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07.02.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 07. Februar 2009

Rollentausch / Wie sich die USA abschotten, wie China jetzt Marktöffnung fordert, und wen Iran und Kuba neuerdings die Menschenrechte lehren
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Alles hat seine Zeit, oder, wie es die Lenker der Welt gern formulieren: „Wir müssen flexibel auf die Herausforderungen reagieren.“ Das tun sie in der Tat, vor allem die USA. Der Rest der Welt reibt sich die Augen, wie überaus flexibel vor allem die jetzt zur ganzen Macht gelangten US-Demokraten agieren. Dort kursieren Gesetzentwürfe, nach denen alle staatlichen Konjunkturprogramme mit einer „Buy American“-Klausel belegt würden. Konkret sollen etwa Baukonzerne gezwungen werden, Stahl und Eisen wenn irgendmöglich nur aus US-Produktion zu beziehen.

Welch wundersame Wendung durch Obamas Fügung! Vor gut zehn Jahren, als die Ostasien-Krise die aufstrebenden Tigerstaaten von Südkorea bis Thailand in die Bredouille spülte, war die Linie aus Washington eine völlig andere: Internationale Hilfe, etwa über den Internationalen Währungsfonds, dürfe es nur geben, wenn die betroffenen Länder „ihre Märkte öffnen“ – erstens aus Prinzip und zweitens, weil nur so auch US-Firmen ungehemmten Zugang zu den bald wieder blühenden Volkswirtschaften dieser Staaten bekämen. Damals saß wie heute ein Demokrat im Weißen Haus, Bill Clinton.

Und nun also gilt genau das Gegenteil, jetzt, wo es den USA schlecht geht. Was haben wir uns abgemüht, die scheinbar komplizierten Regeln der „Weltordnung“ zu verstehen. Jetzt haben wir’s: Es sind dieselben wie in der guten alten Hackordnung – Recht hat, wer Macht hat.

Nicht minder unterhaltsam ist der überraschende Hüpfer, welchen die Chinesen vollführen.   Auch Peking zeigt sich nämlich außerordentlich flexibel angesichts der wachsenden Bedrohungen.

Europäische Unternehmen zeigen sich seit vielen Jahren entnervt über die ausgefeilten Taktiken, mit denen das Riesenreich seinen Markt abschottet. Die Chinesen genossen als Exporteur die Vorzüge des freien Welthandels in vollen Zügen und führten aus, was die Weltcontainerflotte fassen konnte. Trauten sich indes ausländische Exporteure auf den chinesischen Markt, sahen sie den Markt vor lauter Fallstricken nicht. Eröffneten sie gar eine eigene Produktionsstätte in China, zogen ihnen heimische Produktpiraten listig die Erfindungen aus der Tasche, während die ach so bemühten chinesischen Behörden (unablässig hartes Durchgreifen versprechend) angestrengt in die Sterne blickten. Und größere Übernahmen chinesischer Firmen durch ausländische Konzerne? Nicht dran zu denken.

Jetzt klingt alles plötzlich ganz anders und fast spürt man erstmals die Neigung, den chinesischen Beteuerungen ein kleines bißchen weniger zu mißtrauen als eben noch. Ministerpräsident Wen Jiabao versprach auf seiner Europareise allen seinen Gesprächspartnern, auch in Berlin, Einfuhren nach China zu erleichtern. Mal sehen. Immerhin scheint den großen Abschotter erstmals die Ahnung gepackt zu haben, daß es die lange so erfolgreich Gelackmeierten seinem China mit gleicher Münze heimzahlen könnten. Er sah ehrlich besorgt aus.

Einer, dem die Heuchelei auf den Fluren der Hüter des Weltmarkts schon vor Jahren zuviel wurde, ist Horst Köhler. Von 2000 bis 2004 war er in der Führung des Internationalen Währungsfonds, wo dem sonst immer höflichen Deutschen einmal ein Fluch über die „arroganten Amerikaner“ entfleucht sein soll. Seit fünf Jahren ist er unser Bundespräsident und wir sind eigentlich alle ganz zufrieden mit ihm. Alle? Nein, nicht alle.

