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07.02.09 / Die ostpreußische Familie / Leser Helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 07. Februar 2009

Die ostpreußische Familie
Leser Helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

Post ist gekommen, so umfangreich, daß ich eigentlich nicht weiß, wo ich beginnen soll. Fangen wir also mit dem Schreiben des engagierten Königsbergers Gerhard Mannke aus Elmshorn an. Allein sein Brief würde genügen, den Hauptteil dieser Kolumne zu füllen. So picke ich mir erst einmal die Rosinen aus dem Kuchen heraus, und eine ganz dicke scheint mir die Information zu sein, die Herr Mannke zu dem Bild in der Folge 4 liefert, das ein Königsberger Schwesternheim zeigt. Daß es ein katholisches sein könnte, ließen die beiden Ordensschwestern vermuten. Die Lage war mit Weidendamm 16 angegeben. Darüber waren mir schon beim Bearbeiten dieser von Herrn Czallner gestellten Suchfrage Zweifel über die Lage gekommen. Diese hegte auch Herr Mannke und begann, in Gedächtnis und Archiv zu kramen, und wurde bald fündig. In dem Buch von Gerhard Thiering über die Königsberger Stadtteile fand er detaillierte Angaben mit vielen Abbildungen von der Haushaltsschule St. Katharinen, die sich in einer Villa am Oberteichufer 18/19 befand. Das vor dem Ersten Weltkrieg errichtete Gebäude wurde 1930 von dem Braunsberger St. Katharinenkloster in Königsberg erworben, dem die seit 1923 benutzten Räume in dem Haus der früheren Nervenheilanstalt in Speichersdorf zu klein geworden waren. Die großräumige Villa in Maraunenhof war schon vorher als private Lehranstalt mit Schülerheim genutzt worden, sie eignete sich gut für die Haushaltsschule, in der 65 junge Mädchen in Halbjahreskursen ausgebildet wurden. Die in dem Bildband von Gerhard Thiering enthaltenen Abbildungen lassen es als sicher erscheinen, daß es sich um dieses Haus handelt, denn einige Bau­elemente stimmen nahtlos überein. Das uns von Herrn Czallner überlassene Foto müße also in den 30er Jahren aufgenommen sein, als die Oberinnen Flavia Preuschoff und Constantina von Oppenkowski die Haushaltsschule leiteten. Aber wie kam die Anschrift „Weidendamm 16“ zustande? Nun, Speichersdorf gehörte 1927 zum Vorort Rosenau, der südlich des Weidendamms lag. Es könnte sein, daß sich dort Verwaltungs- oder andere Einrichtungen der Haushaltsschule befanden. Vielleicht erinnern sich jetzt ehemalige Schülerinnen an die Haushaltsschule St. Katharinen, die bis zur Ausbombung im August 1944 bestand? Herrn Mannke gilt unser herzlicher Dank für seine Bemühungen, die uns so schnell weiter geholfen haben. Ich wünsche ihm gutes Gelingen für die Vollendung seiner großen Königsberg-Datei, die schon zu 85 Prozent fertiggestellt ist.

Ganz schnell hat auch Herr Axel Michaelis reagiert, als er in Folge 3 das Foto der älteren Ostpreußin entdeckte, das aus einem Drengfurter Atelier stammt. „Das ist doch meine Urgroßmutter Johanna Schmidt“ stand sofort für ihn fest, und da er noch ein Bild von ihr besitzt, holte er es sofort zum Vergleich hervor. Tatsächlich ergibt sich eine verblüffende Ähnlichkeit. Aber stimmt das auch mit Drengfurt? O ja, denn Johanna Schmidt geborene Heisel, * 7. Juli 1853 in Kowahlen, hat einige Zeit in Drengfurt gelebt. Es paßt also alles, und deshalb habe ich Herrn Karl Weiß, den ich sofort über diese schnelle Aufklärung informierte, mit Herrn Michaelis kurzgeschaltet. Also wenn das stimmt, ist das wirklich ein kleines Wunder. Denn ich hatte ja bezweifelt, daß man nach über 100 Jahren noch jemand aus der Verwandtschaft erkennen kann. Aber das Bild aus dem Besitz von Herrn Michaelis erbrachte den Beweis. Nun kann Her Weiß seine Drengfurt-Sammlung um ein identifiziertes Abbild bereichern.

