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31.01.09 / Im Bann der Geschichte / Archäologin entdeckt Pergament

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 31. Januar 2009

Im Bann der Geschichte
Archäologin entdeckt Pergament

Anläßlich der Publikation ihres neuen Buches gab die Australierin Geraldine Brooks in einem Interview bekannt, warum sie eine Vorliebe gerade für das Genre des historischen Romans hege: „Es macht mir großen Spaß, diejenigen Geschichten aus der Vergangenheit auszugraben, über die wir zwar einiges wissen, aber bei weitem nicht alles; über die wir gerade so viele historische Aufzeichnungen besitzen, daß sie uns ein spannendes Gerüst aus Fakten liefern, aber auch genügend unbekannte Lücken lassen. Und damit der Phantasie ausreichend Raum bieten, um mit ihnen zu arbeiten.“ Schon ihre vorherigen Romane „Das Pesttuch“ und „Auf freiem Feld“, beide internationale Bestseller, entstanden vor dem geschichtlichen Hintergrund der Pestepidemie in Europa beziehungsweise des Bürgerkriegs in den USA.

In „Die Hochzeitsgabe“ verarbeitet die Autorin nun ihre Erlebnisse und Eindrücke während des Bosnienkrieges Anfang der 1990er Jahre. Als Auslandskorres-pondentin des „Wall Street Journal“ reiste sie damals mehrfach nach Sarajewo, um über die Arbeit der UN-Soldaten vor Ort zu berichten. Dabei stößt sie im bosnischen Nationalmuseum auf ein unscheinbares Büchlein, das zwei muslimische Mitarbeiter 1994 aus dem schwer beschädigten Gebäude unter Lebensgefahr bergen konnten. Es handelt sich um die Haggadah, eine kostbare jüdische Schrift, die etwa um 1350 in Spanien teils in aramäischer, teils in hebräischer Sprache verfaßt wurde. Das reich bebilderte Manu-skript ist eine Art Gebrauchsanweisung für das Passahmahl. Bei diesem traditionellen jüdischen Fest wird des Auszugs der Israeliten aus Ägypten und ihrer Flucht durch das Rote Meer gedacht.

Brooks wird Zeugin der komplizierten Restaurierung des Werkes, die unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen stattfand. An diesen Beobachtungen inspiriert sich die Hauptfigur aus ihrem Roman „Die Hochzeitsgabe“: Die junge Wissenschaftlerin Hanna Heath wird eines Tages nach Sarajewo gerufen, um das Pergament der Haggadah zu restaurieren. Durch die genaue Analyse der Illustrationen und Farben soll die Restaurierung dem Original so ähnlich wie möglich werden. Dabei entdeckt Hannah winzige Gebrauchsspuren, die sie schon bald in den Bann der über 600jährigen Geschichte der Schrift ziehen. Ein Weinfleck, ein kurzes weißes Haar, ein geheimnisvoller Flügel eines Insekts – jedes dieser Details erzählt eine Episode aus der abenteuerlichen Odyssee des Buches durch ganz Europa. Einst als Hochzeitsgeschenk gefertigt, gelangt es zur Zeit der Spanischen Inquisition von der Iberischen Halbinsel über Italien zum Balkan. Hanna trifft zum Beispiel die dunkelhäutige Malerin aus Sevilla, die 1490 die wunderschönen Bilder zeichnet, um einen kleinen taubstummen Jungen zu erfreuen. Ausgerechnet eine Frau und dazu noch eine Sklavin soll also die Illustratorin der heiligen Schrift sein. Sie taucht ein in ganz unterschiedliche Epochen und Orte, etwa in die Kulturstadt Venedig zu Beginn des 17. Jahrhunderts oder in das aufgewühlte Sarajewo während des Zweiten Weltkriegs. Die Geschichten über Liebe, Heimat, Glaubenskriege und politische Intrigen regen Hanna schließlich dazu an, sich auch mit ihrer eigenen Vergangenheit und ihren Gefühlen auseinanderzusetzen.

„Die Hochzeitsgabe“ ist nicht nur ein sehr intelligentes und unterhaltsames Buch, sondern ebenso ein Plädoyer für religiöse Toleranz und interkulturellen Dialog.       Sophia E. Gerber

Geraldine Brooks: „Die Hochzeitsgabe“, Btb, München 2008, kartoniert, 446 Seiten, 19,95 Euro


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