Gesine Schwan ist es nicht. Sie will selber dran, und das mit allen Mitteln. „Man kann mehr aus diesem Amt machen“, belehrt sie den Amtsinhaber, und beweist es, noch bevor sie das Amt überhaupt hat. Bislang folgten Nominierungen zum höchsten Amt einem allgemein akzeptierten Ritus: In den Führungen der Parteien wurden zunächst ein paar Namen genannt. Die Erwähnten bekamen dann Besuch von den Medien und äußerten sich so diskret wie möglich. Irgendwann kristallisierte sich für jedes Lager ein Name heraus, der sich zu dem Antrag zu kandidieren dann noch diskreter äußerte. Das hatte alles etwas leicht kokettes, erschien manchmal so gar gespreizt. Aber das Ritual sorgte dafür, daß der  erfolgreiche Kandidat schon vor Amtsantritt die noble Aura desjenigen erlangte, der dem zänkischen Tagesgeschäft entrückt ist.

Das war einmal, denn, wie gesagt: Gesine Schwan kann mehr. Schon ihre Nominierung lief ungewohnt. Sie zierte sich keine Sekunde. Kaum ins Spiel gebracht, nahm Frau Schwan die Sache energisch in die eigenen Hände und redete den damaligen SPD-Chef Kurt Beck so lange an die Wand, bis er ihr den Kandidatenhut mißmutig aushändigte.

Das war im Mai 2008, seitdem sprintet die Professorin durchs Land und macht Wahlkampf für sich selbst. Neulich hat sie stolz erzählt, daß sie im Januar nur zwei Abende nicht auf Propagandatour war. Dort redet sie nicht nur über ihre eigenen Vorzüge, sondern auch über die Defizite des Amtsinhabers, dem sie 2004 schon einmal unterlag und dem sie aus Rache die zweite Periode vermasseln will. Köhler nehme „eine Erosion der Demokratie in Kauf“, giftet Schwan.

Sollte sie es ins Bellevue schaffen, werden viele Deutsche erstmals nicht mehr unglücklich darüber sein, daß den deutschen Bundespräsidenten im Ausland so gut wie niemand kennt. In Deutschland indes dürfte man der Frau kaum noch ausweichen können.

Da gäbe es genug Aufgaben, auf die sich Gesine Schwan sicher freut. Mit Köhlers Patriotismus hat sie es nicht besonders, sie mahnt die Deutschen lieber. Sie würde eine „engagierte Bundespräsidentin“ abgeben, was soviel heißt wie: Ihr Feld wäre das Bohren durch dünne Bretter und in anderer Leute Nasen.

Viele alte Bekannte brächte Frau Schwan mit in die Diskussionsrunden der Republik. Beispielsweise die Erkenntnis, daß „Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ aus der „Mitte unserer Gesellschaft“ kämen. Eine These, die besonders von den Dunkelroten (auf deren Stimmen sie ja angewiesen ist) gern gehört wird, denn: Rechts ist ja sowieso des Teufels. Wenn nun auch noch die Mitte als Quell des Unheils entlarvt wird, bleibt nur noch die äußerste Linke übrig als Hort der moralischen Autorität.

Solche Autorität, daran hegt Gesine Schwan keinen Zweifel, ist bitter nötig. Vor dem UN-Menschenrechtsrat wurde die ganze teutonische Katastrophe ausgebreitet. Deutsche Regierungsvertreter mußten vor dem Rat in Genf erscheinen, um sich die Schande vorhalten zu lassen: In Deutschland sei ein „dramatischer Anstieg“ rassistischer Gewalt zu verzeichnen, Roma und Sinti würden unterdrückt und ebenso Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Als besonders empörte Ankläger des deutschen Skandals taten sich die Vertreter der Regierungen von Iran, Rußland, Ägypten, Pakistan, Indien und Kuba hervor.

Aber auch andere hatten etwas auszusetzen. Die Niederlande beklagten sich in Genf über die „exzessive Gewalt“ einiger deutscher Strafverfolgungsbehörden, Liechtenstein wollte etwas über die 5000 Straßenkinder in der Bundesrepublik wissen, und Dänemark beschwerte sich über Attacken auf Homosexuelle. Ob der dänische Vertreter über letzteres auch mit seinem persischen Ratskollegen zu Tische gesessen hat?

Wir wollen hoffen, daß die USA von der Genfer Vorladung nichts mitbekommen haben. Angesichts des Spektakels könnte sonst der letzte Rest Neigung aus Washington verfliegen, sich jemals dem Regiment eines Internationalen Strafgerichtshofs auszusetzen.

Übrigens hat die UN-Vollversammlung per Beschluß mit 83 gegen 53 Stimmen bei 42 Enthaltungen alle Nationen gedrängt, „angemessene Maßnahmen“ zum Schutz von Religionen vor Diffamierung zu ergreifen. In der Resolution wurde indes nur eine schützenswerte Religion namentlich genannt: der Islam.


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