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14.02.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-09 vom 14. Februar 2009

Besondere Leistungen / Wie Opa Alan die Lawine dirigierte, wohin das ganze Geld verschwunden ist, und wo die Räuber schon wieder ans Werk gehen
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Die spannendste Frage ist natürlich die: Wo ist das viele Geld eigentlich hingegangen, das jetzt überall fehlt? Dazu hört man nur wenig, und wenn, dann schwirren verschwommene Vokabeln wie „verzockt“, „verspekuliert“ oder „verbrannt“ durch die Debatte, mit der wir nicht viel anfangen können.

Denn haben wir irgendwo Geld brennen sehen? Sicher nicht, sonst wären wir ja löschen gegangen und hätten uns vieleicht ein paar von den nassen Lappen für die aussichtstrüben nächsten Jahre eingesteckt. Will man uns womöglich an der Nase herumführen?

In stillen Stunden kommt einem der garstige Verdacht, daß da gar kein Rauch ist, sondern Kunstnebel, der von interessierter Seite versprüht wird. In solchen Momenten des Brütens und Sinnierens abseits der schrillen Ka­tastrophenmeldungen steigen alte Weisheiten in uns auf, die unser Unterbewußtsein gegen alle Schwatz-Attacken der Finanzmarktspezialisten zäh verteidigt hat.

Eine davon lautet: Geld verschwindet nicht, wenn es weg ist, hat es nur jemand anders. Das gilt indirekt auch für Zeiten galoppierender Inflation, wenn die Wertlosigkeit des ungedeckten Geldes mit einem Schlag ans Licht kommt: Vorher haben die Blender und Profiteure nämlich den Gutgläubigen ihre Sachwerte für quasi nichts aus der Tasche gelockt. Nach dem Knall sitzen die Gerupften da mit den wertlosen Schnipseln, während ihr Vermögen einen anderen erfreut.

Wer so einen Beutezug erfolgreich durchziehen will, benötigt indes ein feines Näschen. Er muß die Anzeichen der Lawine erkennen können, bevor der Geldwert in den Abgrund rast.

Noch besser ist es allerdings, wenn man mit demjenigen gemeinsame Sache macht, der oben am Gipfel steht und das Desaster im abgesprochenen Moment lostritt. Wer so einen Draht sein eigen nennt, der kann in aller Ruhe absahnen und sich rechtzeitig vor dem Abgang der Lawine von der Piste machen.

Der Mann da oben war ein netter alter Herr, Typ lustiger Opa. Opa Alan, den wir respektvoll Mr. Greenspan nennen, weil wir nicht zu seiner Bänker- und Brokerfamilie gehören, war Chef der US-Notenbank Fed von 1987 bis 2006. Von seiner Höhe herab dirigierte er die wohl gigantischste unbewaffnete Beutefahrt der Menschheitsgeschichte.

Als erstes senkte er die Zinsen auf historisch niedriges Niveau. Das macht man so, wenn es der Wirtschaft schlechtgeht, damit Kredite billiger werden und die Firmen wieder investieren können. Mr. Greenspan hielt die Zinsen aber auch dann noch im Keller, als der Laden schon längst wieder auf Hochtouren brummte, womit das Spiel beginnen konnte.

Eine Folge der (gegen alle bisherigen Regeln niedrig gehaltenen) Greenspan-Zinsen ist weithin bekannt: Heuschrecken konnten sich die Taschen vollstopfen mit billigsten Krediten und darauf solche Geldkohorten in Marsch setzen, daß ganze Volkswirtschaften in Schrecken versetzt wurden.

Der anderen Seite der Medaille wird weniger Aufmerksamkeit geschenkt, sie gehört aber zwingend dazu, zu Mr. Greenspans Lawine: Weil die Zinsen so niedrig waren, daß Normalsparer mit Normalkonto nach Abzug der Inflation jedes Jahr Geld verloren, mußten sie sich förmlich nach Alternativen umsehen.

Der verständliche Gram über das Dahinschmelzen ihrer Ersparnisse trieb schließlich pensionierte Studienräte und sparsame Hausfrauen, ahnungslose Angestellte und konservative Mittelständler in den Dschungel der alternativen Anlageformen, wo sie im Gewirr der Renditeversprechen schon bald vom Weg abkamen. In dem chaotischen Dickicht lauerten ihnen die räudigen Geldfüchse auf und wanden der verwirrten Schar das Geld mit funkelnden „Finanzinstrumenten“ aus der Hose.

