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14.02.09 / Es droht ein langer Wahlkampf / Schwierige Wochen für die Union – Glos-Rücktritt legt programmatische Schwächen offen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-09 vom 14. Februar 2009

Es droht ein langer Wahlkampf
Schwierige Wochen für die Union – Glos-Rücktritt legt programmatische Schwächen offen

CDU und CSU haben schon bessere Wochen erlebt: Der verstolperte Rücktritt von Michael Glos offenbart personelle Schwächen, und es bleibt unklar: Wofür steht die Union eigentlich, etwa in der Wirtschaftspolitik? Ist sie noch die Partei der sozialen Marktwirtschaft oder will sie Verstaatlichungen? Will sie Staatsschulden abbauen oder anhäufen?

Nachdem die SPD sich beinah ein Jahr lang selbst zerfleischt hat, scheint nun die Union an der Reihe zu sein: Die Kakophonie aus Berlin dröhnt schrill in den Ohren. Beinah jeder kann in der Wirtschaftskrise alles fordern, was ihm in den (Un-)Sinn kommt: Verstaatlichungen, neue Schulden, Konjunkturpakete, Kredithilfen für alle möglichen Branchen, Steuersenkungen – und auch das Gegenteil: Schuldenbremsen und Einsparungen. An dem schrillen Orchester sind bei weitem nicht nur profilneurotische Hinterbänkler beteiligt, sondern die Granden der Partei: Oettinger gegen Seehofer, Peter Müller und Rüttgers gegen Wulff, und alle zusammen sticheln immer mal wieder gegen Angela Merkel.

Eine klare Linie fehlt momentan vor allem in der Wirtschaftspolitik, und das Fehlen eines ordnungspolitischen Kopfes wie Fried­rich Merz macht sich schmerzlich bemerkbar. Das liegt nicht nur an Koalitionszwängen. Sicher täte sich die Union leichter, mit der FDP eine gemeinsame Linie zu finden. Dennoch: Nun rächt sich das Vorgehen von Angela Merkel, die auf ihrem Weg an die Spitze alle eigenständigen Köpfe – ungeachtet ihrer fachlichen Kompetenz – politisch an den Rand gedrängt hat. So mancher in der Union klagt schon länger, Merkel fehle ein klares ordnungspolitisches Leitbild einer bürgerlichen Gesellschaft, sie beschränke sich aufs Verwalten der Macht, ja, Merkel sei eine Schönwetterkanzlerin, die in Zeiten des Wachstums und sinkender Arbeitslosigkeit glänzte und auf internationaler Bühne Weltenretterin spielte, in Zeiten der Krise aber trotz aller Willens- und Nervenstärke bisher kein schlüssiges Konzept habe. Auch die SPD plant, die nun sichtbar gewordene programmatische Schwäche der CDU im Bundestagswahlkampf offensiv zu thematisieren.

Nach Michael Glos, der „Schlaf-tablette auf zwei Beinen“ (Fritz Kuhn), der im Ministerium ob seiner Bodenständigkeit und ländlichen Herkunft nie so ganz ernst genommen wurde, soll nun also der erst 37 Jahre alte Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg für neuen Schwung sorgen. Alle, die ihm fehlende Wirtschaftskompetenz vorwerfen, werden sich voraussichtlich noch wundern: Er hat durchaus Erfahrung als Ge-schäftsführer der Familienholding „Von Guttenberg GmbH“ und hat die Rhön-Klinik AG mit an die Börse gebracht, was ihm vorübergehend ein Aufsichtsratsmandat einbrachte. Sein aristokratisches, etwas unnahbares Auftreten, seine Weltläufigkeit als Außenpolitiker, seine Eloquenz und sein fotogenes Aussehen werden ihm helfen, im Haifischbecken der Berliner Hauptstadtpresse zu bestehen – und auch den über viele Jahre von roten und blau-gelben Ressortchefs geprägten, schwierigen, manche sagen sogar: arroganten Apparat des Bundeswirtschaftsministeriums zu führen und auf Vordermann zu bringen. Allerdings setzt zu Guttenberg im Moment nicht das kurzfristige Wirtschaftskompetenz-Signal, das die Union dringend bräuchte. Auch Glos – von Haus aus selbständiger Unternehmer wie zu Guttenberg – hatte das nicht geschafft.

Auch auf einem anderen Gebiet macht Merkel keine „bella figura“: Ihre Kritik am Papst fanden viele Stammwähler der Union, immerhin die klassische Partei des Katholizismus, unangebracht. Daß die Protestantin aus der Uckermark dem Oberhaupt von einer Milliarde Katholiken indirekt unterstellt, er distanziere sich nicht klar genug vom Antisemitismus, ging selbst vielen zu weit, die die Aufhebung der Exkommunikation der Lefebvre-Bischöfe ablehnen und massive Organisations- und PR-Defizite in der Kurie kritisieren. Für „unglücklich“ hält der unterfränkische CSU-Innen- und Rechtspolitiker Norbert Geis die Äußerung der Kanzlerin: „Sie war offenbar nicht darüber informiert, daß der Papst schon eine klare Stellungnahme abgegeben hatte.“ Und der rheinische CDU-Außenpolitiker Willi Wimmer meinte, Angela Merkel verwechsle den Papst wohl mit Günther Oettinger – den hatte die Kanzlerin nach der unglücklichen Grabrede für Hans Filbiniger in ähnlicher Weise öffentlich abgekanzelt.

Positiv fällt in diesen Tagen le-diglich die Schuldenbremse auf, auf die sich – trotz oder wegen drohender Rekordverschuldung – Bund und Länder geeinigt haben. Da konnte die Kanzlerin ihre eigentliche Stärke, das Moderieren, ausspielen. Doch auch hinter die Schuldenbremse darf man Fragezeichen setzen: Rekordverschuldung und Schuldenbremse schränken den Gestaltungsspielraum künftiger Regierungen ganz massiv ein. Zudem liegt der Beginn in den Jahren 2015 und 2020 weit in der Zukunft. Auch wenn Finanzexperten versichern, die Schuldengrenze sei dennoch so streng, daß sie bereits ab dem Jahre 2010 einen sinnvollen „Sparzwang“ verursache, haben mehrere Kommentatoren das treffende Bild vom reuigen Säufer bemüht, der seinen Beschluß zu künftiger Abstinenz mit einem tiefen Schluck aus der Pulle feiert und „bekräftigt“.

Daß die große Koalition sieben Monate vor der Wahl noch Bäume ausreißen könnte, erwartet niemand, die Schuldenbremse könnte der letzte Beschluß von Bedeutung gewesen sein. Das grandiose Scheitern des Umweltgesetzbuches und die hämischen Reaktionen auch der SPD auf den überstürzten Glos-Abgang lassen mitten in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit dem Jahre 1932 leider sogar monatelange Wahlkampfmanöver statt der notwendigen mutigen Entscheidungen befürchten.                 

Anton Heinrich

Foto: Neue Kräfte: Karl-Theodeor zu Guttenberg (l.) als Bundeswirtschaftminister und Alexander Dobrindt (r.) als neuer Generalsekretär wollen mit Parteichef Horst Seehofer die CSU aus ihrem Formtief holen.


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