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14.02.09 / Die rechte Hand des großen Kurfürsten / Georg von Derfflinger: Die ungewöhnliche Karriere vom Bauernsohn aus Österreich zum brandenburgischen Marschall

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-09 vom 14. Februar 2009

Die rechte Hand des großen Kurfürsten
Georg von Derfflinger: Die ungewöhnliche Karriere vom Bauernsohn aus Österreich zum brandenburgischen Marschall

Der legendäre Reichsfreiherr und Vorfahre Fürst Otto von Bismarcks trug maßgeblich dazu bei, daß aus dem brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. der Große Kurfürst wurde.

Eine seltsame Leichenrede, die sich da der alte Derfflinger auserbeten hatte. Seine Verdienste sollten nicht genannt werden, nicht einmal sein Name durfte fallen. Pfarrer Sannovius mußte sich bei der Beisetzungsfeier im ostbrandenburgischen Gusow mit dem Hinweis begnügen, Gott habe den Entschlafenen in fast 75jährigen Kriegsdiensten von der niedrigsten bis zur höchsten Stufe gelangen lassen … In Gusow, fast an der Grenze zur heute zur Republik Polen gehörenden Neumark, ist der Reitergeneral auch gestorben. Friedlich, an Altersschwäche. Am 14. Februar 1695 zwischen 12 und 13 Uhr soll er entschlafen sein. Möglicherweise war es aber schon am 4. Februar. Die vorliegenden Berichte widersprechen sich, und die umstrittenen zehn Tage sind nicht die einzigen Unstimmigkeiten in Derfflingers Biographie.

Wenig ist über Kindheit und Jugend bekannt. Im oberösterreichischen Neuhofen wurde er geboren und war „ein geringer Leute Kind“. Sein Vater bekannte sich zum Protestantismus, was die Familie Derfflinger – auch Dörfflinger geschrieben – zur Übersiedlung nach Böhmen zwang. Dort erlebte man 1618 den „Fenstersturz zu Prag“ und damit den Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Mit zwölf Jahren ist der Junge „zu den Soldaten gegangen“, wahrscheinlich als Troßknecht. Ob er allerdings wirklich schon zuvor das Schneiderhandwerk gelernt hat, ist eher zu bezweifeln. Für Theodor Fontane war diese Nadel-und-Faden-Anekdote Anlaß für eine Ballade:

„Einst, als das Nadelhalten

Ihm schier ans Leben ging,

Dach`t er: ,Das Schädelspalten

ist doch ein ander Ding!‘

Fort warf er Maß und Elle

Voll Kriegslust an die Wand

Und nahm an Nadels Stelle

Den Säbel in die Hand.“

Am 8. November 1620 erlebte der 15jährige seine erste Schlacht – am Weißen Berg bei Prag. Derfflinger stand in den Reihen der Besiegten, auf der Seite der protestantischen Streitkräfte. Übrigens ist Derfflinger zeitlebens dieser Konfession treu geblieben, diente ausschließlich in protestantischen Heeren oder setzte für protestantische Fürsten sein Leben aufs Spiel. Natürlich für „gutes Geld“, wie es damals üblich war.

Folgerichtig landete er in der schwedischen Armee. Als 1632 König Gustav II. Adolf bei Lützen fiel, war der einstige Bauernjunge bereits Offizier. Immer höher stieg er die militärische Stufenleiter empor: Oberstleutnant, Generaladjudant bei Feldmarschall Baner, Chef eines Regimentes und dann sogar Oberst der schwedischen Reiterei. Derfflinger war ein „heller Kopf“, besaß ungewöhnliches militärstrategisches und taktisches Talent, verfügte nicht zuletzt über profunde Schriftkenntnisse. Das alles machte ihn auch für diplomatische Missionen geeignet. In die Mitte der 40er Jahre fällt die Hochzeit mit Margaretha Tugendreich von Schapelow. Die Frau stammt aus Gusow, ihr Bruder ist Defflingers Waffenkamerad.

Als nach dem Westfälischen Frieden von 1648 viele Regimenter aufgelöst werden, geht Oberst a. D. Derfflinger nach Brandenburg, kauft 1651 Gusow und das benachbarte Platkow. Damit beginnt Derfflingers „Brandenburg-Zeit“. Als „ältester Generalwachtmeister“ verpflichtete er sich, Kurfürst Friedrich Wilhelm schriftlich „untertänigst treu, hold und gewärtig“ zu sein, sich „in allen Stücken so verhalten, wie das von einem verständigem, tapferen, sorgfältigen und erfahrenen Generalwachtmeister erfordert wird, sich eignet und gebührt“.

Zunächst stellt er neue Regimenter auf, schafft gewissermaßen das „Korsett“ für ein stehendes Heer. Immer mehr Ämter vereint er in seiner Person: „Dero Fürst. Durchl. zu Brandenb. Bestalter Geheimter Kriegs Rath. Statthalter in Pommern General Feld Marschall, Ober Gouverneur über alle dero Vesttungen, Obrister zu Ross und Fuss“, wird er sich später selbst nennen.

Auch nach dem Dreißigjährigen Krieg bleibt Mitteleuropa Schauplatz blutiger Kämpfe. Ständig wechseln die Koalitionen. Kommandierte 1656 Derfflinger im Krieg gegen Polen noch ein Korps an der Seite der verbündeten Schweden, so kämpfte man 1658 gemeinsam mit den Dänen gegen die Schweden. Kaiser Leopold I. erhebt ihn 1674 auf Bitte des Kurfürsten von Brandenburg in den Reichsfreiherrenstand.

Die Erfolge in den Kriegen gegen Schweden führten zu Legenden. Wahres und Erfundenes ist nach 350 Jahren nur schwer zu trennen. Da ist der gewaltige Marsch aus Süddeutschland an die Havel im Frühjahr 1675. In knapp zwei Wochen wurden 500 Kilometer zurückgelegt. Das war die zweitgrößte Marschleistung aller Zeiten. Möglich wurde das durch Derfflingers außergewöhnliches Organisationstalent. Dann die Eroberung von Rathenow. Der Generalfeldmarschall soll sich als schwedischer Offizier ausgegeben und so die Öffnung des Stadttors herbeigeführt haben. Nur wenige Tage später, am 28. Juni, ist es wieder Derfflinger, der die eher kleine, aber folgenreiche Schlacht von Fehrbellin zu brandenburgischen Gunsten entscheidet. Offiziell hat zwar der Kurfürst das Oberkommando, der sich später mit dem Prinzen von Homburg den Ruhm teilt, doch der Schlachtplan trägt die Handschrift von Derfflinger. Es ist übrigens die erste Schlacht, die Brandenburg allein gegen einen prominenten Gegner schlägt und gewinnt. Nach diesem Sieg wird aus dem Kurfürsten der Große Kurfürst.

In den letzten Jahren wird es ruhig um den alten Derfflinger. Inzwischen gehören ihm mehr als ein Dutzend Dörfer und ein attraktives Wohnhaus in Berlin. Das heutige Schloß Gussow entstand allerdings Jahre später durch Sohn Friedrich. In dem heute als Hotel genutzten Haus gibt es ein Museum mit einem Derfflinger-Zimmer. Und noch etwas wird dem alten Schlagetod zugeschrieben. Der Freiherr gilt als Erfinder des Reitermantels mit Schlitz, und daraus soll der Frack entstanden sein. Möglicherweise auch nur eine von vielen Legenden um den Bauernsohn, der zum ranghöchsten Offizier aufstieg.  Karel Chemnitz


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