Nichts ist zu spät! Dieser optimistische Satz steht in einem Schreiben von Herrn Anton Obrich aus Nephen, der für die ostdeutschen Vertriebenen im Siegerland eine Lesestube einrichten will. Wir hatten in Folge 50/12 von dem Plan berichtet und um Bücherspenden gebeten. Nicht umsonst, denn wie der erwähnte Satz schon ahnen läßt: ein voller Erfolg! Von Berlin bis München, von Cuxhaven bis Bielefeld sind Büchersendungen eingetroffen. Größere Bestände müssen noch aus Neuss, Darmstadt und Köln abgeholt werden. Es sind auch „wahre Schätze“ aus privatem Besitz darunter, von denen sich die Spender wohl schweren Herzens trennen. Auch unsere Redak­tion hat mit einigen interessanten Neuerscheinungen zur Ausstattung des geplanten Begegnungs- und Leseraums beigetragen. Herr Obrich und mit ihm die Kreisgruppe Siegerland der Ost- und Westpreußen freuen sich und werden mit viel Freude und Verve weitermachen, denn die Basis ist bereits gelegt. Herr Obrich, der beim BdV und im Kreisausschuß für Flüchtlinge und Vertriebene für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, schreibt: „Den Raum, den uns die Stadt Siegen überlassen hat, haben wir renoviert, mit guten Regalen reichlich bestückt und eingerichtet. Von den Kommunen haben wir ja nicht viel Unterstützung zu erwarten, aber wir bleiben den Politikern auf der Pelle.“ Auch mit Hilfe der Presse, und so wird bei baldiger Vollendung der Arbeiten die Öffentlichkeit über die Medien über das Projekt informiert werden. Mit Vereinen, Jugendgruppen und Schulen wird Kontakt aufgenommen, denn es hat sich ja in letzter Zeit gezeigt, daß gerade bei der jüngeren Generation ein Informationsdefizit über Flucht und Vertreibung besteht. Anton Obrich kann aus eigenem Erleben zur Aufklärungsarbeit beitragen, denn der 1936 in Ortelsburg Geborene wurde 1947 aus seiner Heimat vertrieben. Auch der Mauerbau spielt in seiner Biographie eine ausschlaggebende Rolle. Als 1961 der Abiturient aus Magdeburg von einer Griechenlandreise zurückkehren wollte, war der Rückflug nach Tempelhof abgeschnitten. Anton Obrich blieb im Westen, studierte in Köln und war dann 35 Jahre im Schuldienst tätig. Seine Erfahrungen und Kenntnisse bringt er nun in den Aufbau dieses Begegnungsraumes mit ein. Übrigens: Falls sich noch jemand an der Ausstattung mit Bücherspenden beteiligen will, hier die Anschrift von Herrn Anton Obrich: Seitenweg 4 in 57250 Netphen. Nichts ist zu spät!

