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31.01.09 / »Ihr Lachen ist uns Dank« / Hermann Gmeiners Idee der SOS-Kinderdörfer umspannt die Welt – Weiterer Ausbau geplant

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 31. Januar 2009

»Ihr Lachen ist uns Dank«
Hermann Gmeiners Idee der SOS-Kinderdörfer umspannt die Welt – Weiterer Ausbau geplant

Helfen, wo die Not am größten ist, diejenigen unterstützen, die sich selbst nicht helfen können, das ist die Maxime der vor 60 Jahren von Hermann Gmeiner ins Leben gerufenen SOS-Kinderdörfer.

Weit aufgerissene Kinderaugen blicken geradezu vorwurfsvoll in die Fernsehkameras, so als wollten die Mädchen und Jungen fragen: Warum tut ihr uns das an? Ob im Kosovo, in Georgien, im Irak und Afghanistan oder jetzt in Gaza – bei den Auseinandersetzungen der Mächtigen sind es die Schwachen, die Kinder, Alten und Kranken, die am meisten leiden und der Willkür ausgeliefert sind. So sind auch zahlreiche Familien, die im Rahmen der Familienhilfe des seit zehn Jahren bestehenden SOS-Kinderdorfs Rafah im südlichen Gaza-Streifen unterstützt werden, vom neuerlichen Ausbruch der Gewalt stark betroffen. Sehr viele Häuser sind von Luftangriffen zerstört worden, bei der Lebensmittelbeschaffung gibt es große Probleme. Im Rahmen der Familienhilfe unterstützt SOS-Kinderdorf Rafah derzeit 900 Kinder aus 187 Familien.

Auch in Israel gibt es zwei SOS-Kinderdörfer. Die Einrichtungen Neradim bei Arad und Megadim bei Migdal Ha’Emekhaben jetzt Räumlichkeiten für Kinder aus der Grenzregion bereitgestellt. Die Mädchen und Jungen sollen in den Kinderdörfern Zuflucht finden, bis sich die Lage wieder entspannt.

Als der Österreicher Hermann Gmeiner (1919–1986), der selbst früh die Mutter verlor, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf das Elend der verlassenen Kinder, der Kriegswaisen und entwurzelten Jugendlichen aufmerksam wurde, begann er, eine Idee zu verwirklichen, die heute mit ihren segensreichen Einrichtungen die ganze Welt umspannt: das SOS-Kinderdorf. Mädchen und Jungen, die aus verschiedenen Gründen nicht in der eigenen Familie aufwachsen können, finden dort eine neue Heimstatt. Eine pädagogisch ausgebildete Kinderdorfmutter, die von Therapeuten unterstützt wird, betreut in einem eigenen Haus bis zu sechs Kinder. Und da geht’s zu wie in einer „richtigen“ Familie. SOS-Kinderdorfmutter Alexandra erzählt im Internet von ihren Erlebnissen: „Wenn man sechs Kinder hat, tauchen solche Tage unvermeidlich auf: Alles passiert zur gleichen Zeit, jeder hat an so einem Tag einen wichtigen Termin und garantiert ist nichts zu verschieben.“

„Sebastian, mein leiblicher Sohn“, erzählt Alexandra weiter, „war nie eifersüchtig. Als wir damals ins Kinderdorf gezogen sind, war er zweieinhalb Jahre alt und er hatte nie ein Problem damit, seine Mutter teilen zu müssen, vielmehr hat er es immer genossen, mit anderen Jungen und Mädchen zusammen aufzuwachsen.“

Als Hermann Gmeiner vor 60 Jahren in Imst / Tirol sein erstes SOS-Kinderdorf errichtete, wird er kaum geahnt haben, welche Auswirkungen diese Idee einst haben würde. 473 SOS-Kinderdörfer gibt es inzwischen weltweit. Dort und in den SOS-Jugendeinrichtungen wachsen momentan 72523 Kinder und Jugendliche heran. Eine Zahl, die ständig wächst: Schon jetzt wird an 27 weiteren Dörfern gebaut.

Die Ziele sind weit gesteckt. So will man bis zum Jahr 2016 die Hilfe für die Schwächsten der Gesellschaft deutlich ausbauen. Eine Million Kinder sollen bis 2016 – vor allem im Rahmen der SOS-Familienhilfe – betreut und dabei unterstützt werden, den Weg aus der Armut zu finden. Denn es sind nicht nur kriegerische Auseinandersetzungen, die den Kindern die Zukunft verbauen, auch Armut und Krankheiten wie Aids zersetzen die Familien und lassen sie zerbrechen. Die SOS-Kinderdörfer helfen auch in solchen Situationen, damit die Kinder gar nicht erst auf der Straße landen.

Über 250000 Kinder und Eltern auf der ganzen Welt finden derzeit Unterstützung in ihrer Not durch die Programme zur Familienstärkung. Es sind vor allem auch alleinerziehende Mütter, die auf Hilfe angewiesen sind, Mütter wie die 33jährige verwitwete Malancha in Bangladesch, die jetzt als Schneiderin ihren Lebensunterhalt verdient und ihre beiden Söhne endlich auf eine Schule schicken kann, oder die 25jährige Maria in Bolivien, deren zwei Töchter in der Kindertagesstätte der SOS-Kinderdörfer in Sucre betreut werden, während sie kochen und schneidern lernt. Auch sie hat von dem Ziel der SOS-Kinderdörfer weltweit profitiert, die Menschen zu befähigen, ihre Zukunft selbst zu gestalten. „Wenn es den Müttern gut geht, dann geht’s auch den Kindern gut.“

Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die Bandbreite der Hilfsangebote erheblich erweitert. Zu den klassischen Kinderdörfern kommen 1450 Einrichtungen, die sich in sieben Gruppen gliedern lassen: 383 SOS-Jugendeinrichtungen, 226 SOS-Kindergärten, 185 SOS-Hermann-Gmeiner-Schulen, 104 SOS-Berufsbildungszentren, 499 SOS-Sozialzentren mit Familienstärkungsprogrammen, 60 SOS-medizinische Zentren, zehn SOS-Nothilfeprogramme. In allen SOS-Kinderdorf-Einrichtungen werden 1154241 Kinder, Jugendliche und Familien betreut.

„Wir machen Niemandskinder zu Glückskindern. Ihr Lachen, ihre Lebensbejahung ist uns Dank! Die Kinder dieser Welt sind unsere einzige Hoffnung“, hat Hermann Gmeiner einmal gesagt. Worte – und Taten, die überzeugten, denn Millionen SOS-Kinderdorf-Freunde helfen heute weltweit, das Werk Hermann Gmeiners fortzuführen.

„So viel sich im Kinderdorf geändert hat, eines ist in 60 Jahren immer gleich und unantastbar geblieben“, betont Kinderdorfmutter Alexandra, „im Mittelpunkt stehen die Kinder. Es ist großartig zu erleben, wenn ein Kind zu sich selbst findet, seine Talente entdeckt, Spaß am Leben hat. Dafür arbeiten wir, damals wie heute.“        Silke Osman

Foto: Unbeschwertes Leben: Im SOS-Kinderdorf Imst / Tirol geht alles seinen natürlichen Gang.


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