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17.01.09 / Die Roten Khmer töteten ein Drittel ihres Volkes / Vor 30 Jahren beendeten die Vietnamesen die Schreckensherrschaft von Pol Pots Kommunisten in Kambodscha

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-09 vom 17. Januar 2009

Die Roten Khmer töteten ein Drittel ihres Volkes
Vor 30 Jahren beendeten die Vietnamesen die Schreckensherrschaft von Pol Pots Kommunisten in Kambodscha

Wohl kein anderes Regime hat einen derart großen Teil seines eigen Volkes getötet wie das der Roten Khmer Pol Pots. Ein verlorener Krieg gegen die Sozialistische Republik Vietnam beendete 1979 die vier Jahre zuvor begonnene Herrschaft von Kombadschas sogenannten Steinzeitkommunisten.

Als die Vorhut der vietnamesischen Armee im Januar 1979 Phnom Penh erreichte, traute sie ihren Augen nicht: Auf den großzügigen Boulevards der Stadt tummelten sich nur Hunde und Schweine, ihre Häuser waren geschlossen, verriegelt und verbarrikadiert – aber vor allem war es beängstigend still: Phnom Penh, die einstige Zwei-Millionen-Metropole des kambodschanischen Staatsvolkes der Khmer, war menschenleer. Viele ihrer früheren Bewohner waren „Angka“, der mörderischen Institution jenes Tugendstaates, den die kambodschanischen Kommunisten um Pol Pot, die Roten Khmer, zwischen 1975 und 1979 errichtet hatten, zum Opfer gefallen: in den landwirtschaftlichen Kooperativen, wo sie nach zwölf Stunden Arbeit, drei Stunden Umerziehung und sieben Stunden Schlaf an Hunger und Entkräftung starben, in den Gefängnissen, wo Folterknechte sie mit Elektroschocks zu Tode quälten, und schließlich auf den berüchtigten Killing Fields, auf denen man sie wegen Munitionsmangels zu Tausenden mit Schaufeln erschlug.

Die Geisterstadt Phnom Penh stand im Januar 1979 für die Tragödie des ganzen Landes. Vorsichtige Schätzungen besagen, daß etwa zwei Millionen Menschen in nur vier Jahren dem Terror der Roten Khmer zum Opfer fielen. Das war fast ein Drittel der gesamten Bevölkerung. Erst die Invasion des vietnamesischen Erzfeindes setzte dem barbarischen Treiben ein Ende. Aber auch nach 30 Jahren schockiert dieser blutige Revolutionsversuch, in dem man die Stadtbewohner zum Arbeitsdienst aufs Land „evakuierte“, in dem das Geld abgeschafft war und in dem vor allem Menschen erbarmungslos getötet wurden: bei unerfüllten Arbeitsleistungen, bei der leisesten Kritik an der Partei – ja selbst bei unerlaubtem Lachen, Weinen oder Jubeln. All das sahen die Roten Khmer als Reste kapitalistisch-individualistischer Mentalität an, die mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden müßten. Die Roten Khmer versuchten so, mit einem Mal das kommunistische Paradies auf Erden zu errichten.

Die Gründe für diese beispiellose Radikalität wurzeln nicht zuletzt in ihrer Ideologie. Sie umfaßte neben dem Marxismus-Leninismus auch eine besondere anthropologische Vision: In einem jeden Mensch, so glaubten die Roten Khmer, schlummere eine egalitäre Haltung, die den Gedanken des Eigentums nicht kenne und mit der sich private Interessen sofort den öffentlichen beugten. Es waren die Ideen des französischen Philosophen Jean Jacques Rousseau (1712–1787), die sie dazu inspirierten. Einige der Führer der „Roten Khmer“ hatten sich mit ihnen vertraut gemacht, als sie in den 1950er Jahren in Frankreich, der einstigen Kolonialmacht studiert hatten – allen voran Pol Pot selbst, der, wenn auch erfolglos, einige Semester Radioelektronik belegt hatte. Um einen neuen Menschen zu „erziehen“, versuchten die Roten Khmer, das abzuschaffen, was nach ihnen für dessen alleinige Korruption verantwortlich war: die moderne Großstadt mit ihrem Bürgertum. Auch darin folgten sie Rousseau, denn dieser pries das ländliche Leben und sah die Stadt als Hort von Laster und Entfremdung an, in der man nicht mehr wagt, „als der zu erscheinen, der man ist“.

Dieser Gedanke war für die Roten Khmer um so bedeutender, als sie aus der französischen Geschichte wußten, daß die Pariser Kommune durch die einheimische Bourgeoisie zu Fall gebracht worden war. Vor allem Pol Pot bewunderte diese revolutionäre Bewegung von 1871. Für ihn stellte sie in der bisherigen Geschichte den einzigen historischen Versuch einer Machtergreifung durch die Armen dar.

Kurz nach seiner Machtergreifung am 17. April 1975 ließ Pol Pot daher die Einwohner von Phnom Penh und aller übrigen Provinzhauptstädte deportieren, um „die Netze der feindlichen Kräfte zu schwächen“ und sie „mit den Schwierigkeiten des ländlichen Lebens vertraut zu machen“ – für die Roten Khmer war das fast „eine Art Rache“ am städtischen Bürgertum. Aber auch später richtete sich ihr Terror vor allem gegen Ärzte, Lehrer oder Angehörige der technischen Intelligenz – selbst ein Brillenträger galt ihnen als potentieller Feind.

Gewiß, den Mördern um Pol Pot dürften auch nationale Besonderheiten entgegengekommen sein. Kambodscha ist stark buddhistisch geprägt. Der Glaube an die Wiedergeburt, die typisch asiatische Geringschätzung des Individuums und das gleichfalls eigentümliche Verhältnis zur Gewalt – all das mag für die Brutalität der Roten Khmer ein fruchtbarer Boden gewesen sein. Doch bleibt es eine Tatsache, daß das Blutvergießen des Kommunismus in Kambodscha eine besonders große Lache hinterlassen hat.          

Michael Böhm

Foto: Die Erstürmung Phnom Penhs im Januar 1979: An ihr nahmen neben vietnamesischen Soldaten auch Angehörige der kambodschanischen Opposition teil.


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