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07.02.09 / Machtkalkül obsiegt über Argumente / Das Umweltgesetzbuch ist gescheitert – Seehofer und Gabriel handeln gegen deutsches Gesamtinteresse

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 07. Februar 2009

Machtkalkül obsiegt über Argumente
Das Umweltgesetzbuch ist gescheitert – Seehofer und Gabriel handeln gegen deutsches Gesamtinteresse

Fast 20 Jahre wurde an einem bundesweit gültigen Gesetzbuch gearbeitet. Doch kurz vor seiner Vollendung wurde es zum Spielball zweier verfeindeter Politiker.

Mit großem Pressewirbel erklärte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel am 1. Februar das Umweltgesetzbuch (UGB) für gescheitert. „Dumpfer Reformunwille und blinde Blockadepolitik“ der CSU hätten die angestrebte Vereinfachung des Umweltrechtes zu Fall gebracht. CSU-Chef Horst Seehofer kommentierte die laute Unmutsbekundung des Ministers, daß nicht nur das Umweltgesetzbuch, sondern Gabriel selbst gescheitert sei.

Angesichts derart starker, offenbar seit längerem aufgestauter Emotionen und offener Feindschaft fragte sich so mancher Bundesbürger, was es mit diesem Umweltgesetzbuch eigentlich auf sich habe. Nur wenige hatten mitbekommen, daß ein schon fast zwei Jahrzehnte andauerndes Projekt seit etwa einem halben Jahr kurz vor seiner Vollendung stand. Doch diese wurde hartnäckig von der CSU bekämpft und nun vollständig verhindert.

„Das historisch gewachsene, zwischen verschiedenen Fachgebieten sowie Bund und Ländern stark zersplitterte Umweltrecht, entspricht nicht den Anforderungen an eine integrierte Umweltpolitik. Das deutsche Umweltrecht soll vereinfacht und in einem Umweltgesetzbuch zusammengefaßt werden. Die verschiedenen Genehmigungsverfahren sind im Rahmen eines Umweltgesetzbuches durch eine integrierte Vorhabengenehmigung zu ersetzen“, hieß es 2005 im Koalitionsvertrag. Und nicht nur Ökologen, sondern auch Ökonomen waren angetan von dem Projekt, das für die Unternehmen bedeutete, daß sie nur noch einen Antrag bei einer Behörde stellen mußten, um alle Genehmigungsverfahren in Gang zu setzen.

Doch ein bundesweit einheitliches Gesetzbuch beschränkt die Länder, die bisher zahlreiche Bestimmungen in Sachen Lärm-, Gewässer- und Naturschutz selbst vorgeben konnten. Auch beäugten Wirtschafts- wie Umweltverbände kritisch die Arbeit zum UGB, denn jede Seite befürchtete, daß im Rahmen der Zusammenfassung der Regelungen vielleicht die eine oder andere verändert, sprich verschärft oder gelockert werden würde. So gab es viel Diskussionsbedarf, doch auch diese Hürde nahmen die Mitarbeiter im Umweltministerium, so daß das Gesetz bereits Ende 2008 bereit war, um im Koalitionsausschuß beraten und im Bundestag und Bundesrat nach erneuter Überarbeitung zur Abstimmung vorgelegt zu werden. Doch das Gesetz mißfiel der CSU. Sie gab an, daß das UGB eine „Monsterbürokratie“ schüfe. So würden allein in Bayern künftig 10000 Anlagen genehmigungspflichtig, zehnmal so viele wie bisher. Außerdem müßten 77000 Kilometer Ufer neu ausgewiesen werden. Daher forderte Horst Seehofer im letzten Gespräch mit Sigmar Gabriel, daß Bayern aus diesem ansonsten bundesweit geltenden Regelwerk ausgenommen werden sollte. Da platzte dem Umweltminister, der bereits auf Drängen der vom UGB überzeugten Kanzlerin zahlreiche Kompromisse zugunsten der CSU eingegangen war, der Kragen. Alte Feindschaft wurde offenbar. So sind die Bayern sauer auf Gabriel, weil er den Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Kernenergie immer damit abtue, daß es kein Endlager gebe. Wenn die CSU Kernkraft befürworte, solle sie gefälligst ein Endlager im Freistaat ausweisen, so Gabriel. Dieser kann grundsätzlich nicht mit den Bajuwaren, die ihre eigene Umweltpolitik machen wollen: Gibt es bis Ende 2009 keine bundesweite Regelung per Gesetz, können die Länder ab 2010 von den Vorgaben des Bundes abweichen. Gabriel will allerdings einen Teil des UGB ausgliedern, so daß Elemente davon ab 2010 gelten.

Merkel hat bisher gegen ihre Überzeugungen die streitenden Parteien nicht zur Ordnung gerufen. Womöglich, weil ein Ordnungsruf den Streit eskalieren ließe. Auch erkennt sie den von der CSU geschaffenen Vorteil, denn das UGB steht jetzt als Manövriermasse für nach der Wahl zur Verfügung. Allerdings sorgt Merkels fehlendes Machtwort in der CDU für Unmut. Und auch Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) ist nicht erfreut. Gerade vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise sei es geboten, den mit dem UGB verbundenen Entlastungseffekt für die Unternehmen durchzusetzen.               Rebecca Bellano

 

Eine lange Entstehungsgeschichte

Bereits 1990 empfahlen Experten in einem Entwurf für ein Umweltgesetzbuch (UGB) das zerklüftete Umweltrecht mit seinen über 10000 Gesetzen zu vereinheitlichen und in einem Buch zusammenzufassen. Außerdem sollen die Genehmigungsverfahren beispielsweise für Industrieanlagen deutlich vereinfacht werden. 1997 setzte Angela Merkel (CDU), damals Umweltministerin, eine „unabhängige Sachverständigenkommission zum UGB“ ein. Während der Schröder-Regierung arbeitete Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) die zur Zeit seiner Vorgängerin geschaffenen Grundlagen zu einem Gesetzesentwurf aus. Doch der Entwurf scheiterte an verfassungsrechtlichen Hindernissen. 2005 wagte die Große Koalition mit Merkel als Kanzlerin einen erneuten Versuch. In nur einem Antrag bei einer Behörde sollten alle Genehmigungsverfahren zum Immissions- und Wasserschutz zusammengefaßt werden.         Bel


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