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31.01.09 / Im Abwrackfieber / Parteien wollen sich als tatkräftig präsentieren, dabei bleiben Grundsätze auf der Strecke

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 31. Januar 2009

Im Abwrackfieber
Parteien wollen sich als tatkräftig präsentieren, dabei bleiben Grundsätze auf der Strecke

Deutschland im Abwrackfieber: Nach längerer Flaute in den Autohäusern versuchen nun Tausende, ihr altes Gefährt zu verschrotten und mit 2500 Euro Staatsknete ein neues zu erwerben. Ein ähnliches Fieber grassiert auch in den Parteien: Angesichts der Krise scheuen alle den Ruf des Bremsers. Darum verschrotten sie reihenweise alte Überzeugungen.

Die „Opposition“, FDP und Grüne, überbieten sich derzeit darin, der Regierung zupaß zu sein. Konnte Guido Westerwelle noch kurz nach der Hessenwahl kaum laufen vor Kraft, und stellte Bedingungen für eine Duldung des Konjunkturpakets, überholten ihn die Grünen flugs rechts und liefen ihm den Rang ab als Merkels Mehrheitsbeschaffer. Nur ein bißchen mehr Öko sollte die Reform sein, sonst geht das schon, meinte sinngemäß Renate Künast, deren Kollege Fritz Kuhn das Konjunkturpaket kurz zuvor noch als unverantwortliche „Voodo-Ökonomie“ abgetan hatte. Aber hatte nicht auch We-sterwelle das Konjunkturpaket, dem zustimmen zu wollen er nun andeutete, zuvor als „größtes Schuldenpaket der Geschichte“ verdammt?

Nicht viel besser steht es heute um die „Grundsatztreue“ von Union und SPD: Die Partei Ludwig Erhards wandelt auf den Spuren von John Maynard Keynes und seiner staatlichen Nachfrageförderung in der Krise. Noch besser: Wer gestern noch die Überlegenheit des Marktes predigte, verstaatlicht heute Banken, denkt über eine „Bad Bank“ nach, die den Kreditinstituten praktisch aus dem Staatshaushalt ihre verzockten Milliarden ersetzen soll, spannt Rettungsschirme über ganze Branchen.

Und die Haushaltspolitiker, etwa SPD-Finanzminister Peer Steinbrück, der nach seiner grandiosen Show bei der Bankenrettung nun, beim Konjunkturpaket, nichts mehr mitzureden hat, oder auch der CDU-Haushaltsexperte Steffen Kampeter, wirken wie graue Buchhalter, während nebenan das große Ausgabenfieber ausgebrochen ist. Ausgerechnet Steinbrück, der noch im vergangenen Sommer mit der wahlkämpfenden CSU um jede Million erbittert feilschte, muß nun die größte Neuverschuldung aller Zeiten unterschreiben.

An eine wirksame Schulden-bremse, selbst wenn sie ins Grundgesetz geschrieben würde, glaubt angesichts der grassierenden Ausgabenhysterie kaum jemand; denn Papier ist bekanntlich geduldig. Hatte die Koalition nicht in den Boomjahren 2006 bis 2008 die Gelegenheit, Schulden zurückzuzahlen? Nachdem sie das nicht getan hat, fragt man sich schon, wie das dann in der Krise gehen soll. Die parlamentarische Demokratie denkt nun einmal in Wahlperioden, nicht in Generationen. Die Akteure im politischen Berlin verschrotten ihre eigenen Überzeugungen dieser Tage mit einer Dynamik, daß selbst die schnellsten Possenreißer kaum nachkommen.

Eigentlich können sich die Staatswirtschaftler Oskar Lafontaine und Gregor Gysi grinsend zurücklehnen und die Hände reiben. Die SPD, sogar die Union, erfüllen große Teile des PDS-Wahlprogramms: Verstaatlichung der Banken, großzügige Ausgabenprogramme, Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes. Doch die Wähler sehen das nicht als „Erfolg“ der SED-Nachfolger (ist es ja auch nicht), sondern als Folge der Krise, und vor der haben sie Angst. Deshalb steigen derzeit auch die Aktien der ungeliebten Großen Koalition. Große Krisen erfordern große Mehrheiten, was aber nicht unbedingt zu großer Politik führt, sondern oft zum Kompromiß-Krampf zwingt. Die Union strebt ein Bündnis mit der FDP an, weil so eine bürgerliche Politik eher möglich wäre – stimmt aber gleichzeitig der Einführung von SPD-Mindestlöhnen in sechs Branchen zu. Ein deutlicheres Konterkarieren des Redens durch das Tun geht nicht.

Bemerkenswert ist, daß die Linkspartei aus der Krise keinen Profit schlagen kann – nebenbei bemerkt eine klare Widerlegung der Marx’schen Verelendungstheorie, der zufolge das verarmende Proletariat in der Krise zu Extremen und Revolten neigt. Verelendung trifft derzeit nur auf die Linkspartei selber zu, gerade im Westen der Republik, wo nicht SED-Altkader, sondern meist Anarchisten, Trotzkisten, alte DKP-Leute und andere Gestörte das Sagen haben: Gegenseitige Bespitzelungen, Stasi-Vorwürfe, öffentliche Schmähungen, Bedrohungen, Handgreiflichkeiten auf Parteitagen, Austritte ganzer Ortsverbände. Auch die Befürworter einer rot-roten Volksfront innerhalb der SPD sind deutlich stiller geworden. Von Andrea Nahles, Klaus Wowereit und anderen Parteilinken jedenfalls hört man das Wort Linkspartei derzeit nicht. Nach der nächsten Bundestagswahl scheint zumindest eine rot-rot(-grün)e Mehrheit derzeit sehr unwahrscheinlich – den Zahlen und auch der Stimmung in den Parteien nach.

Auch Gesine Schwan, auf dem Papier Kandidatin der SPD für das Amt des Bundespräsidenten, klagt über mangelnden Rückhalt seitens derjenigen, die sie ins Rennen geschickt haben. Kein Wunder: Schwan ist die personifizierte Vorbereitung eines rot-roten Bündnisses und als solche den SPD-Wahlstrategen lästig geworden.

Eine Ampel und ein Jamaika-Bündnis dürften an der Abneigung zwischen Grünen und FDP scheitern, die um ähnliche Wähler kämpfen. Wenn es also am 27. September nicht für Schwarz-Gelb reicht, steht erneut eine Große Koalition auf der Tagesordnung – mit all den Folgen, die wir bereits erleben: Abschleifen des je eigenen Profils der Volksparteien, und in der Folge deren Ausbluten, dessen Nutznießer die FDP und Grünen sein dürften.    Anton Heinrich

Foto: Auf Kosten der Kinder: Parteien denken nur in Wahlperioden, nicht in Generationen.        


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