18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
24.01.09 / Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-09 vom 24. Januar 2009

Dschungel-Camp ist überall / Kröten schlucken oder schlucken lassen?/ Warum es gut ist, noch mehr Schulden zu haben / Nun wird alles wieder gut
Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

An dieser Stelle hat Hans Heckel auf seine bewährte Art in der vergangenen Woche erklärt, warum er sich innerlich weigert, über das Dschungel-Camp zu schreiben. „Bravo“ hätte man rufen mögen, ein „Bravo“ der Verweigerung. Der Kollege Heckel hat dann aber doch dem Dschungel-Camp etliche Zeilen geopfert. Er konnte auch gar nicht anders. Ein politischer Re-dakteur kommt am Dschungel-Camp nun mal nicht vorbei. Ob irgendwo in Australien, in Berlin oder in Wiesbaden die Kulisse aus Pappmaché aufgebaut wird, ist egal: Dschungel-Camp ist überall, wo Politik gemacht wird. Zum Würmer fressen und Kröten schlucken, dazu muß niemand nach Australien geschickt werden. Das ist politischer Alltag.

Allerdings sollte man sich schon – so weit es geht – an die Spielregeln halten. Wenn die Regeln vom Spieler verlangen, selbst eine Kröte zu schlucken, dann darf er das nicht auf andere abwälzen. So etwas wird bestraft. Das hat man jetzt wieder in Hessen gesehen. Hätte Andrea Ypsilanti die Kröte einer Koalition mit der CDU geschluckt, sie säße jetzt warm in der Landesregierung. Aber nein, sie wollte nicht selbst schlucken, andere sollten es tun. Das daraus folgende Gewürge ist hinlänglich bekannt. Wie wir inzwischen wissen, hat sich Andrea Ypsilanti verschluckt. So ist das eben im Dschungel-Camp.

Allerdings, Sieger haben auch schon mal besser ausgesehen als der alte und neue Dschungel-König Roland Koch. Aber egal, gewonnen ist gewonnen. Ins Reich der Legendenbildung muß jedoch die Behauptung verwiesen werden, Roland Koch habe nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen das Lied „Auferstanden aus Ruinen“ angestimmt. Diese Hymne der DDR wäre möglicherweise in Wiesbaden heimisch geworden, wenn die Linkspartei mit Andrea Ypsilanti was zu feiern gehabt hätte. Hat sie aber nicht, weshalb sie schon bei der zweiten Zeile der Hymne – „und der Zukunft zugewandt“ – hätte ins Stocken geraten müssen. Wem oder was sich die Frau mit dem Wortbruch nun zuwendet, bleibt vorläufig noch verborgen. Die Wähler jedenfalls haben sich schaudernd abgewandt und sich jener Partei zugewandt, die fest zu ihrem Wort stand: Regieren mit Koch, aber nicht als Koch und Kellner. Es hat in Deutschland schon vieles zur Wahl gestanden, aber die Entscheidung zwischen Wortbruch und Worthalten, die war wahrhaftig neu. Der Ausgang dieser Entscheidung war zwar nicht unbedingt offen, überraschte aber in ihrer Eindeutigkeit dennoch. In Zeiten der Beliebigkeit, in denen die Wahrung der Werte eher verdächtig macht, war ein derartig klares Votum nicht unbedingt zu erwarten. Wieder einmal zeigt sich: Die Wähler haben ein sehr viel feineres Gespür für das, was richtig und was falsch ist, als viele derjenigen, die Kraft Amtes darüber zu entscheiden haben. Woraus zu folgern ist: Wahrscheinlich wäre es doch nicht so verkehrt, etwas häufiger auf das Volk zu hören, nicht nur bei Wahlen.

Als Guido Westerwelle sich die Ziffer 18 unter die Schuhsohle pappte und plapperte, das sei das Wahlziel, da schmierte er ab. Nun hält sein Statthalter in Wiesbaden Wort, er selbst versucht sich als Schuldenbremser – und fährt mit der FDP in Hessen ein Wahlergebnis ein, das den angepappten 18 Prozent verdammt nahe kommt.

Wir alle haben allerdings noch eine große Zukunft vor uns, der wir uns nunmehr zuwenden sollten, nachdem die hessischen Verhältnisse in Ordnung gebracht worden sind. Gemeint ist unsere Zukunft als Banker. Vorbei sind die Zeiten, in denen munter auf die Banker eingedroschen werden konnte, weil sie unsere lieben Spargroschen verzockten. Das können wir nicht mehr, weil jeder von uns jetzt ein bißchen Bank hat. Eigentlich dürften wir nur noch im dunkelblauen Anzug aus dem Haus. Wir sind jetzt nämlich alle Banker. Wie, das haben Sie noch gar nicht gemerkt? Dann wird es aber Zeit, sich ein neues Selbstbewußtsein zuzulegen.

