16.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
10.01.09 / Lebendes Kulturdenkmal sucht Paten / Krieg und Vertreibung der Ostpreußen dezimierten den Bestand der Ostpreußischen Skudden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-09 vom 10. Januar 2009

Lebendes Kulturdenkmal sucht Paten
Krieg und Vertreibung der Ostpreußen dezimierten den Bestand der Ostpreußischen Skudden

Die Ostpreußischen Skudden sind ein lebendes Kulturdenkmal. Durch die Gewinnung von Paten will der Zuchtverband für Ostpreußische Skudden und Rauhwollige Pommersche Landschafe ihrem Erhalt dienen.

Ostpreußische Skudden – auch bekannt als Masuren- oder Bauernschafe – gehören zur Gruppe nordischer kurzschwänziger Heideschafe. Der Name leitet sich möglicherweise von dem Wort „kosse“ – ärmlich – ab. Ihre Herkunftsgebiete sind Ostpreußen und Teile des Baltikums. Ostpreußische Skudden gehören zu den ältesten Landschafrassen Deutschlands. Wie die Rauhwolligen Pommerschen Landschafe drohten sie in Folge von Krieg und Vertreibung der Menschen aus ihrer Heimat in Ostpreußen und Hinterpommern auszusterben. Nur wenige dieser Tiere konnten nach 1945 gerettet werden. Rund 160 waren es bei den Skudden, bei den Rauhwolligen Pommern blieben noch weit weniger Tiere. Heute gibt es wieder rund 5000 Skudden und 4000 Rauhwollige Pommern, doch noch immer sind sie in ihrem rassetypischen Bestand gefährdet.

Am größten war der Umfang der Schafhaltung im Deutschen Reich 1874 mit rund 25 Millionen Tieren, am größten in Ostpreußen 1864 mit 1,9 Millionen. Die Konkurrenz mit Wollen billiger produzierender Länder in Übersee und der Umstand, daß in manchen Regionen Deutschlands der Verzehr von Schaffleisch nicht sehr geschätzt wurde, führte zum Rückgang der Schafhaltung. Schon 1912 waren in Ostpreußen bezogen auf die Fläche weniger Schafe vorhanden als in allen östlichen Provinzen. So ging bis 1938 in Ostpreußen die Zahl der Schafe auf 190000 zurück.

Die Provinz besaß meist gute Böden in flacher Geländegestaltung und war mit Niederschlägen gut versorgt, so daß sie als Rinderweide für die auch international mit bestem Namen verbundene ostpreußische Rinderzucht lohnender zu nutzen war.

Auch in der östlichsten Provinz verdrängten Wirtschaftsrassen in der Schafhaltung immer mehr die Landschafe und auch die autochthone Rasse der Skudde. Ihr Anteil betrug mit 2 Prozent zwar geringfügig mehr als der der Merinolandschafe mit 1,7 Prozent, blieb aber weit hinter den schwarzköpfigen Fleischschafen mit 46,1 Prozent und den Merinofleischschafen mit 37,6 Prozent am Gesamtschafbestand zurück.

Seit fast 4000 Jahren ist die Skudde nachweisbar, und frühgeschichtliche Textilfunde belegen, daß die rassetypischen damaligen Vliese den heutigen entsprechen. Skudden wurden nicht „veredelt“, Einkreuzungen fremder Rasen unterblieben weitgehend. Die Vliese dieser Landschafrasse bestehen aus Kurzhaaren, sehr feinen Wollfasern und den abdeckenden Langhaaren. Die Wollfasern der Skudden sind die feinsten der Welt, dreimal feiner noch als die der Merinoschafe. Für das „Schaf der kleinen Leute“ brachte die Industrialisierung der Wollverarbeitung massive Einbrüche im zahlenmäßigen Bestand mit sich. Ihr Vlies – für das angepaßte Leben im rauhen Klima der östlichen Heimat unverzichtbar – widersetzte sich industrialisierter Verarbeitung. Der Bestand der Skudde ging in Folge weiter zurück. Ostpreußische Skudden gibt es in den Farben Weiß, Schwarz und gelegentlich Braun, immer jedoch ist das Fell ganzfarbig.

