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07.02.09 / Russki-Deutsch (3): dawaj

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 07. Februar 2009

Russki-Deutsch (3):
dawaj
von Wolf Oschlies

Alle Deutschen liebten Michail Gorbatschow, auch und gerade die aus der DDR. Nur einmal waren sie sauer auf „Gorbi“, als er nämlich den Namen ihres Landes mit „Dawaj, Dawaj Rabotatj“ (los, los arbeiten) dechiffrierte. Dabei hatte er sich nur des „Trassen-Jargons“ bedient, der Sprachkonvention Tausender junger DDR-Deutscher, die ab 1974 an der „Drushba-Trasse“ arbeiteten, also an der „Erdgasleitung Orenburg – Westgrenze UdSSR“.

„Dawaj“ ist der Imperativ singularis des Verbs „dawatj“ (geben) und wird im Russischen in der Bedeutung von „los, schnell, vorwärts“ gebraucht. Das Wort gehört zum barschen Vokabular russischer Soldaten, weswegen in der Tschechoslowakei 1968 die Maschinenpistolen der sowjetischen Besatzer als „Dawaj-Gitarre“ verhöhnt wurden.

Im Polnischen gibt es „dawaj“ auch, und weil Polnisch alle Wörter auf der vorletzten Silbe betont, wird mit „dáwaj“ zu gemeinsamer Kraftanstrengung aufgefordert, etwa wie „hau ruck“ im Deutschen. Die Russen betonen auf der letzten Silbe und verstärken die Aufforderung durch Verdoppelung zu „dawaj, dawaj“. Oder sie fügen gleich das Handlungsziel bei: „Dawaj pokurim“ – (Los, laß uns eine rauchen).

Man schaue sich deutsche Erinnerungen an Vertreibung, Kriegsgefangenschaft und erste Nachkriegszeit an und wird das „dawaj“ hundertfach finden. Aber böse Assoziationen verschwinden langsam, seit russischen Touristen, Kaufleute, Studenten und andere in Massen zu uns strömen, ganz zu schweigen von Spätaussiedlern, mit denen alle russische Ausdrücke, die alle Deutschen kennen, wiederbelebt werden.

Inzwischen ist „dawaj“ bei uns höchst frequent – bei vielen Bands, Pop-Gruppen, DVD-Serien mit russischen Liedern –, daß der Name fast schon langweilig wird. Einfallsreicher sind da Sprachschulen mit dem „Dawaj“ im Wappen. Etwa „Dawaj – Spielend russisch lernen“ in Berlin, die Sprachunterricht mit Schauspielgestaltung verbindet. Oder ein neues Austauschprogramm für Jungakademiker „Dawaj – Studieren an Rußlands Kaderschmieden“. Mir gefiel am besten der Schlachtruf „Rossija, dawaj“, den russische Fußballfans während der EM 2008 intonierten, in den auch deutsche Fans einstimmten.


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