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10.01.09 / Machtquell der Päpste / Der Vatikan als Gewebe des Gestern und des Heute

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-09 vom 10. Januar 2009

Machtquell der Päpste
Der Vatikan als Gewebe des Gestern und des Heute

Mit dem Vatikan verbindet man nicht nur berühmte Sehenswürdigkeiten wie die Sixtinische Kapelle und den Petersdom, sondern auch die Politik und Macht der Päpste. In der Vergangenheit war die Ausübung von Macht seitens der Päpste häufig begleitet von Intrigen, Vetternwirtschaft und Ketzerverfolgung, und noch gegenwärtig gelten die Strukturen und Aktivitäten der Finanzmacht Vatikan als undurchsichtig. Der Autor und Regisseur Klaus-Rüdiger Mai, Verfasser eines Buches über Papst Benedikt XVI., hat eine übersichtliche Darstellung mit dem Titel „Der Vatikan – Geschichte einer Weltmacht im Zwielicht“ vorgelegt, die ganz ohne Spekulationen oder gar Verschwörungstheorien auskommt. An größtmöglicher Objektivität interessiert, entwirft er ein kritisches, aber wohltuend nüchternes Bild des Vatikans, der für ihn „aus einem unauflöslichen Gewebe aus Gestern und Heute, aus Geschichte und Gegenwart“ besteht. Im päpstlichen Verwaltungszentrum erkennt er „eine zuweilen höchst unvollkommene Bürokratie, die in seltsamer Parallelität zu ihrer Zeit lebte“.

Nach dem Kreuzigungstod Jesu erkannten die Jünger und Apostel ihre Aufgabe in der Ausbreitung der christlichen Lehre. Petrus, dem Jesus den Beinamen Kephas (heißt auch: der Fels) gegeben hatte, kam um das Jahr 62 nach Rom, wo er vermutlich unter Nero den Märty-rertod erlitt. Daß seine Gebeine, wie die mündliche Überlieferung es wissen will, tatsächlich auf dem Vatikanischen Hügel bestattet wurden, dort, wo später der Petersdom errichtet wurde, scheint durch die jüngsten Nachuntersuchungen bestätigt zu sein. Mit Blick auf Petrus und die Petruslegende legitimierten die Bischöfe von Rom seit Anfang des 4. Jahrhunderts ihren Anspruch auf die Führung der Kirche und trugen seither den Titel Papst (von griechisch Pappas = Vater) und „Stellvertreter Christi auf Erden“.

Mit dem morgenländischen Schisma von 1054 spaltete sich die römische Kirche endgültig von der griechischen ab. Damit endete das erste Jahrtausend Geschichte des Vatikans, der seit der Amtszeit Papst Gregors VII. (1073–1085) „den unseligen Weg der Macht“ beschritt. Es begann die Epoche der Kreuzzüge. In den Tagen der Kämpfe gegen die Kartharer, um 1200, beauftragte der Vatikan den Predigerorden mit der Aufgabe der Ketzerverfolgung, um die innerkirchlichen Abspaltungen zu unterbinden. Die Inquisition wurde ins Leben gerufen; sie verlieh den Dominikanern „einen unwiderruflichen Imageschaden“. Auch gab die Kirche nach dem Verlust des Heiligen Landes um 1300 das Signal zur Verfolgung der Templer, jener Mönchsritter, die seit 1130 unter Einsatz ihres Lebens in Palästina die Pilger sowie die Königreiche der europäischen Kreuzritter geschützt hatten.

Weitere Kapitel sind der Reformation und den dadurch ausgelösten Glaubenskämpfen gewidmet. Auch die Rolle der Jesuiten wird beleuchtet, die, was wenig bekannt ist, zur Zeit der Eroberung der Neuen Welt vergeblich auf ein humanes Verhalten der Konquistadoren gegenüber den indianischen Ureinwohnern drangen. Neutral und sachlich widmet sich der Autor schließlich den noch immer auf den Nägeln brennenden Themen des 20. Jahrhunderts: der Haltung der Kirche während der Judenverfolgung im Dritten Reich, dem Zweiten Vatikanischen Konzil sowie schließlich dem Laienwerk Opus Dei in Verbindung mit den Vatikanischen Finanzen. In unserer Zeit, in der die bisher tragenden Werte in Frage gestellt werden, erkennt Papst Benedikt XVI. die Chance, die in der Spannung zwischen Glauben und Vernunft liegt, so der Autor. Der gegenwärtige Papst möchte Sinn stiften, indem er den Menschen nicht wie einstmals die Alte Kirche vorschreibt, was sie glauben sollen, sondern ihnen vorschlägt, was sie glauben können.                D. Jestrzemski

Klaus-Rüdiger Mai: „Der Vatikan – Geschichte einer Weltmacht im Zwielicht“, Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2008, geb., 512 Seiten, 18,95 Euro


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