Die Sache ist doch so: Wir haben jetzt Schulden wie noch nie. Und das ist gut so. Denn: Wer viele Schulden hat, der ist angesehen (hätte man ihm sonst so viel Geld geborgt?). Wer viele Schulden hat, der wird besonders pfleglich behandelt (weil er ja irgendwann mal zurückzahlen soll). Sehen Sie, darum ist es gut, tief in der Kreide zu stehen. Es kommt eben ganz auf die Perspektive an.

Nehmen Sie zum Beispiel mal die Angela Merkel. Erinnern Sie sich noch, wie Gerhard Schröder nach der verlorenen Wahl im Fernsehen dröhnte „Die kann es nicht!“? Na, und was nun? Was ist von Gerhard Schröder geblieben? Hartz IV und die Freundschaft zu einem „lupenreinen Demokraten“ (was uns gas-technisch noch keinen Vorteil gebracht hat). Na, und die Angela Merkel, die es angeblich nicht können sollte, die rettet erst die Banken, dann die Wirtschaft und hinterher uns alle. Dabei macht sie Schulden, daß unsereins mit all den Nullen gar nicht hinterherkommt. Und nun hat sie es geschafft, die Kanzlerin mit dem allerhöchsten Schuldenstand zu sein. So viele Schulden hatte noch keiner. Und, ist sie angesehen? Na, sehen Sie!

Darum konnten wir nun auch alle Banker werden. Die Banken hat die Kanzlerin für uns gekauft, damit unser Geld wieder sicher ist. Da soll noch einer von der Commerzbank kommen und einen Kredit verweigern. Ein Teil von dem Laden gehört jetzt uns. Dafür haben wir zwar mehr hingeblättert, als der ganze Laden wert ist, aber nur so konnte die Commerzbank die Dresdner Bank (die auch nichts wert ist) kaufen. Selbst hatte die Commerzbank nämlich nicht das Geld für den Kauf. So ähnlich funktionierte das auch bei der Deutschen Bank, wo der Verkäufer (die Deutsche Post), dem Käufer (die Deutsche Bank) das Geld zuschob, damit er trotz tiefroter Zahlen die Postbank kaufen konnte. Folglich gehört uns jetzt auch ein bißchen Deutsche Bank. Der Deal könnte glatt eine Sonderprüfung im Dschungel-Camp sein. Demnächst lasse ich mir von meinem Lebensmittelhändler das Geld für meinen Einkauf geben.

Wer das alles nicht so richtig versteht, der muß sich keine Sorgen machen, er gehört zur Mehrheit. Man versteht so manches nicht, und muß trotzdem die Folgen ausbaden. Kommen wir also zum Dschungel-Camp-Komplex Nummer drei: Vorerst sieht es so aus, als seien wir bei dem sogenannten Gasstreit zwischen Rußland und der Ukraine noch einmal glimpflich davon gekommen. Vorerst jedenfalls. Bei dem Gefecht wurden so viele Nebelgranaten geworfen, daß selbst die Beteiligten zwischenzeitlich den Überblick verloren, worum es eigentlich ging. Bereits die Namen der mitwirkenden Firmen klingen einnebelnd: Gazprom! Naftogas! RosUkrEnergo! FKRtt Universal!

Das hört sich so undurchsichtig an wie die Vorwürfe und Verdächtigungen, die sich die Beteiligten gegenseitig an den Kopf warfen. Das Schlimme daran: Für vollkommen unmöglich wurde nichts gehalten. Bei beiden Beteiligten nicht. Als sich dann die Nebelschwaden hoben und der Rauch der Geschütze sich verzogen hatte, da traten Wladimir Putin und Julia Timoschenko auf die Bühne, gedresst wie aus dem Modejournal. Richtig reizend sahen sie aus. Nur leider werden sie demnächst wieder losballern: Gazprom! Naftogas! RosUkrEnergo! FKRtt Universal! Rums!

Doch jauchzet, frohlocket, alles wird gut, Trost ist nahe. Bald ist Schluß mit Dschungel-Camp und anderem Übel. Der Retter der Welt ist da. Barack Obama ist endlich im Weißen Haus. Nun hat alle Not ein Ende, nun wird aufgeräumt. Und zwar so gründlich wie niemals zuvor. Zur Begrüßung des 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika stand in einer Zeitung in Deutschland, Obama werde nun „damit beginnen, zahlreiche Entscheidungen der Republikaner Nixon, Reagan und Bush rückgängig zu machen“. Donnerwetter, bis in die Zeit von Richard Nixon zurück sollen die Dinge wieder in Ordnung gebracht werden. Hätte da nicht Parteifreund und Vorgänger Bill Clinton schon ein paar Sachen erledigen können? Oder kam der nicht dazu, weil Monica Lewinsky ihn zu sehr in Anspruch nahm? Vielleicht kann Hillary Clinton dem neuen Präsidenten noch ein paar Sachen zeigen, die ihr Bill hat liegen lassen. Auf jeden Fall hat eine neue Zeitrechnung begonnen: vor Barack Obama und mit/nach Barack Obama


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren