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24.01.09 / »Allemal besser als die deutschen Produktionen« / Seit gestern ist der Hollywood-Film über das Stauffenberg-Attentat in den deutschen Kinos – Interview mit Dieter Stein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-09 vom 24. Januar 2009

»Allemal besser als die deutschen Produktionen«
Seit gestern ist der Hollywood-Film über das Stauffenberg-Attentat in den deutschen Kinos – Interview mit Dieter Stein

Seit längerem befaßt sich die Wochenzeitung „Junge Freiheit“ intensiv mit der Problematik des 20. Juli 1944. „JF“-Chefredakteur Dieter Stein beantwortet Fragen von Konrad Badenheuer über den Umgang der bundesdeutschen Gesellschaft mit dem Attentat und den neuen Hollywood-Film „Operation Walküre“.

PAZ: Das Attentat vom 20. Juli ist für die „Junge Freiheit“ seit Jahren ein Schwerpunkt. Warum?

Dieter Stein: Jeder Konservative muß sich die Frage stellen, welchen Traditionen er sich verpflichtet fühlt. Uns Deutsche lassen die NS-Verbrechen nicht los, man muß sich unweigerlich mit ihnen auseinandersetzen. Dann kommt man an den Attentätern des 20. Juli nicht vorbei.

PAZ: Ist die Zustimmung zum 20. Juli für Konservative nicht ein selbstverständlicher Konsens?

Stein: Die Erhebung von Stauffenberg war lange eine Art „Scheidemarke“, es gab und gibt auch heute noch eine Ablehnung des Attentats. Teilweise, weil Widerstand prinzipiell abgelehnt wurde, teilweise, weil er als Verrat an der kämpfenden Truppe angesehen wurde, teilweise wegen des damit verbundenen „Eidbruchs“...

PAZ: Sie plädieren dafür, trotz des damaligen Gegensatzes Frontsoldaten und Attentäter gemeinsam in den Blick zu nehmen?

Stein: Auf jeden Fall! Dafür leistet übrigens der neue amerikanische Film „Walküre“ einiges. Er zeichnet kein simpel-negatives Bild des Soldaten an der Front, sondern stellt sie sympathisch dar. Es wird das Dilemma der deutschen Soldaten – in dem auch Stauffenberg selbst steckte – und die Kompliziertheit ihrer Situatution herausgearbeitet.

PAZ: Finden Sie den Film besser als deutsche Produktionen?

Stein: Allemal, als den Deutschen der Mut zum Pathos fehlt. Man hat hierzulande einfach Angst davor, die Akteure direkt als Helden darzustellen und das auch mit Pathos herauszuarbeiten. Auch der Patriotismus der Attentäter wird in Walküre deutlich gezeigt neben dem rechtsstaatlich-humanitären Motiv, das in deutschen Produktionen dominiert. Außerdem beschreibt der Film von Singer Stauffenberg als Familienmenschen und arbeitet erschütternd heraus, wie schwer ihm der Abschied von seinen Liebsten fiel, auch im Wissen um die Gefährdung, der er sie aussetzte. Nicht nur da mußte ich mit den Tränen kämpfen.

PAZ: Stichwort Patriotismus: Die ZDF-Produktion „Stauffenberg – die wahre Geschichte“ unterschlägt sogar dessen mutmaßlich letzten Worte „Es lebe das heilige Deutschland“ ...

Stein: Es ist bezeichnend, daß eine US-amerikanische Produktion diesen Ausruf bringt, während ein öffentlich-rechtlicher deutscher Sender ihn mit dem Hinweis auf Rest-Zweifel am genauen Wortlaut unterschlägt.

PAZ: Professor Guido Knopp behauptet, wahrscheinlicher sei der Ausruf „Es lebe das geheime Deutschland“, das sich auf Lehren des für Stauffenberg wichtigen Stefan George bezieht.

Stein: Gegen diese Vermutung spricht allerdings schon, daß der ZDF-Film auch den „Eid der Verschwörer“, ihr eigentliches Vermächtnis, unterschlägt. Hier war dokumentarische Vorsicht sicher nicht das Motiv.

PAZ: Wie bewerten Sie die Polemik gegen die Besetzung der Rolle Stauffenbergs mit Tom Cruise?

Stein: Weil er Scientologe ist? Ziemlich lächerlich! Das deutsche Feuilleton und hiesige Meinungsmacher sind gekränkt, daß ausgerechnet Hollywood ein Thema realisiert, das an sich ein genuin deutsches ist und wie auf einem Silbertablett vor uns liegt. Eine deutsche Tragödie, bei der es um deutsche Selbstüberwindung geht, um Unbeugsamkeit und Freiheitswillen und in der Konsequenz um den moralischen Freispruch für ein Volk.

PAZ: Freispruch für ein Volk? Kann denn ein ganzes Volk schuldig werden?

Stein: Das nicht, aber es kann für schuldig gehalten werden. Diese Vorstellung hat sich ja in vielen Punkten sogar im Denken der Deutschen selbst festgesetzt.

PAZ: Ein naheliegendes Argument gegen den Kollektivschuldvorwurf ist der Hinweis auf die Unschuldsvermutung, ein Urprinzip der Rechtsstaatlichkeit.

Stein: Das ist sicher ein stringentes Argument, aber auch ein eher abstraktes. Geschichte hat aber auch viel mit Psychologie und Emotionen zu tun. Deswegen halte ich die Botschaft des 20. Juli, die ja in einer eindrucksvollen Tradition steht, für die letztlich stärkere Widerlegung des explitziten oder angedeuteten Kollektivschuldvorwurfs. Da spielt es auch keine Rolle, daß das Attentat mißlungen ist. Stauffenberg ist die alles überragende Figur im Drama des Dritten Reiches. Er verbindet die edelsten deutschen Tugenden als tapferer Offizier unserer Armee, geistig-musischer Mensch und auf dem Fundament des Christentums stehender Familienvater. Es gibt kein vergleichbares Beispiel aus einer anderen totalitären Diktatur, in der eine derart weiträumige Erhebung geplant und durchgeführt wurde. Stauffenberg ist Symbol für eine großartige deutsche Tradition, auf die auch folgende Generationen stolz sein sollten.

PAZ: Stolz sein sollten? Ehrlich gesagt, diese Tendenz zu Pathos und Superlativ ist mir fremd. Da mag der preußische Hang zum Tiefstapeln und zum trockenen Humor eine Rolle spielen ...

Stein: Es ist kein Nachteil, wenn wir und unsere Zeitungen uns in dem einen oder andern Punkt voneinander unterscheiden.

Dieter Stein (Hg.): „Helden der Nation – Beiträge und Interviews zum 20. Juli 1944“, Edition JF, Berlin 2008, 504 S., 28 Euro.

Eberhard Zeller: „Geist der Freiheit. Der zwanzigste Juli“, Edition JF, Berlin 2004, 568 S., 28 Euro.


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