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07.02.09 / Furcht vor »gewalttätigem Gebräu« / Nicht ob, sondern wann: Wirtschaftskrise entlädt sich in politischen Unruhen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 07. Februar 2009

Furcht vor »gewalttätigem Gebräu«
Nicht ob, sondern wann: Wirtschaftskrise entlädt sich in politischen Unruhen

Noch halten sich die politischen Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise in Grenzen. Allein in Island ist eine Regierung über die ökonomischen Verwerfungen gestolpert. Bis zu den Wahlen im Mai führt ein Übergangskabinett die im Schuldenmeer versunkene Insel.

Der Blick auf die Geschichte zeigt indes, daß es nur eine Frage der Zeit ist, wann sich wirtschaftliche Einbrüche in sozialen und politischen Unruhen entladen. In der jüngsten Streikwelle sieht der französische Präsidentenberater Henri Guaino nur den Anfang. Auf Deutschlands wichtigsten Handelspartner rolle eine „Revolte der breiten Massen“ zu. Ende Januar waren schätzungsweise eine Million Franzosen in den Ausstand getreten, um gegen die Politik von Präsident Nicolas Sarkozy zu protestieren.

Bunt wie die Schar der Protestierer waren auch die Ziele, für die sie auf die Straße gingen. Von der Schul- und Gesundheitspolitik bis zum sozialen Wohnungsbau ging die Palette der Themen. Nach einer Umfrage der Zeitung „Le Figaro“ wußten 70 Prozent der Franzosen nicht, wofür oder wogegen eigentlich gestreikt wurde.

Der Chef der gemäßigten Gewerkschaft CFDT, Francois Chérèque, sieht aber genau darin die Gefahr. Extremistische Bewegungen könnten wie 1929 den von diffusen Ängsten getriebenen Volkszorn für ihre Zwecke ausbeuten. Die linksradikale Gewerkschaft SUD tönt denn auch bereits vom „Klassenkampf“. Laut Chérèque könnte sich der soziale Unmut zudem mit der latenten Krise in den Einwanderervierteln vermengen, was ein „gefährliches, gewalttätiges Gebräu“ ergäbe.

In Italien ist es ebenfalls zu den ersten Massenkundgebungen gekommen, in Griechenland legten Bauern tagelang über 20 Verkehrsknotenpunkte lahm, während die Innenstädte seit dem Herbst von immer neuen Gewaltausbrüchen erschüttert werden. In dem Mittelmeerland, das als praktisch pleite gilt, tut sich ein brisanter Zwiespalt auf. Während die einen für den Erhalt großzügiger sozialer Privilegien kämpfen, sind es gerade diese Vorrechte der Älteren, die den zornigen Jungen den Start ins Leben verbauen. Welcher Seite die Regierung auch entgegenkommt, sie wird mit der Wut der anderen rechnen müssen.

Die Bauernproteste für höhere Agrarpreise waren vermutlich nur ein Vorgeschmack. Wie in Frankreich ist nicht auszuschließen, daß sich Protestbewegungen ganz unterschiedlicher, ja sogar gegensätzlicher Zielsetzungen schließlich zu einer einzigen Lawine vereinen – der ideale Moment für extremistische Allesversprecher, sich an die Spitze zu setzen.

Von der europäischen Öffentlichkeit kaum registriert, kam es in Großbritannien zu einer Eruption an einem sehr sensiblen Punkt der europäischen Integration. Im englischen Lindsey marschierten mehrere hundert Arbeiter für die Gewerkschaftsforderung „Britische Jobs für britische Arbeiter“. Die Parole zielt auf italienische und portugiesische Angestellte der dortigen Raffinerie. Nach EU-Recht dürfen EU-Bürger überall in der Union arbeiten.

Nachdem die Regierungen Frankreichs und Spaniens bereits zur Bevorzugung einheimischer Produkte aufgerufen haben, könnte Lindsey zum Fanal für einen nationalen Protektionismus von unten werden. Neben der befürchteten Bedrohung für den Euro durch die Gefahr von Staatsbankrotten käme so auf die Europäische Union eine weitere, womöglich weitaus brisantere Zerreißprobe zu.                   H.H.


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