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07.02.09 / »Der Kommandeur ist da, wo seine Männer sind« / General Karl Mauss war einer der höchstdekorierten Soldaten des Zweiten Weltkriegs – Vielen Ostpreußen die Flucht ermöglicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 07. Februar 2009

»Der Kommandeur ist da, wo seine Männer sind«
General Karl Mauss war einer der höchstdekorierten Soldaten des Zweiten Weltkriegs – Vielen Ostpreußen die Flucht ermöglicht

Wenn er an der Front auftauchte, schickte die Rote Armee eine Warnung über den Äther: „Achtung, Mauss ist wieder da. Äußerste Vorsicht geboten.“ Vor 50 Jahren, am 9. Februar 1959, starb General a. D. Dr. Karl Mauss, einer der höchstdekorierten deutschen Soldaten des Zweiten Weltkrieges.

Bei Kriegsausbruch 1914 meldete sich der am 17. Mai 1898 geborene Unterprimaner in seiner Heimatstadt Lübeck freiwillig zur Infanterie. Da er das Mindestalter von 17 Jahren noch nicht erreicht hatte, bedurfte es der Intervention eines Lübecker Senators, bis ihm der Eintritt ins Heer ermöglicht wurde. Trotz seiner Jugend erwies sich Mauss als glänzender und tapferer Soldat. Bereits im folgenden Jahr erhielt er als jüngster Soldat der Division das Eiserne Kreuz II. Klasse. Wegen wiederholter Tapferkeit vor dem Feinde wurde er 1916 im Alter von 17 Jahren zum Leutnant befördert. Nach der Verlegung seiner Division an die Ostfront erhielt der jüngste Offizier der gesamten Armee das Eiserne Kreuz I. Klasse verliehen. An der italienischen Front bewährte er sich aufs neue. So nahm er mit seiner Kompanie einige tausend Italiener gefangen. An die Ostfront zurückgekehrt, wurde er auf eigenen Wunsch zur Fliegertruppe versetzt und während der Pilotenausbildung bei einem unverschuldeten Absturz schwer verletzt.

Nach der Novemberrevolution 1918 schloß er sich der Marinebrigade Erhardt an, die gegen Spartakisten und polnische Aufständische kämpfte. Dabei zeichnete er sich in Oberschlesien im Kampf um den Annaberg erneut besonders aus und wurde 1921 zum Oberleutnant befördert. Kurz darauf schied er aus dem Militärdienst aus.

Nach einem Intermezzo als Verlags- und Handelsvertreter nahm er 1925 das Studium der Zahnmedizin auf, das er 1929 mit der Promotion abschloß. Fortan arbeitete er in Lübeck als Zahnarzt, ohne jedoch die rechte Erfüllung in diesem Beruf zu finden. Im Jahre 1934 ließ er sich daher als Hauptmann reaktivieren und trat in das Infanterieregiment 69 in Wandsbek ein.

Nach Kriegsbeginn 1939 nahm der im Jahr zuvor beförderte Major am Polenfeldzug teil, wo er sich bei den Kämpfen um Brest-Litowsk bewährte. Anschließend wurde er als Bataillonskommandeur zur 10. Panzerdivision versetzt, mit der er im Mai 1940 am Westfeldzug teilnahm. Sein Bataillon drang als erster deutscher Truppenteil in Calais ein.

Zu Beginn des Rußlandfeldzuges kämpfte Mauss als Oberstleutnant und Kommandeur einer Vorausabteilung der Panzergruppe Guderian im Mittelabschnitt. Im Oktober drang er über Wjasma auf Moskau vor, doch brachte der Wintereinbruch den Angriff 18 Kilometer vor dem Ziel zum Erliegen. Für die verlustreiche Verteidigung des Brückenkopfes an der Ugra erhielt er im November 1941 das Ritterkreuz. Nach der Versetzung zur 4. Panzerdivision wurde er Oberst und Kommandeur eines Panzergrenadierregiments, mit dem er an den Abwehrkämpfen um Orel teilnahm. Dabei wurde er schwer verwundet. Von seinen Soldaten wurde der hervorragende und persönlich tapfere Truppenführer verehrt, von seinen Vorgesetzten wegen seiner ausgereiften und überlegten Entschlüsse und seines entschlossenen Handelns geschätzt. Bei der Schlacht um den Kessel von Kursk vertrat er den verwundeten Divisionskommandeur und führte die Truppe bei nur geringen Verlusten aus der Einschließung heraus, wofür er im November 1943 das Eichenlaub zum Ritterkreuz bekam. Zusätzlich war ihm August 1943 die bei der Truppe hoch angesehene Nahkampfspange verliehen worden – eigentlich eher ein Orden für Frontsoldaten als für Kommandeure.

