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07.02.09 / Das halbe Glaubensbekenntnis gestrichen / Friedrich Schleiermacher öffnete den Protestantismus weit für die Lehren der Aufklärung – Beginn einer Irrfahrt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 07. Februar 2009

Das halbe Glaubensbekenntnis gestrichen
Friedrich Schleiermacher öffnete den Protestantismus weit für die Lehren der Aufklärung – Beginn einer Irrfahrt

Als Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher vor 175 Jahren in Berlin zu Grabe getragen wurde, waren schätzungsweise 25000 Menschen zugegen, berichten Chronisten. An diesem 12. Februar 1834 fand eine Art Staatsbegräbnis für eine der bekanntesten Personen der damaligen Welt statt. Als Professor der Theologie, Prediger, Pädagoge und Philosoph hat er vielfältig gewirkt.

Seine Bücher und liberalen theologischen Ansichten lösen bis heute entweder energische Ablehnung oder hohe Verehrung aus. Seine romantisierende Definition der Religion als „Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit von Gott“ hat die evangelische Kirche nachhaltig geprägt, weswegen Schleiermacher als „Kirchenvater des 19. Jahrhunderts“ bezeichnet wird.

Schleiermacher kommt 1768 in Breslau zur Welt. Sein pietistischer Vater, ein reformierter preußischer Feldprediger, läßt den Sohn auf den Schulen der „Herrnhuter Brüdergemeine“ des Grafen Zinzendorf erziehen. Deren fromme Glaubenspraxis empfindet der junge Schleiermacher aber bald als zu eng. Er beginnt ab 1787 in Halle Studien in Theologie und später in Philosophie. Drei Jahre lang (1790–1793) arbeitet er in Schlobitten (Ostpreußen) als Hauslehrer beim Grafen Dohna und wechselt dann ab 1794 nach Berlin, wo er als Hochschullehrer und Prediger wirkt. Dort lernt Schleiermacher den Kreis der Romantiker um Friedrich Schlegel und Henriette Herz kennen. 1799 erscheinen schließlich seine „Reden über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern.“ Ein Werk, das ihn berühmt machte.

Gerade einmal zehn Jahre liegt zu diesem Zeitpunkt die Französische Revolution zurück. Hunderttausende Menschen müssen vor dem Wüten der atheistischen Revolutionäre fliehen, um ihr Leben zu retten. Tief verunsichert erleben Kirche und Theologie in ganz Europa eine existenzielle Krise. Daher versucht Schleiermacher den „Verächtern der Religion“ den christlichen Glauben verständlich zu machen und schreibt: „Ich fordere also, daß Ihr von allem sonst zur Religion gerechneten absehend Euer Augenmerk nur auf die inneren Erregungen und Stimmungen richtet, auf welche alle Äußerungen und Taten gottbegeisterter Menschen hindeuten.“

Das Problematische an diesem Ansatz ist, daß er das Subjektive und Gefühlsmäßige derartig betont, daß die Auferstehung, Himmelfahrt und Wiederkunft Jesu schließlich entbehrlich werden. Mit anderen Worten: Schleiermacher streicht kurzerhand die Hälfte des Apostolischen Glaubensbekenntnisses. Im guten Glauben, die christliche Lehre an den aufklärerischen Zeitgeist anpassen zu sollen, beginnt mit Schleiermachers Subjektivismus eine Irrfahrt der evangelischen Theologie. Der „Kirchenvater“ unterhöhlt systematisch das lutherische Prinzip, nach der man die Bibel als Wort Gottes „stahn lassen soll“. Wozu das führt konnte man dann im Jahr 1914 beobachten, als liberale Theologen um den Berliner Kirchenhistoriker Adolf von Harnack begeistert in den Kriegsaufruf von Intellektuellen einstimmen, der in der Katastrophe des Ersten Weltkrieges endet.

So bleibt von Schleiermacher ein zwiespältiges Bild zurück. Er gilt als hervorragender Prediger, hochgebildeter Philosoph und Übersetzer von Platons Büchern. Er befaßte sich mit ethischen, ästhetischen und pädagogischen Fragen und schrieb bedeutende philosophische Werke. Mit der unkritischen Anpassung an den Zeitgeist und die aktuellen politischen Strömungen sind Friedrich Schleiermacher und die evangelische Kirche allerdings weniger gut gefahren.          Hinrich E. Bues


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