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31.01.09 / Ramsan Kadyrows langer Arm / Der Doppelmord von Moskau rückt Tschetschenien wieder ins Blickfeld der Weltöffentlichkeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 31. Januar 2009

Ramsan Kadyrows langer Arm
Der Doppelmord von Moskau rückt Tschetschenien wieder ins Blickfeld der Weltöffentlichkeit

Es passierte am hellichten Tag. Am 13. Januar wurde in einem Vorort von Wien ein tschetschenischer Flüchtling auf offener Straße erschossen, am 19. Januar geschah der Doppelmord an dem Rechtsanwalt Stanislaw Markelow und der Journalistin Anastasija Baburowa im Zentrum Moskaus. In beiden Fällen führt die Hauptspur nach Tschetschenien.

Zunächst war die Verunsicherung über den Mordanschlag, der  sich am frühen Nachmittag auf einer belebten Straße unweit des Zentrums von Moskau ereignete, groß. Obwohl viele Menschen zum Zeitpunkt der Tat unterwegs waren, konnte kein Phantombild des Täters erstellt werden. Überwachungskameras zeigten ihn nur von hinten. Der Attentäter konnte unerkannt über die nahegelegene U-Bahn-Station entkommen. Als einziges Beweismaterial stellte die Polizei das Projektil einer Makarow-Pistole sicher. Es handelt sich um einen Waffentyp, mit dem die russische Polizei ausgerüstet ist.

Das Rätselraten über Motive und Hintergründe des Mordes begann. Im Verdacht standen Skinheads, weil Anastasija Baburowa, die erst seit Oktober für die unabhängige Moskauer Zeitung „Novaja gazeta“ tätig war, und davor bei der „Izvestia“ PR-Artikel schrieb, über Aktivitäten der Rechtsradikalen recherchierte. Vier Tage vor seinem Tod hatte Anwalt Markelow Morddrohungen per SMS mit faschistischem Inhalt erhalten. Nach der Tat veröffentlichte die „Novaja gazeta“ Einträge von Internet-Blogs rechtsradikaler Gruppen, die den Mord in hämischen und verunglimpfenden Worten verherrlichten. Für wahrscheinlicher halten die meisten Beobachter jedoch, daß der Mord im Zusammenhang mit Tsche-tschenien zu sehen ist. Es gibt deutliche Parallelen zum Fall der 2006 getöteten Journalistin Anna Politkowskaja. Der Anwalt Markelow hatte eng mit ihr zusammengearbeitet. In vielen Fällen verteidigte er Tschetschenen, die Opfer von Gewalt russischer Soldaten oder ihrer eigenen Regierung geworden waren. Markelow übernahm auch aussichtslose oder gefährliche Fälle. Alexander Lebedew, Oligarch und neben Michail Gorbatschow Miteigentümer der „Novaja Gazeta“ vermutet, daß Markelow bei einem seiner letzten Aufenthalte in Tschetschenien den Namen des Mörders von Anna Politkowskaja erfahren haben könnte und deshalb sterben mußte. Daß es sich bei dem Mörder um einen Profikiller gehandelt haben muß, beweist der Einsatz eines Schalldämpfers und das geschickte Austricksen der Überwachungskameras.

Dem tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow wird schon länger vorgeworfen, ein Terroristen-Netzwerk aufgebaut zu haben. Umar Ismailow, ein ehemaliger Leibwächter Kadyrows, der am 13. Januar in Wien erschossen wurde, wollte als Augenzeuge gegen seinen Ex-Chef aussagen. Er beschuldigte Kadyrow, in den Jahren 2003 bis 2005 Mißhandlungen und Ermordungen durch seine Handlanger beigewohnt zu haben. Ismailow hatte bei der russischen Staatsanwaltschaft Anzeige erstattet und eine Beschwerde gegen Kadyrows Regime beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht. Er mußte aus Tschetschenien fliehen und beantragte in Wien politisches Asyl. Er galt als besonders belastender Zeuge, weil er selbst drei Monate in einem Geheimgefängnis verbracht hatte, wo er nach eigenen Angaben von Kadyrow persönlich mißhandelt wurde.

Ramsan Kadyrow, den der damalige russische Präsident Wladimir Putin gleich nach der Ermordung seines Vaters Achmed Kadyrow im Mai 2004 zum Vizeregierungschef machte, wird ein autoritäter Regierungsstil nachgesagt. Nachdem Kadyrow im Jahr 2006 die laut Verfassung erforderlichen 30 Jahre alt war, um Präsident zu werden, verdrängte er den gewählten Präsidenten Alu Alcha-now aus seinem Amt, und seit 2007 ist er Regierungschef. Seitdem wird in Tschetschenien ein Personenkult um Ramsan Kadyrow betrieben. Großflächige Porträts mit Aufschriften wie „Ramsan, wir sind stolz auf dich“, zieren die Gebäude. Gestützt aus dem russischen Haushalt, verschrieb er sich dem schnellen Wiederaufbau der Kaukasusrepublik. Heute ist Grosny wieder eine blühende Stadt. Ramsan Kadyrow ist ein Präsident, der auch die Islamisierung der Bevölkerung vorantreibt. Seine Brotherren in Mos-kau scheinen es hinzunehmen.

Bislang schweigen sowohl Präsident Medwedew als auch Premier Putin zu den Mordfällen wie auch zu den Alleingängen der tsche-tschenischen Regierung. Kritische Journalisten in Moskau fürchten um ihr Leben. „Novaja Gazeta“-Chefredakteur Dmitrij Muratow forderte vom FSB, mit Waffen versorgt zu werden. Antwort erhielt er nicht. Entsetzen herrscht in den Zeitungsredaktionen über die Gleichgültigkeit der Bevölkerung und der politischen Parteien über die Morde.       M. Rosenthal-Kappi

Foto: Grosny 2009: Aus Ruinen entstand eine moderne Stadt nach russischem Vorbild, aber mit islamischen Regeln.


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