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31.01.09 / Folgenloser Schock / Aus der Krise der Rütli-Schule 2006 wurden kaum Lehren gezogen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 31. Januar 2009

Folgenloser Schock
Aus der Krise der Rütli-Schule 2006 wurden kaum Lehren gezogen

Im Frühjahr 2006 wurde die Berliner Rütli-Schule im Problemkiez Neukölln landesweit bekannt, weil ihre Lehrer geschlossen nicht mehr weiterwußten. In einem Brief beschrieben sie in bisher ungekannter Offenheit die Zustände an ihrer Hauptschule und erstmals auch die, die sie unmittelbar dafür verantwortlich sahen – Schüler, denen das deutsche Wertesystem fremd ist, die aus „bildungsfernen Schichten“ mit „Migrationshintergrund“ stammend weder von den eigenen Eltern noch vom Schulsystem erreicht werden. 83 Prozent ihrer Schüler hätten einen Migrationshintergrund, so die Rütli-Lehrer 2006.

Politik und Medien schenkten dem Fall viel Aufmerksamkeit – wegen der Ausmaße der Gewalt an der Schule, aber auch, weil bis dato seitens der Politik gepflegte Theorien, warum Kinder nichtdeutscher Herkunft Probleme mit dem hiesigen Schulsystem hätten, die Probleme nicht mehr erklären konnten. Statt vermeintlicher Ausgrenzung und Diskriminierung, ausgeübt vom deutschen Schulsystem, war „in vielen Klassen das Verhalten im Unterricht durch totale Ablehnung des Unterrichtsstoffes und menschenverachtendes Auftreten“ seitens der Schüler geprägt. Lehrer würden gezielt mit Gegenständen beworfen, so daß sie aus Angst ihr Mobiltelefon in den Unterricht mitnähmen, hieß es im Brief der Pädagogen. Der Krankheitsstand unter den Lehrern hatte ein Rekordniveau erreicht – sie hatten vor der allgegenwärtigen Gewalt kapituliert. Disziplinarische Maßnahmen griffen nicht, denn sie waren meist am Ideal einsichtiger Schüler orientiert und nicht an denen, die es als „besondere Anerkennung im Kiez“ ansehen, „wenn aus einer Schule möglichst viele negative Schlagzeilen in der Presse erscheinen“.

Die anschließende Reformdebatte richtete sich dann überwiegend gegen die Institution Hauptschule, die veraltete Lehrpläne aufweise und selbst gute Schüler chancenlos auf den Arbeitsmarkt entlasse. Die Schulform gehöre als Schüler demotivierendes Relikt abgeschafft – so der Tenor der Medien. Daß tatsächlich eher das bisherige Integrationsmodell gescheitert war, bestätigte ausgerechnet Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD): Er würde seine Kinder, wenn er welche hätte, auch nicht auf eine Kreuzberger Schule schicken. Verantwortlich handelt, wer sich mit der Schul-Situation in den Problemstadtteilen abfindet, so Wowereits Signal – und seitdem melden sich Eltern um, damit ihre Kinder nicht im falschen Stadtteil eingeschult werden. Das Konzept einer Integration durch Mischung aller Schüler besteht nur noch auf Behördenpapier. Die soziale Trennung der Schüler Berlins beschleunigt sich seither, ebenso ihre Trennung nach Herkunft. Wer kann, meidet die Schulen der Stadtteile Kreuzberg, Wedding, Tiergarten und Neukölln. Dort haben inzwischen drei Viertel der Schulen einen Migrantenanteil von über 50 Prozent. Die Rütli-Schule ist dagegen saniert und personell besser ausgestattet worden. Einzelne Schulleiter engagieren sich seither noch stärker – ein Gesamtkonzept steht dagegen aus.        S. G.


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