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07.02.09 / Briefe vom unbekannten, toten Vater / Eine 1945 Geborene erbt die Feldpost ihrer Eltern und macht sie der Öffentlichkeit zugänglich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 07. Februar 2009

Briefe vom unbekannten, toten Vater
Eine 1945 Geborene erbt die Feldpost ihrer Eltern und macht sie der Öffentlichkeit zugänglich

Meist sind es Veröffentlichungen von Selbstzeugnissen wie Briefen, die der Nachwelt Auskunft über einzelne Soldatenschicksale des Zweiten Weltkriegs geben. „Es ist so kalt im Russenlande – Brieftagebuch des Wachtmeisters Heinz Meier“ lautet der Titel eines Buches mit 290 authentischen Briefen eines jungen Berufssoldaten an seine Ehefrau, datierend von Oktober 1938 bis März 1945. Seit Kriegsbeginn im September 1939 war der Verfasser der Briefe, geboren am 11. April 1915 in Eisleben, an der Front eingesetzt. Unterbrochen waren seine Einsätze an der Ostfront in den Jahren 1941 bis 1945 durch mehrere Lehrgänge. Kurz vor Kriegsende, am 16. April 1945, verstarb der Unteroffizier Heinz Meier in Pillau an den Folgen der Verwundung durch einen Granatsplitter. Bis zuletzt hatte er sich an die Hoffnung auf eine glückliche Heimkehr geklammert. Seine Ehefrau Irmgard in Eisleben bewahrte die Briefe ihres Mannes als kostbares Vermächtnis auf und übergab sie ihrer Tochter Petra anläßlich deren 50. Geburtstags im Jahr 1995. Den Wunsch ihrer Mutter, sie möge die Briefe des Vaters lesen, der sein im März 1945 geborenes Kind nie hatte sehen können, erfüllte Petra-Martina Schnöbel, geborene Meier, einige Jahre später. Nach und nach entzifferte sie die verblaßten, teilweise unter beschwerlichsten Frontverhältnissen beschriebenen Blätter und faßte den Entschluß, die Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich zumachen.

Es ist ihr als Herausgeberin gleichermaßen ein Anliegen, an das Schicksal ihres Vaters zu erinnern und „unseren jungen Menschen das Elend des Krieges in der damaligen Zeit vor Augen zu führen“. Dem Brieftagebuch ist ein Register mit den bekannten Einsatzorten Heinz Meiers vorangestellt.

Getragen von ideologischer Überzeugung und einer „Führer“-Verehrung, die in ihrer Substanz bis in die letzten Kriegswochen anhielt, zeugen die Briefe gleichzeitig von dem Vermögen eines jungen Menschen, in der zunehmend desolaten Lage den unbedingten Willen zum Überleben zu bewahren. Gemäß der auferlegten Selbstzensur vermied es der Briefschreiber, die Verhältnisse an der Ostfront realistisch darzustellen. Hans Meier schrieb in humorvollem Ton, und er verlegte sich auf eine breite Palette von privaten Themen. Von Belang für die Geschichtsforschung sind seine Berichte vom Aufeinandertreffen der Wehrmachtseinheiten und der russischen Bevölkerung. Nur selten deutete er die Greuel der Feldschlachten an wie etwa am 26. Juni 1941, als er sich aus Rußland meldete: „Aus der Erkenntnis, daß der Rotarmist keine Gefangenen macht, läßt sich erkennen, wie wir auch mit denen verfahren.“ Stolz berichtete der ausgebildete Schirrmacher – er war verantwortlich für die Fahrbereitschaft der Fahrzeuge – von den ihm verliehenen Orden. Er hoffte, daß diese ihm später, nach dem Endsieg, bei einer Karriere als Berufssoldat von Nutzen sein würden. Selten stellte Heinz Meier Fragen über die Auswirkung des Krieges in seiner Heimatstadt wie am 17. August 1943: „Fliegeralarm habt ihr zu Hause auch so oft? Na na, da sehe ich aber auch ‚dunkelblau‘, schwarz niemals, aber so weit wird es wohl, wollen wir hoffen, nie kommen.“ Welche Sorgen sich hinter diesen Worten verbargen, läßt sich erahnen. Aus Königsberg meldete er sich noch am 9. Februar 1945 mit der offiziellen Durchhalteparole: „Wenn auch die Feinde von Ost und West alles daransetzen, uns zu überrennen, so werden wir den Glauben an unsere Zukunft doch nicht aufgeben und werden als Soldaten unseres Führers und Verteidiger der Heimat bis zum letzten Atemzuge unsere, wenn auch schwere, Pflicht erfüllen.“

Seine Witwe fügte später dem selbst gebastelten Fotoalbum einen Nachruf auf ihren Mann bei, dem sie die Überschrift gab: „Unser Liebstes gaben wir dem Vaterlande.“ Wie unzählige Mütter und Ehefrauen klammerte sie sich an den Glauben, daß der Tod des über alles geliebten Menschen nicht sinnlos war.     Dagmar Jestrzemski

Petra-Martina Meier: „Es ist so kalt im Russenlande – Brieftagebuch des Wachtmeisters Heinz Meier“, Verlag Haag-Herchen, Frankfurt am Main 2008, broschiert, 419 Seiten, 22 Euro


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