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10.01.09 / Der Weg zur Katastrophe / Gerd Schultze-Rhonhof über »Das tschechisch-deutsche Drama 1918–1939«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-09 vom 10. Januar 2009

Der Weg zur Katastrophe
Gerd Schultze-Rhonhof über »Das tschechisch-deutsche Drama 1918–1939«

Das Verdienst des neuen Buches „Das tschechisch-deutsche Drama 1918–1939“ von Gerd Schultze-Rhonhof besteht darin, daß es eine Zusammenfassung der Umstände und Ereignisse bietet, die in der 1918 geschaffenen „Tschechoslowakischen Republik“ die Sudetendeutschen, deren stärkste Minderheit, mit den Tschechen derart entzweiten, daß Hitler in Ausnützung dieses Konfliktes 1938 das Sudetenland ans Deutsche Reich brachte und im März 1939 die sogenannte „Rest-Tschechei“ zerschlug.

Die gute erste Hälfte der Darstellung von Schultze-Rhonhof handelt von dem sich feindlich zuspitzenden tschechisch-deutschen Verhältnis, die zweite Hälfte von der „Sudetenkrise“ des Jahres 1938 und dem Weg zum Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Prag. Die Botschaft des Buches lautet also, daß die Krise von 1938/39 nicht denkbar ist ohne die Vorgeschichte ab 1918. Hitler hat die Notlage der Sudetendeutschen nicht geschaffen, er hat sie nur ausgenützt, um mit seinen imperialen Plänen voranzukommen. Da beide Elemente, die Notlage und deren Ausnützung, im historischen Ablauf nicht voneinander zu trennen sind, haben die Sudetendeutschen an der Tragik aller Deutschen teilgenommen, daß Hitler ihre legitimen Anliegen pervertiert und in die Katastrophe von 1945 mit hineingerissen hat, so daß das Bewußtsein davon verschüttet wurde, wie legitim diese Anliegen einst waren.

Keinem deutschen Politiker kann im Nachhinein ein Vorwurf daraus gemacht werden, daß er die Revision des Friedensvertrages von Versailles angestrebt hat. Der Autor führt eine Liste von Staatsmännern auch und gerade aus den Sieger-Nationen an, die schon in den 1920er Jahren die Ungerechtigkeit dieses Vertrages anprangerten und mit düsteren Prognosen verbanden. Gerd Schultze-Rhonhof läßt die tschechisch-deutsche Kontroverse schon mit den Hussitenkriegen beginnen. Dem ist zuzustimmen, auch wenn er in seiner (vielleicht allzu) kurzen Einleitungs-skizze unerwähnt läßt, daß in den Hussitenkriegen neben dem nationalen auch das religiöse Element eine besondere, wenn nicht gar die überwiegende Rolle spielte, denn man war ja damals noch im Mittelalter.

Im Hauptteil bringt er gewissenhaft recherchiertes Material, vielfach aus den Akten der beteiligten Außenministerien, als ehemaliger Generalmajor der Bundeswehr in vorbildlich klarer und unverschnörkelter Sprache. Was er präsentiert, kann man allerdings in vielen wissenschaftlichen Publikationen schon seit einiger Zeit nachlesen. Neu ist, daß er auf plausible Weise Fälschungen in den Akten des deutschen Auswärtigen Amtes namhaft macht. Ab Kriegsende bis 1956 waren diese Akten in amerikanischem und britischem Gewahrsam – da mag etwas „hineinkomponiert“ worden sein, um den Vorwurf der langfristigen Planung eines Angriffskrieges abzustützen. Zu diesem Punkt besteht sicherlich noch Forschungsbedarf.

Der Autor weist auch darauf hin, daß die nicht zu rechtfertigende Erzwingung des „Protektorats Böhmen und Mähren“ im März 1939 das Gewicht des „Großdeutschen Reiches“ in Europa für britisches, französisches und auch US-amerikanisches Denken unerträglich vergrößert hatte. Deshalb, so der Autor, die an Polen gegebene Garantie, noch bevor Hitler an einen Angriff auf Polen dachte. Also kein Moralisieren, sondern durchaus herkömmliche britische Machtpolitik im Interesse des „Europäischen Gleichgewichts“. 

Ist eine solche Darstellung „Revisionismus“? Nein, es ist nur eine Ablehnung der vom „mainstream“ bestimmten Denkverbote. Das weckt Neugier auf das mittlerweile in sechster Auflage vorliegende Werk des Autors: „1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte – Der lange Anlauf zum Zweiten Weltkrieg“.         Bernd Rill

Gerd Schultze-Rhonhof: „Das tschechisch-deutsche Drama 1918–1939“, Olzog, München 2008, geb., 512 Seiten, 34 Euro


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