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14.02.09 / Ein Sommer in Pagelinen / Abschied einer Generation von ihrer unbeschwerten Jugend

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-09 vom 14. Februar 2009

Ein Sommer in Pagelinen
Abschied einer Generation von ihrer unbeschwerten Jugend

Ich sehe ein kleines Gehöft, direkt am Walde. Dazwischen ist gerade noch Platz für den Bahndamm. Die vorbeidampfende Kleinbahn teilt den Tag in Morgen, Mittag und Abend. Hier wohnen wir, zwei Forstlehrlinge der Försterei Horstenau.

Der Sommer ist heiß. Die schönste Uniform wird bei Hitze lästig. Da „bevölkert“ ein Ferienkind aus Treuburg die einsame, dörfliche Szene. Das macht munter und regt die Phantasie an. Eine Handvoll Steinpilze und ein bunter Häherflügel müssen als Stilleben herhalten. Heimlich wird die Morgengabe der Langschläferin kredenzt.

Bestimmend aber bleibt die Bestätigung (Suche) eines Elchs; eines Sechsenders, den Revierförster H. schießen darf. Die Brunft treibt den Elchhirsch um. Heute ist er hier, morgen dort. Die unbeschreiblich schönen Sonnenaufgänge und die heimlichen Rendezvous am Abend wiegen aber die schweißtreibenden Pirschgänge auf. Am 25. September, fünf Tage vor Beginn der Schonzeit, erlegt der Chef den Elch. Mit „meiner“ Büchse. Ich bin stolz! Waidgerecht versorgt liegt der Elch bald auf dem Gestell (Weg). Der herbeigerufene Forstmeister, Herr D., bläst „Elch-tot“. Beim Abtransport bemerkt ein Forstarbeiter ein kreisrundes Loch im rechten Lauscher des Elches. Sarkastisch sinniert er: „Doa hätt ämm schon wär dorchet Ohr geschoate!“

Am Abend trinken der Förster, sein Schwager und wir beiden Lehrlinge den „Elch tot“. Je eine Flasche Rum und Arak müssen daran glauben. Am Ende sind wir jungen Spunte fast tot. Auf allen Vieren braucht es trotz des kurzen Heimweges lange, bis wir völlig fertig in die Betten sinken.

Das ungewohnte „Aus-der-Decke-Schlagen“ und Zerlegen des Elches am nächsten Morgen wird zur Tortur. Fast hätten wir die Filetchen, auf die Frau Forstmeister so scharf ist, fortgeworfen. Ihr Aufschrei bremst uns noch rechtzeitig. Dafür paart sich vor der Scheune ihre Münsterländer-Hündin mit dem Rüden unseres Wirtes. Der den Hunden zugedachte Eimer mit kaltem Wasser hätte unseren schweren Köpfen sicher mehr genutzt.

Das geschah also in Pagelinen / Horstenau an der Kleinbahnstrecke Insterburg-Skaisgirren im Sommer 1940. Die Heimat ging danach verloren. Die „Wilhelm Gustloff“ entführte das Ferienkind. Man möchte lachen – muß aber weinen. Horst Redetzky


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