Das zeigt sich auch bei mancher Zuschrift auf länger zurückliegende Suchfragen, vielleicht trifft es auf die uns jetzt von Dr. Hartmut Stutzky übersandte zu. Eigentlich sind es zwei, denn die eine bezieht sich auf die in Folge 7/08 , also genau vor einem Jahr, veröffentlichte Bitte von Frau Diana Heinrici nach Informationen über ihren Urgroßvater Generaloberst Gotthard Heinrici. Sie hat damals sehr viele Zuschriften bekommen und war ebenso überrascht wie glücklich über den großartigen Erfolg. Aber vielleicht hat sie doch nicht einen Hinweis auf das Buch „Der letzte Kampf“ des amerikanischen Historikers Cornelius Ryan bekommen, den Herr Dr. Stutzky jetzt gibt. In diesem hat der Autor dem Generaloberst ein größeres Kapitel gewidmet. Ryan zeichnet den Ostpreußen als hervorragenden Soldaten, der in einer denkwürdigen Begegnung 1945 Hitler massiv widersprach. Das Buch enthält auch Aufnahmen von Heinrici während des Krieges und aus dem Jahr 1966. Nun zu dem zweiten Fall, zu dem Herr Dr. Stutzky Stellung nimmt. In der Folge 13/08 veröffentlichten wir die Suchfrage nach der Königsbergerin Caroline Hinz geborene Salomon, die von unserer Leserin Elli de Jong für die Tochter der Gesuchten, Frau Ursula Kirchner, gestellt wurde. Frau Hinz wohnte in der Krönchenstraße, dann auf den Hufen. Die damals 46jährige muß die ersten Monate nach dem Russeneinfall überlebt haben, denn es gibt noch eine schriftliche Nachricht von ihr von Ende 1945/Anfang 46. Ob und wo sie dann gelebt hat, wo sie verstorben ist – niemand weiß es. Jetzt erst las Herr Dr. Stutzky diese Ausgabe der PAZ, und schreibt dazu folgendes: „Ich stamme von den Hufen, bin dort 1938 in der Schrötterstraße 93 geboren“. Durch den Hinweis „auf den Hufen“ bin ich auf den Namen der Gesuchten aufmerksam geworden. In unserm Haus Schrötterstraße 93 wohnte bis 1945 im Erdgeschoß eine Familie Hinz. Wie ich seinerzeit von meinen Eltern erfuhr, sollen sie jedoch noch rechtzeitig aus Königsberg herausgekommen sein. Später haben sie wohl in Heide (Holstein) gewohnt. Vom Alter und der Adresse her könnte sich hier eine Verbindung zu der gesuchten Frau Hinz ergeben. Zwar ist das nach der von Ihnen geschilderten Sachlage nicht sehr wahrscheinlich, aber vielleicht ergibt sich doch ein Anhaltspunkt für die Verwandtschaft, der ihr weiterhelfen könnte.“ Soweit die Zuschriften, die ich nur weiterleiten kann.

An Erfolge erinnert man sich gerne. Und sie ermutigen zu weiteren Fragen. Wenn auch diesmal nicht in eigener Sache – es geht nämlich nicht um seine Ermländer – wendet sich der Kaltblutzüchter Clemens Grimm aus Nöda an uns: Er will Mittler sein für einen Wunsch des Priors Franz Maria Schwarz aus Werningshausen. Nicht nur, das Herr Grimm den Pater sehr verehrt, sondern auch weil dieser aus Ostpreußen stammt, aus Korschen. Der Geistliche hat aber seine Heimat nie bewusst erlebt, denn er wurde 1944 geboren und verbrachte seine ersten Lebensjahre im Waisenhaus in Bad Kösen, kam dann zu Pflegeltern in Nemsdorf in Sachsen-Anhalt. Er studiere Theologie und gründete eine Bruderschaft im Geiste des Heiligen Benedikt. Nach Jahren der Erprobung und vieler Widerstände kam es 1987 zur Weihe zum Prior des ersten lutherischen Benediktinerklosters nach der Reformation, dem Priorat St. Wigbert im thüringischen Werningshausen. In der Bruderschaft arbeiten evangelisch-lutherische, römisch-katholische und orthodoxe Mönche. Wie Pater Franz sagt, entstand diese Gemeinschaft aus Sehnsucht nach Brüderlichkeit. Durch vielfältige Aktivitäten und wahrhaftig gelebten Glauben wächst die Schar der Gemeindemitglieder und des Freundeskreises stetig und somit auch der Bekanntheitsgrad des Klosters, das für Interessierte immer offen steht und Führungen, auch mit Übernachtungen, anbietet. Dies nur kurz zum Lebenswerk des Priors, wie es uns von Herrn Grimm übermittelt wird. Nun aber zu dem Wunsch des Paters, der nichts über den Verleib seiner Mutter Lieselotte Scholl aus Korschen weiß. Sie war bei der Reichsbahn beschäftigt und wurde beim Überfall der Russen verschleppt. Wohin, ob sie in der Gefangenschaft starb, ob sie entlassen wurde, nichts ist bekannt. Da Pater Franz ja keine Erinnerungen an sie haben kann, als Waisenkind in der ehemaligen DDR aufwuchs und somit keine Verbindung zu Familie und Heimat haben konnte, wäre es schon zu begrüßen, wenn er einige Informationen über diese bekommen könnte, so auch über seinen Großvater Emil Scholl aus Korschen. Hier sind also die damaligen Bewohner des 3000 Seelen zählenden Kirchdorfes gefragt, das als wichtiger Eisenbahnknotenpunkt bekannt war. Wir hoffen also mit Pater Franz und Herrn Clemens Grimm auf positive Zuschriften an das Priorat St. Wigberti in 99634 Werningshausen. (Telefon: 036376/50226, Fax: 036376/53327, E-Mail: PfranzS@aol.com