Die Ärmsten ließen sich willig ausplündern, zumal sie sowieso nicht verstanden, was da vor sich ging. Die Räuber brachten es sogar fertig, daß ihre Opfer sie für ihre Freunde hielten, die sie gut versorgten Tagen entgegenführen würden. Dabei half den Geiern, daß ihr Handstreich von wunderschöner Musik untermalt wurde, den sogenannten „Ratings“. Die Rating-Künstler gehören wahrscheinlich mit zum Klub der Gauner und sorgten mit ihren „AAA“-Gesängen für optimistische Stimmung unter den Raubopfern.

Dann kam der Moment, als sich das Schneebrett zu lösen begann. Flugs klemmten sich die Beutemacher alles Verwertbare als „Bonus“ unter den Arm, warfen die leeren, aber hochgiftigen Hüllen ihrer Instrumente ins Gestrüpp zu den Geprellten zurück und setzten sich ab in die sicheren Gefilde wirklich stabiler Anlagen. Ihre Opfer rauschten derweil auf dem Müll mit der Lawine talwärts.

Da hocken sie nun, jappen nach Luft und frieren und wissen nicht wohin mit dem toxischen Kehricht. Ständig platzt irgendwo eine neue Instrumentenhülle auf, aus der weiterer Unrat hervorquillt, der sie noch tiefer in den stinkenden Schnodder einsinken läßt.

Während den Ottonormalen der Mist nun bis zum Hals steht und ihnen langsam die Luft abdrückt, müssen sie zu allem Überfluß einem frivolen Schauspiel zusehen, das ihnen vollends den Atem raubt: Die Beutezügler schämen sich nicht einmal, rotzfrech an den Ort des Verbrechens zurückzukehren, um das verwüstete Feld seelenruhig nach den letzten brauchbaren Krümeln abzusuchen.

Sie sind nämlich noch lange nicht satt. So wurde jetzt bekannt, daß die „Royal Bank of Scotland“, kurz RBS, dabei ist, Bonuszahlungen für ihre Mitarbeiter in einer Gesamthöhe von einer Milliarde Pfund vorzubereiten – für ihre besonderen Leistungen im Jahre 2008. 2008 mußten die britischen Steuerzahler der RBS mit 20 Milliarden Pfund unter die Arme greifen, damit die Bank nicht untergeht. Sie ist jetzt zu 70 Prozent in Staatshand.

Dem zornigen Aufschrei der Briten begegnen die bonusfetten RBS-Banker mit einem Schauspiel an getürkter Naivität, dem man schon wieder applaudieren wollte, wenn einem nicht so sehr nach Feuerspeien zumute wär: Die zu 70 Prozent verstaatlichte Bank habe ja noch immer Geschäftsbereiche, die äußerst erfolgreich wirtschafteten. Und dafür müsse es nunmal „angemessene“ Sonderzahlungen zusätzlich zum auch nicht mickrigen Grundgehalt geben.

Mit anderen Worten: Nachdem wir unseren ganzen Schrott beim Steuerzahler abgeladen haben, gehen wir frisch und unbelastet wieder ans Werk und fordern dafür selbstverständlich unsere Milliarde. Man muß an einen Kapitän denken, der sein Schiff fahrlässig auf eine Klippe gesetzt hat, wobei der gesamte vordere Teil kaputtging, und der danach eine Prämie verlangt, weil er das Heck doch immerhin heil nach Hause gebracht habe.

Britische Parlamentsabgeordnete erinnerten unter dem Eindruck der RBS-Bonuspläne an vergangene Finanzkrisen: Damals sei vorgeschlagen worden, die verantwortlichen Bänker in einen Sack mit Schlangen zu stecken und in die Themse zu werfen. Ein Glück für die Bänker, daß die EU-Wasserschutzrichtlinie solcherlei heute untersagt.

Allerdings: Wer hält sich denn in solchen Zeiten an die europäischen Regeln? Frankreichs Präsident Sarkozy forderte seine Autoindustrie gerade auf, ihre Produktionsstätten im Ausland, wörtlich nannte er Böhmen, zu schließen und nach Frankreich zu verlagern, damit besser die Tschechen arbeitslos werden als die Franzosen. Das klingt vielleicht patriotisch, mit dem europäischen Mantra von offenen Märkten und der Absage an „Protektionismus“ hat das aber soviel zu tun wie die deutsch-französische Freundschaft mit Jena und Auerstedt. Immerhin werden die Tschechen nun einen Seufzer der Erleichterung gen Himmel schicken, daß Skoda 1990 nicht an Renault ging, sondern bei Volkswagen Unterschlupf fand.


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