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07.02.09 / Plötzlich wird Ankara massiv kritisiert / Spannungen zwischen Israel und der Türkei – Der Eklat von Davos

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 07. Februar 2009

Plötzlich wird Ankara massiv kritisiert
Spannungen zwischen Israel und der Türkei – Der Eklat von Davos

Daß die Beziehungen Israels mit der Türkei, dem zweitwichtigsten militärischen Verbündeten, in den letzten Jahren Belastungen ausgesetzt waren, wurde bisher nie an die große Glocke gehängt. Doch ein Eklat beim Weltwirtschaftsforum vorige Woche in Davos hat nun auch der Weltöffentlichkeit die Krise und die nicht zuletzt durch den Gaza-Krieg angeheizte antiisraelische und antiwestliche Stimmung vieler Türken vor Augen geführt.

Bei einer Podiumsdiskussion mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, dem Generalsekretär der Arabischen Liga Amr Mussa und dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan hatte der israelische Präsident Schimon Peres in einem langen Monolog die Kritik an Israel zurückzuweisen versucht. Als Erdogan daraufhin nochmals das Wort verlangte, erklärte Diskussionsleiter David Ignatius von der „Washington Post“ die Sitzung für beendet – weil schon das Abendessen warte.

In der folgenden Kontroverse verließ Erdogan den Saal und reiste ab. In Istanbul wurde er von tausenden Anhängern bejubelt, die neben türkischen und palästinensischen Fahnen auch Transparente mit „Davos Fatih“ – „Eroberer von Davos“ – schwenkten. Als „Fatih“ war Erdogan schon Ende 2004 bei seiner Heimkehr aus Brüssel begrüßt worden, nachdem die Gegner von EU-Beitrittsverhandlungen kapituliert hatten.

Pflichtgemäß ergehen sich westliche Medien jetzt in Kritik am türkischen „Antisemitismus“ und an „Haßausbrüchen“ Erdogans. Man fragt, ob die Türkei überhaupt noch ein Verbündeter sei, und zählt ein ganzes Sündenregister auf: So habe Erdogan doch gleich nach dem Wahlsieg der Hamas Anfang 2006 eine große Hamas-Delegation empfangen – und im Juli 2008 sogar den von Den Haag als Kriegsverbrecher gesuchten sudanesischen Präsidenten Omar Al-Bashir.

Der iranische Präsident Mahmud Ahamedinedschad durfte während des Staatsbesuchs im August mit tausenden Gläubigen in der Istanbuler Blauen Moschee beten – während Staatsgästen sonst nur eine bescheidenere Moschee zusteht. Ein Abkommen zur Erschließung iranischer Gasfelder wurde unterzeichnet. Und im November erklärte Erdogan in Wa-shington, daß Länder, die gegen das iranische Atom-Programm seien, selber keine Atomwaffen haben sollten. Mit „Sorge“ wird desweiteren vermerkt, daß Rußland seit dem Amtsantritt Erdogans 2002 vom siebentwichtigsten zum wichtigsten Handelspartner der Türkei aufstieg – zwei Drittel des Erdgasbedarfs wird aus russischen Quellen gedeckt.

Vorwürfe, Erdogan habe den Eklat in Davos wegen der türkischen Regionalwahlen Ende März vorsätzlich ausgelöst, gehen eher daneben. Denn Erdogan gilt tatsächlich als emotional, und er hatte den Gaza-Krieg schon daheim als Verbrechen gegen die Menschheit bezeichnet. Sein Unmut ist deshalb so groß, weil er sich von Olmert hintergangen sieht, der vier Tage vor dem Angriff bei ihm zu Gast gewesen war – die jahrelange türkische Vermittlungsarbeit zwischen Israel und Syrien ist nun diskreditiert. Hintergangen wurde Erdogan aber auch schon beim israelischen Angriff auf eine angebliche syrische Atom-Anlage im September 2007: Für die Operation war der türkische Luftraum mißbraucht worden – ohne Wissen des Premiers, doch mit Einverständnis der türkischen Militärführung.

Der Eklat von Davos ist in letzter Konsequenz nur ein Symptom des Machtkampfs in der Türkei. Denn, vereinfacht ausgedrückt, stehen Erdogan und seine Regierungspartei AKP für schleichende Re-Islamisierung und für Nähe zu den islamischen Staaten – ganz im Sinn der übernationalen „Umma“, der Gemeinschaft der Gläubigen. Hingegen stehen die europäisch „aufgeklärten“, meist proisraelischen Kemalisten mit ihrem Rückhalt in Militär und Verwaltung, oft „tiefer Staat“ genannt, für radikalen, minderheitenfeindlichen Nationalismus – und sie warten nur auf einen Anlaß für einen Militärputsch. Mit den vielbemühten „europäischen Werten“ waren übrigens beide Positionen schon immer absolut unvereinbar. Richard G. Kerschhofer


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