Und nun noch ein bißchen plachandern. Das taten auch im fernen Namibia vier Damen auf einem kleinen Ostpreußentreffen, zu dem der Hausherr Heiko Freyer auf seine Farm Claratal eingeladen hatte. Anlaß war der 50. Geburtstag des Farmers, zu dem wir ihm noch nachträglich gratulieren. Auch Herr Bernd Brandes aus Hann. Münden war dabei, dem ich für seine Namibia-Reise ein Wunschpaket geschnürt hatte: Er sollte nach seiner Rückkehr über den auf der Farm beheimateten Trakehnerhengst Bellino Go berichten, was er auch tun wird. Vorerst übermittelte er mir und damit unserer Ostpreußischen Familie viele Grüße von diesem Heimattreffen und einen ganz besonders herzlichen von Frau Inge Liebener, einer tüchtigen und couragierten Danzigerin, die in Namibia beruflich einen erfolgreichen Weg gemacht hat. Und die regelmäßig mit viel Anteilnahme unsere Kolumne liest, weil sie noch immer mit Herzblut ein Kind Altpreußens ist und regelmäßig die Heimat besucht. Also einen heimatlichen Gruß nach Namibia zu Frau Inge Liebener

Beim Plachandern wäre ich gerne dabei gewesen. Vielleicht hätte mir eine der Ostpreußinnen die Frage klären können, die ich nun an unsere große Familie stellen muß: Was ist „pergeln“? Diese Frage wurde uns vom Schleswig-Holsteinischen Heimatverband übermittelt, weil vermutet wird, daß dieses Wort aus Ostpreußen stammt. Ich kenne es nicht, habe es nie gehört. Laut Wikipedia ist „Pergel“ eine Art Laube, die in den Weinbergen den Rebstöcken als Rankhilfe dient, abgeleitet von der italienischen Pergola. Und von einem Weinanbau konnte man ja in unserer Heimat nicht sprechen, da gab es höchstens den „Kopskiegelwein“ aus Johannisbeeren, und den vertrugen auch nur ostpreußische Mägen und Lebern. Wer diesen Ausdruck kennt und weiß, was er bedeutet und wo er gesprochen wird, kläre uns bitte auf. Es würde unsern stattlichen Wortschatz – Pfarrer Felix Arndt aus Gumbinnen hat in seiner Sammlung ostpreußischer Wörter und Redensarten 3300 aufgezeichnet! – noch erheblich bereichern.

Eure Ruth Geede


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