Oberfläche“, wie der Kunsthistoriker Helmut Börsch-Supan es einmal ausdrückte. Seine Werke sind Zeugnisse seiner großen Kunst. Nur wenig weiß man sonst über diesen bedeutenden Künstler des 17. Jahrhunderts. Kein Zeitgenosse schilderte sein Leben, kein Bildnis überliefert seine Züge. Mit seinem Schaffen aber konnte er seiner Zeit einen Stempel aufdrücken. Wenn von norddeutschem Barock gesprochen wird, dann fällt zuerst sein Name: Andreas Schlüter.

Silke Osman

Foto: Berlin 1898: Blick auf das Stadtschloß mit dem Reiterstandbild des Großen Kurfürsten


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