Anfang 1944 erhielt er bei gleichzeitiger Beförderung zum Generalmajor das Kommando über die 7. Panzerdivision, Rommels legendäre „Gespensterdivision“. Herausragende Führungsfähigkeit bewies er, als er seine Kräfte aus der Einschließung in den Karpaten führte und den Anschluß zu den eigenen Linien herstellte. Auch wenn er es als General längst nicht mehr nötig hatte und damit Anstoß bei seinen Vorgesetzten erregte, war er immer in der vordersten Linie bei seinen Soldaten zu finden, deren Entbehrungen er teilte. Seine Devise: „Der Kommandeur ist da, wo seine Männer sind. Panzer müssen von vorn geführt werden. Wenn ich die Lage nur von der Karte kenne, verliere ich die Übersicht.“

Im Oktober 1944 hatte Mauss’ Division großen Anteil daran, daß der weit überlegene Gegner bei Raseinen zurückgeworfen und so der sowjetische Großangriff gegen die Heeresgruppe Mitte an der ostpreußischen Grenze noch einmal gestoppt werden konnte. Für diese Führungsleistung wurde Mauss zum Generalleutnant befördert und mit den Schwertern zum Ritterkreuz ausgezeichnet. Anschließend wurde er zur Berichterstattung ins Führerhauptquartier befohlen. Obwohl ihm Hitlers Paladine befohlen hatten, nur ein geschöntes Bild der Lage zu geben, nahm er in seinem Vortrag kein Blatt vor den Mund. Als Hitler dem deutschen Soldaten Feigheit und mangelnde Moral vorwarf, protestierte Mauss energisch. Seine Offenheit muß Eindruck gemacht haben, denn kurz darauf erhielt er Ersatz und neue Panzer, mit denen er sich den an der Memel angreifenden Sowjets entgegenstellte.

Nach Beginn der sowjetischen Großoffensive am 12. Januar 1945 kämpfte Mauss hinhaltend, überschritt die zugefrorene Weichsel, brach bei Marienburg und Elbing nach Preußisch-Holland durch und versuchte, die 4. Armee durch einen Gegenangriff zu entlasten. Dazu wurden ihm drei weitere Divisionen unterstellt, mit denen er in Gdingen (damals Gotenhafen) eingeschlossen wurde. Bei einem Erkundungsvorstoß, den er wie immer ganz vorn mitmachte, wurde er so schwer verwundet, daß ihm das linke Bein amputiert werden mußte. Nur notdürftig verbunden, führte er seine Truppen liegend von einer Tragbahre aus, bis er nach vier Tagen mit einem Flüchtlingstransporter von Hela nach Kopenhagen gebracht werden konnte. Von hier aus setzte er den Abtransport seiner Division aus dem Kessel nach Mecklenburg durch und bewahrte sie so vor der sowjetischen Gefangenschaft. Rückwirkend zum 1. April 1945 wurde Mauss zum General der Panzertruppen befördert und mit den Brillanten zum Ritterkreuz ausgezeichnet, die insgesamt nur 27mal verliehen wurden.

Nach der Kapitulation nahmen die Engländer ihn mit allen Ehren gefangen und brachten ihn nach Munsterlager. Hier änderte sich die Behandlung, und der schwerkriegsbeschädigte General mußte viele Demütigungen über sich ergehen lassen. Sein Gesuch, zur Beerdigung seiner verstorbenen Frau nach Lübeck fahren zu dürfen, wurde vor seinen Augen demonstrativ zerrissen.

Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft 1947 baute sich Mauss eine neue Existenz auf. Er eröffnete in Hamburg eine Zahnarztpraxis und heiratete erneut. Sein Wunsch, in die neuaufgestellte Bundeswehr aufgenommen zu werden, wurde aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt – eine Zurückweisung, die der in zwei Weltkriegen bewährte, untadelige Frontoffizier nie verwunden hat.

Am 9. Februar 1959 erlag General a. D. Dr. Karl Mauss nach langer schwerer Krankheit einem Herzinfarkt. Mit ihm ging einer der tapfersten, ritterlichsten und höchstdekorierten Truppenführer der Wehrmacht. Seiner ausgeprägten Bescheidenheit ist es wohl zuzuschreiben, daß er der Öffentlichkeit gleichwohl mehr oder minder unbekannt geblieben ist.   Jan Heitmann

Foto: Raum Danzig, Winter 1945: Karl Mauss war führend am Abwehrkampf um Ostpreußen beteiligt und verlor dabei ein Bein.


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