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31.01.09 / Hunger, Tod und keine Hoffnung / Wolfskind erinnert sich an den Überlebenskampf im zerstörten Ostpreußen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 31. Januar 2009

Hunger, Tod und keine Hoffnung
Wolfskind erinnert sich an den Überlebenskampf im zerstörten Ostpreußen

Was muß das für ein Gefühl sein, wenn man vor lauter Hunger genötigt ist, einen vor einer Haustür angebundenen Hund zu stehlen, um ihn zu schlachten, damit man den kleineren Geschwistern endlich etwas zu essen geben kann? Ursula Dorn hat es erlebt, doch auf ihre Gefühle geht die 1935 in Königsberg geborene Ostpreußin in ihrem Buch „Ich war ein Wolfskind aus Königsberg“ kaum ein. Nur selten schreibt sie über ihre Emotionen. In kurzen, knappen Sätzen, so als erzähle das Kind von früher und nicht die Seniorin, die sie heute ist.

Schon während des Krieges hatte Ursula Dorn nicht die beste Beziehung zu ihrer Mutter. Das jüngste der vier Geschwister, stammt nicht von dem im Zweiten Weltkrieg als Soldat kämpfenden Vater, sondern von einer Bekanntschaft der Mutter bei einem Tanzfest. Der Zorn des Kindes spricht aus den Zeilen, wenn die Autorin den Schmerz des Vaters schildert, als er nach fast zwei Jahren an der Front auf Heimaturlaub heimkehrt und dann das Kind eines Fremden vorfindet. Doch der „Stein des Anstoßes“ lebt nicht lange: Der kleine Junge ist das erste Kriegsopfer der Familie. Auch die Tatsache, daß sich die Mutter gegen die Flucht aus Ostpreußen entscheidet, trägt die Tochter ihr nach. Hunger, Krankheit, Obdachlosigkeit und Vergewaltigung von Mutter und Tanten sind die Folgen des Bleibens. Die Oma wird zu Tode vergewaltigt und verwesend in ihrem Gartenhäuschen gefunden. Ein Anblick, den Ursula Dorn nie vergessen wird, genauso wenig wie den ihrer hungernden jüngeren Geschwister. Als sogenanntes Wolfskind zieht die knapp Elfjährige alleine Richtung Litauen. Erst geht es ihr nur um ihr eigenes Überleben, doch nachdem eine litauische Familie sie aufgepäppelt hat, kehrt sie mit Nahrung heim zu ihren Geschwistern, die in einer Ruine leben.

Das Kind bietet den Heimgebliebenen an, mit nach Litauen zu kommen, wo es hilfsbereite Menschen gibt. Die Mutter fährt mit, läßt die kranken Kinder bei einer Bekannten zurück – auch das ist eine Entscheidung, die die Autorin ihrer Mutter nie verzeihen wird.

Wer sich für die Lektüre von „Ich war ein Wolfskind aus Königsberg“ entscheidet, muß sich auf viele Grausamkeiten gefaßt machen, die sachlich ohne literarische Verharmlosung dargestellt werden. Doch da es sich um einen authentischen Zeitzeugenbericht handelt, sollten geschichtlich Interessierte sich dieses Buch zu Gemüte führen, denn hier erfährt der Leser Details, die anderswo in dieser extremen Offenheit selten zu finden sind.          Bel

Ursula Dorn: „Ich war ein Wolfskind aus Königsberg“, edition riedenburg, Salzburg 2008, broschiert, 171 Seiten, 19,90 Euro


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