23.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
31.01.09 / Bewegung ohne Masse / »Himmlers letztes Aufgebot« beleuchtet die NS-Organisation Werwolf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 31. Januar 2009

Bewegung ohne Masse
»Himmlers letztes Aufgebot« beleuchtet die NS-Organisation Werwolf

Die NS-Organisation Werwolf ist wohl vor allem deswegen heute noch vielen ein Begriff, weil nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) eine riesige Angst vor zumeist jugendlichen NS-Anhängern bestand, die Attentate begehen könnten. Unzählige junge Menschen landeten in den Gefängnissen der SBZ, da man ihnen unterstellte, ein Werwolf zu sein. Was genau ein Werwolf war, wußte kaum einer, doch gerade deshalb war die Furcht besonders groß.

Volker Koop, der mit seiner Reihe „Besetzt“ über die Lage in den vier Besatzungszonen in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg bekannt wurde, entlarvt nun in seinem neuesten Buch „Himmlers letztes Aufgebot – Die NS-Organisation ,Werwolf‘“ den Mythos der geheimen NS-Organisation.

Bei seinen Nachforschungen profitierte der Autor davon, daß ihm Dokumente zugänglich waren, die noch bis vor wenigen Jahren der Öffentlichkeit verschlossen waren. „Sie lassen Zweifel daran aufkommen, ob Aktionen, für die bisher der Werwolf verantwortlich gemacht wurde, wie der Mord an Aachens Oberbürgermeister Franz Oppenhoff und die sogenannte ,Prenzenberger Mordnacht‘ überhaupt dem Werwolf zuzuordnen sind.“ Hier war eher die SS federführend.

Spannend liest sich aber auch die Entstehung der Werwolf-Organisation, die gern mit dem Wehrwolf aus der Nachkriegszeit des Ersten Weltkrieges verwechselt wird.

Bei den Nürnberger Prozessen konnte nicht nachhaltig ermittelt werden, wer denn eigentlich in Sachen Werwolf die Fäden in der Hand hatte. Bormann sei an der Spitze gewesen, sagten mehrere aus, und Himmler wäre es gern gewesen, hätte sogar die Gründungsidee für sich in Anspruch genommen, sei aber bei der Umsetzung nicht beteiligt gewesen.

Volker Koop zeigt auf, daß sich die Nationalsozialisten bei der Umsetzung der Werwolf-Idee keineswegs mit Ruhm bekleckert haben. Zu viele Unklarheiten darüber, wer was wann zu entscheiden hat, führten dazu, daß die Werwölfe nie die angestrebte straff organisierte Untergrundorganisation wurden, die in bereits besetzten Gebiete Attentate verüben sollte.

„Hier spricht der Sender Werwolf, der Sender der deutschen Freiheitsbewegung in den vom Feind besetzten Gebieten. Wir sind die Stimme der deutschen Freiheitskämpfer. Wir senden jeden Abend ab 19 Uhr wichtige Nachrichten vom deutschen Freiheitskampf auf der Welle 1339 Meter, 224 Kilohertz. Wir brachten Meldungen vom Kampf unserer Werwölfe. Neue Meldungen im weiteren Verlauf unserer Sendung. Bis dahin Musik.“ Allerdings gab es, wie Volker Koop nachweist, keineswegs viele „Heldentaten“ zu vermelden, daher sah sich die NS-Propaganda genötigt, einige Attentate von Einzeltätern zur Werwolf-Aktion hochzustilisieren. Bis heute werden einige dieser Fälle noch in den Geschichtsbüchern als das geführt, als das die Nationalsozialisten sie zu verkaufen versuchten, doch der Autor belegt, daß diese Taten keineswegs in die Muster der Werwolf-Pläne paßten.

Einige individuelle Erlebnisse von Zeitzeugen beleben die sehr sachlich gehaltenen Ausführungen. Daß es noch wenige Wochen vor Kriegsende zweiwöchige Kurse zum „Freiheitskämpfer“ gab, in denen Jungs und Mädchen lernten, wie sich ein Untergrundkämpfer zu verhalten hat, verdeutlicht den Wahnsinn, der damals das Denken des NS-Regimes bestimmte.

Aber auch die Reaktionen der deutschen Kriegsgegner grenzen an Wahnsinn. „In der sowjetischen Besatzungszone reichte bloße Denunzation, um als Werwolf verhaftet zu werden. So war der Polizei in Chemnitz am 19. Juli 1945 mitgeteilt worden, die Tochter von Otto H. sei nach Hitlers Tod tagelang mit verweinten Augen herumgelaufen.“ Immerhin kamen in diesem Fall Vater und Tochter nach unangenehmen Vernehmungen wieder frei. Erinnert sei hier auch an Erika Riemann, die als 14jährige mit Lippenstift eine Schleife um den Bart eines Stalin-Porträts malte und dafür von 1945 bis 1954 wegen „antisowjetischer Aktivitäten“ und angeblicher Werwolf-Mitgliedschaft in verschiedenen sowjetischen Speziallagern inhaftiert war.

Die Massenverhaftungen in der SBZ stehen in keinem Verhältnis zu der wirklichen Zahl der Werwolf-Mitglieder. Der Werwolf wurde, wie Volker Koop darlegt, selbst in der NS-Propaganda nie zu der Massenbewegung, die das NS-Regime noch in den letzten Stunden seines Bestehens schaffen wollte.        Rebecca Bellano

Volker Koop: „Himmlers letztes Aufgebot – Die NS-Organisation ,Werwolf‘“, Böhlau, Köln 2008, geb., 305 Seiten, 24,90 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren