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31.01.09 / Widerstand in den eigenen Reihen / Merkel unter Druck: Viele in der CDU fordern einen klaren marktwirtschaftlichen Kurs

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 31. Januar 2009

Widerstand in den eigenen Reihen
Merkel unter Druck: Viele in der CDU fordern einen klaren marktwirtschaftlichen Kurs

Steuersenkungen oder nicht – das ist jetzt die Frage, die die Union umtreibt. Auf der Suche nach einem eigenen Profil brechen vor allem in der CDU verdrängte Fronten wieder auf.

Manche in der CDU dürften dieser Tage an Friedrich August von Hayek, den 1992 verstorbenen Vordenker der Liberalen und Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, gedacht haben. In seiner „Verfassung der Freiheit“ schimpfte der 1899 geborene Wiener: „Es waren immer die Konservativen, die dem Sozialismus Zugeständnisse gemacht haben und ihm zuvorkamen. Als Befürworter des Weges des Mitte, ohne eigenes Ziel, waren die Konservativen von dem Glauben geleitet, daß die Wahrheit zwischen den Extremen liegen muß – mit dem Ergebnis, daß sie ihre Position verschoben, so oft sich an einem der Flügel eine extreme Bewegung zeigte.“

Seit dem Leipziger CDU-Parteitag 2003, von dem strikt marktwirtschaftliche Signale ausgingen, bemängelt eine wachsende Zahl von Mitgliedern und Anhängern der Union ein Abgleiten ihrer Partei auf sozialdemokratische Pfade. Nachdem der Unmut lange eher unterschwellig und nur von wenigen offen formuliert wurde, drängt das ernüchternde Abschneiden der Union in Hessen, dem ein strahlender Sieg der FDP gegenüberstand, die Kritiker nach vorn.

Jahrelang traten Vertreter des Wirtschaftsflügels, wie der rührige Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung (MIT) Josef Schlarmann, eher als einsame Rufer auf, deren Protest folgenlos an der Parteispitze um Kanzlerin Merkel abzuprallen schien. Schlarmanns Vorwurf der „Sozialdemokratisierung“ und des Verrats an den Reformversprechen von 2003 und vom Wahlkampf 2005 verhallte: Während sich die SPD als Abwehrmaßnahme gegen die aufkeimende Linkspartei aus der Agenda-Politik Gerhard Schröders häppchenweise davonschlich, bezog die CDU in den Augen Schlarmanns vorheriges SPD-Terrain.

Hayek läßt grüßen. Auch was das Vorwegnehmen sozialistischer Forderungen angeht, welche die Sozialdemokraten selbst (noch?) gar nicht gestellt haben: „Als ich im Radio hörte, SPD-General Hubertus Heil warnt CDU vor Verstaatlichung von Firmen, war ich platt“, zitiert der „Focus“ einen namentlich nicht genannten CDU-Strategen. Heil, erfreut über die Wirkung seiner Attacke, legte sofort nach. Kanzlerin Merkel stehe „für programmatischen Nebel“, so der Generalsekretär.

Verunsichert durch die Ergebnisse der Hessenwahl formiert sich nun Widerstand gegen den wirtschaftspolitischen Kurs der CDU bis in die Spitze der Partei. Auf einer dem Vernehmen nach temperamentvoll verlaufenen Vorstandssitzung am „Montag nach Hessen“ ging Merkel MIT-Chef Schlarmann frontal an. Der hatte zuvor das gute Abschneiden der FDP als Zeichen dafür gedeutet, daß CDU-Stammwähler den Kurs der „Sozialdemokratisierung“ nicht länger mittrügen und zu den Liberalen abwanderten. Nachdem die Kanzlerin Schlarmann angegriffen hatte, ließ sie ihm Berichten zufolge keine Gelegenheit zur Gegenrede, was die Stimmung weiter verdüstert haben dürfte.

Mittlerweile versuchen Merkel-Treue wie Union-Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen die FDP-Forderungen nach Steuer-

senkungen als unrealistisch zu entkräften, um Druck von der wirtschaftspolitischen Flanke ihrer Partei zu nehmen. Steuersenkung und Schuldenreduzierung gingen nicht gleichzeitig, so Röttgen.

Damit aber zielt er an der zentralen Kritik vorbei, die Liberale und den Wirtschaftsflügel der Union vereint: Als Marktwirtschaftler zweifeln sie grundsätzlich am Erfolg staatlicher Konjunkturprogramme, da alle vergangenen verpufft seien.

Was die Marktwirtschaftler aufbringt ist, daß hier Geld ausgegeben wird, das dann bei strukturellen Reformen etwa des Steuerrechts, Stichwort: Vernachlässigung der Mittelschicht, fehlt. Aus Angela Merkels Mund erscheint ihnen das Versprechen, eine strukturelle Steuerreform sei nur vertagt, und nicht auf Sankt Nimmerlein verschoben, zunehmend wie ein Lippenbekenntnis.

Merkels Appelle zur Geschlossenheit („Forderung: Klappe halten“ übersetzte sie ein Delegierter des jüngsten CDU-Bundesparteitags) fruchten inzwischen auch nicht mehr bei ihren CDU-Landesfürsten. So forderte der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger Merkel öffentlich zu einer „klaren Kursbestimmung entlang der marktwirtschaftlichen Grundsätze der Union“ auf. „Eine Steuerreform auf Pump ist nicht gerecht“, so Oettinger.

Und auch aus dem Saarland gibt es Gegenwind: „Man kann auch in der Großen Koalition deutlich machen, wo außerhalb der Regierungspolitik die originären Positionen der Union liegen. Das ist uns nicht ausreichend gelungen“, kritisiert Peter Müller, der bei den Landtagswahlen im Sommer sein Amt gefährdet sieht.

Und während Merkel bereits mit offenem Widerstand in den eigenen Reihen zu kämpfen hat, versucht nun auch die CSU die Schwesterpartei zu einem „eindeutigen und glaubwürdigen Bekenntnis zu weiteren Steuersenkungen zu bewegen“ Hans Heckel

Foto: Offener Dissens: Seehofer (r.) will die Steuern senken, Oettinger (Mitte) eine radikale Bankensanierung mit noch mehr Schulden. Die Bundeskanzlerin lehnt bisher beides ab, viele irritierte Wähler wenden sich der FDP zu.


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