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14.02.09 / Erinnerungen eines »Klassenfeindes« / Peter Pragal: Wie ein westdeutscher DDR-Korrespondent die letzten 15 Jahre vor dem Mauerfall erlebte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-09 vom 14. Februar 2009

Erinnerungen eines »Klassenfeindes«
Peter Pragal: Wie ein westdeutscher DDR-Korrespondent die letzten 15 Jahre vor dem Mauerfall erlebte

Die Stasi-Offiziere warten bereits auf die „Zielperson“ Heinz N. Der DDR-Regimekritiker, der auf dem Weg zum westdeutschen Korrespondenten Peter Pragal ist, wird abgefangen. „Guten Tag, Ministerium für Staatssicherheit, kommen Sie bitte mit. Los – steigen Sie in den Lada ein!“

Für Heinz N. beginnt eine Reise ins Ungewisse, die ihn in ein Stasigefängnis führt. Sein Vergehen: Er wollte Gedichte „mit feindlichem Inhalt gegen die sozialistische Staats- und Regierungsform“ im Westen veröffentlichen. Die Stasi-Häscher waren so stolz auf ihren Erfolg, daß sie aus ihren Aufnahmen einen Schulungsfilm machten. Insgesamt 5000 solche Filme lagern bei der Birthler-Behörde.

Düsterer Alltag der roten Diktatur: Willkürliche Festnahmen, getürkte Verfahren, erzwungene Geständnisse, Psychofolter, Schießbefehl. 20 Jahre nach der Vereinigung ist die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit noch lange nicht abgeschlossen.

Der Journalist Peter Pragal, zu dem Heinz N. wollte, schildert in seinem Buch „Der geduldete Klassenfeind“ viele solcher Begebenheiten. Von Heinz N. hat er erst nach der Wende aus den Stasi-Akten erfahren.

Mit ihrem Besuch in der Birthler-Behörde hat die Bundeskanzlerin vor einem Monat den Aufklärern den Rücken zu stärken versucht. Immer mehr Zeitgenossen wüßten heute die friedliche Revolution „nicht so recht zu würdigen“, klagte Angela Merkel. Deshalb sei die Behörde wichtig.

Außerdem machen die Stasi-Offiziere mobil und erschweren die Aufarbeitung. Sie haben eigene Lobby-Verbände, treten geschlossen bei Veranstaltungen als Störer auf und gehen neuerdings massiv gegen Zeitschriften, Buchverlage und Autoren vor – mit dem Ziel, die Nennung ihrer Namen zu unterbinden.

Auch Peter Pragal verzichtet darauf, Klarnamen zu verwenden – außer bei Prominenten. So bleiben die Personen, deren Wege direkt oder indirekt die seinen kreuzten, immer nur mit „IM Jan“ oder ähnlichem benannt.

Und Pragal hat wirklich viele Leute getroffen während seiner Zeit in der „Hauptstadt der DDR“, Opfer wie Täter. Der in Breslau geborene Journalist arbeitete für die „Süddeutsche Zeitung“, den „Stern“ und nach der Revolution für die „Berliner Zeitung“, bis er vor fünf Jahren in den Ruhestand ging. Er war einer der ersten westdeutschen Korrespondenten in der DDR und der erste, der seinen Wohnsitz in Ost-Berlin hatte. Seine Kinder schickte er dort zur Schule.

Er war ziemlich blauäugig, als er in die DDR kam („Unter Honecker begannen zarte Pflanzen der Hoffnung zu sprießen“). Sogar das MfS bescheinigte ihm, er habe für einen aus dem kapitalistischen Ausland stammenden Journalisten „wenig Vorurteile“.

Auch heute noch hält Pragal die sozialliberale Außen- und Deutschlandpolitik für richtig. So würdigt er diejenigen herab, die während der Teilung eine klare Haltung in der deutschen Frage hatten. In Wirklichkeit seien es die Entspannungspolitiker und Beamte in der Ständigen Vertretung gewesen, die den Mauerfall herbeigeführt hätten.

Diese fragwürdige Einstellung hat ihn aber nicht daran gehindert, in der DDR schnell den Polizeistaat zu erkennen, der sie war. Pragal schildert eindringlich die ständige Bespitzelung und Überwachung. Sogar seine Tagebuchaufzeichnungen finden sich in seiner Stasi-Akte.

Pragals Buch ermöglicht einen nüchternen Blick in das trostlose Leben in der DDR in den letzten 15 Jahren vor dem Mauerfall. Leider werden die Täter nicht beim Namen genannt. Das aber wäre im Sinne der historischen Aufrichtigkeit unerläßlich. Markus Schleusener

Peter Pragal: „Der geduldete Klassenfeind“, 304 Seiten, gebunden, Osburg Verlag, 19,95 Euro

Der Autor liest aus seinem Buch und diskutiert über das Thema: 20. Februar in Berlin, 20 Uhr, Lesung in der Buchhandlung Am Bayerischen Platz, Grunewaldstraße 59, 10825 Berlin.

12. März in Leipzig, 20.15 Uhr, Podiumsgespräch zu „Schwierigkeiten mit der Wahrheit – Zur Medienpolitik in der DDR“, in Lehmanns Buchhandlung, Grimmaische Straße 10


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