Skudden sind die kleinsten deutschen Landschafe, ihr Futterbedarf dementsprechend unterhalb der Fütterungsnorm für Landschafe. Skudden zeichnen sich durch Standorttreue und ein ausgesprochenes Herdenverhalten aus. Die Schafe dieser Rasse brauchen keinen Stall, sie können in kleinen Gruppen Sommer wie Winter im Freien gehalten werden, wenn sie einen trockenen, windgeschützten Unterstand haben.

Skudden sind asaisonal, das heißt, sie können fast zu jeder Zeit des Jahres Lämmer werfen, die meisten allerdings werden im Frühjahr geboren. Nach rund fünf Monaten Tragzeit kommen die Lämmer in aller Regel behende und lebenstüchtig zur Welt. Beobachtet wurde eine problemlose Lammung in einer Skuddenherde auf vereister Weide bei -17 Grad. Die rassetypische Bauchwolle der Zibbe schützt die jungen Lämmer auch bei starkem Frost. Ostpreußische Skudden überzeugen auch mit hoher Lebenserwartung. Ein Alter von 25 Jahren sollen Skudden schon erreicht haben. Die Rasse zeichnet sich durch Fruchtbarkeit, gute Mütterlichkeit und ein hohes Aufzuchtergebnis aus.

Skudden sind zur Landschaftspflege bestens geeignet und zeigen eine hohe Umweltstabilität, das heißt sie sind vergleichsweise unabhängig von Umweltveränderungen wie Wind und Sonne. Ihr naturpflegender Weidegang sichert zugleich vielen Geschöpfen Lebensgrundlagen. Ostpreußische Skudden zeigen viele in der heutigen größtenteils durch Leistungsrassen geprägten Landwirtschaft nur noch selten zu beobachtende Verhaltensweisen. Ihre artgerechte Haltung und Zucht sind ein Gewinn – auch an natürlicher Harmonie.

Die hochwertigen Tuche und Strickwaren aus den Wollen von Skudden und Rauhwolligen Pommerschen Landschafen faszinieren anspruchsvolle Kunden. Das Fleisch der alten Landschafrassen ist besonders wertvoll, es enthält viele ungesättigte Fettsäuren.

Der seit 1984 bundesweit tätige „Zuchtverband für Ostpreußische Skudden und Rauhwollige Pommersche Landschafe e. V.“ führt ein Herdbuch für beide Rassen. Er führt die rassetypischen Wollen zusammen und läßt sie nach chemiefreier Wollwäsche mit Gletscherwasser in Tirol schonend verarbeiten. Zur Vermarktung dient das verbandseigene Wollkontor. Skudden wie Rauhwollige Pommern sind immer noch gefährdet. Mehr als 100 Züchter haben sich bereits im Zuchtverband der Erhaltungszucht der Ostpreußischen Skudde verschrieben. Gebraucht werden noch mehr. Unverzichtbar ist dabei die Unterstützung der Fördermitglieder und sogenannter Paten, denn eine öffentliche Förderung gibt es – im Gegensatz zu anderen alten Schafrassen – für die bodenständige Schafrasse Ostpreußens nicht. Der wirtschaftliche Druck auf den nunmehr fast 25jährigen Zuchtverband ist gewachsen, und nur mit neuen Freunden kann die Erhaltungszucht der Ostpreußischen Skudde gesichert werden. Die Zeit drängt! Und so hat jetzt die eilige Suche nach 150 Paten – so viele benötigt der Verband zur Sicherung – begonnen, nach Menschen, denen die Zukunft der Skudde als einem lebenden Kulturdenkmal Ostpreußens am Herzen liegt. 

Jürgen Tönnesen

Weitere Informationen erteilt der Zuchtverband für Ostpreußische Skudden und Rauhwollige Pommersche Landschafe e. V., Dorfstraße 18, 47574 Goch-Nierswalde, Telefon (02823) 418038, www.landschafe.de .

Foto: Ostpreußische Skudde: Nur wenige Tiere konnten nach 1945 gerettet werden.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren