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07.02.09 / Abschied des eisernen Sanierers / Berlin bereitet sich auf den Rückzug Thilo Sarrazins vor – geht er zur Bundesbank?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 07. Februar 2009

Abschied des eisernen Sanierers
Berlin bereitet sich auf den Rückzug Thilo Sarrazins vor – geht er zur Bundesbank?

Er war der eiserne Sparsenator, gefiel sich als Provokateur und Überbringer böser Wahrheiten. Nun scheint es sicher: Thilo Sarrazin (SPD) verläßt den Berliner Senat.

Thilo Sarrazin war der wohl erfolgreichste Berliner Politiker der letzten Jahre. Kein Sozialdemokrat in Berlin kann auf so viel Rückendeckung aus dem Lager der Opposition bauen wie der Finanzsenator. Die CDU-nahe Unternehmensberaterin Gertrud Höhler schwärmte, Berlin könne „glück­lich“ sein: „Vom Kaliber Sarrazins gibt es nicht viele.“

Jetzt geht er wohl von Bord. Die Spatzen pfeifen es in Berlin von den Dächern: Gerüchten zufolge weht ihm ein stolzes Amt zu. Zum 1. Mai soll Sarrazin in den Vorstand der Bundesbank wechseln, wird an der Spree getuschelt. Es wäre die Krönung seiner Karriere, der letzte große Sprung nach oben. In einer Woche (am 12. Februar) wird Sarrazin 64 Jahre alt. Höher hinaus könnte er kaum noch kommen.

Thilo Sarrazin hat die Neuverschuldung der Stadt trotz verheerender Rahmenbedingungen abgebaut und am Ende sogar angefangen, Altschulden zu tilgen. Eine gigantische Leistung räumen selbst politische Gegner ein. Doch: Ein Finanzsenator ist immer nur so stark wie der Regierungschef, der hinter ihm steht. Entweder er hat die Rückendeckung des Regierenden Bürgermeisters – oder nicht. Dieses Prinzip gilt für alle Kassenwarte der Republik, bis hinauf zu Peer Steinbrück, der sofort zurücktreten müßte, wenn Angela Merkel ihn fallen ließe.

Berlins Regierungschef Klaus Wowereit und Sarrazin waren ein gutes Duo. Wowereit hat sich immer schützend vor ihn gestellt, wenn die SPD-Basis oder die Linkspartei Sarrazins provokante Äußerungen kritisierten. Und von denen gab es viele: Mal rechnete er öffentlich vor, wie gut es sich von Hartz IV leben ließe. Mal ließ er durchblicken, ein bißchen Schwarzarbeit gehe schon in Ordnung – und sei jedenfalls besser, als den ganzen Tag auf der Couch zu sitzen.

Das waren Provokationen – zumindest wurden sie von den Linken in der Stadt so gesehen. Und auch die betroffenen Hartz-IV-Empfänger werden auch nicht immer geschmunzelt haben, wenn Sarrazin ans Mikro trat.

Doch mit seiner harten Haltung gegen mutmaßlichen Sozialmißbrauch hatte er in der SPD-Basis auch viele Freunde, denn auch in den Reihen der Sozialdemokraten gibt es viel Unmut über Faulenzer und Tunichtgute – nicht nur bei Union und FDP. Kurt Beck hat einmal öffentlichkeitswirksam einem Punker erklärt, er solle sich waschen und rasieren, dann bekäme er auch eine Stelle. Und Klaus Wowereit selbst ließ die Berliner im Interview wissen, daß er seine Kinder (wenn er welche hätte) nie und nimmer auf eine Kreuzberger Schule schicken würde. Das sind typische Sätze, die an die sozialdemokratische Basis gerichtet sind. Sie sollen die Botschaft übermitteln: Wir haben verstanden. Ihr steht bei uns an erster Stelle, die anderen sollen sich hinten anstellen.

Neben solchen allgemeinen Aussagen placierte Sarrazin aber auch immer wieder politische Losungen, die an die Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft gerichtet waren. Er sagte dabei Dinge wie „Berlins finanzielle Lage gleicht der von 1947, als die Trümmer gerade weggeräumt waren“ oder „Berlins Staatshaushalt ist weniger solide als der Argentiniens“. Diese letzten Aussagen waren indes keine reine Provokationen. Sie sollten dazu dienen, den Verantwortlichen die Gefahren vor Augen zu führen. Sarrazin malte den 60-Milliarden-Euro-Schuldenberg in seiner ganzen erdrückenden Gewalt an die Wand, damit ein Umdenken einsetze. Es hat gewirkt. Wowereit und Sarrazin ergänzten sich hier. Auch der Regierende Bürgermeister sagte einige einprägende Dinge über den Zustand der Stadt. „Wir müssen sparen, bis es quietscht“, lautete der eine. Die Stadt sei „arm, aber sexy“, der hoffnungspendende andere. Mit großer Wahrscheinlichkeit haben Sarrazin und Wowereit sich in ihrer Wortwahl abgesprochen.

Ob das mit Sarrazins Nachfolger auch so problemlos klappen wird? Wie es aussieht, nutzt Wowereit den sich abzeichnenden Rückzug Sarrazins für ein Kabinettsrevirement: Linkspartei-Senator Harald Wolf (Arbeit, Wirtschaft) soll dem Vernehmen nach Sarrazins Posten übernehmen. An Wolfs Stelle rückt demnach Michael Müller, der Landes- und Fraktionsvorsitzende der SPD, der seit einiger Zeit vor Ehrgeiz übersprudelt und endlich ein Amt haben möchte.

Der westdeutsche Altlinke Harald Wolf ist längst der führende Mann bei der Berliner Linkspartei. Vor einem Jahr rief er aus Moskau an, um Gregor Gysi (!) auf Linie zu bringen, als der in letzter Sekunde die Senats-Linie in Sachen Flughafen Tempelhof zu untergraben drohte. Diesmal schnauzte er von Dubai aus Klaus Wowereit am Telefon an: „Beim Konjunkturpaket der Bundesregierung machen wir nicht mit.“ Wowereit gab sofort nach.

Der Wechsel Wolfs ins Finanzressort ist für beide Seiten ein Vabanquespiel. Wolf wird mächtiger, denn er kann als Herr des Geldes in jedes Ressort im Senat hineinregieren. Aber er wird auch abhängiger von Wowereit.

Der Regierende Bürgermeister ris-kiert, daß seine Partei an Einfluß verliert und daß der Sparkurs zu Ende ist. Da inzwischen aber sowieso auf allen Ebenen in Deutschland wieder mehr Schulden gemacht werden, könnte ihm das egal sein.

Für Berlin ist es tragisch: Das Erbe des eisernen Sparers Sarrazins wird schnell durchgebracht sein.

Markus Schleusener

Foto: Bloß weg, bevor das Schuldenmachen wieder losgeht: Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) bei seiner Vereidigung


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