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21.02.09 / Berlin auf die Finger klopfen? / Karlsruher Richter beraten jetzt intern über den EU-Vertrag

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-09 vom 21. Februar 2009

Berlin auf die Finger klopfen?
Karlsruher Richter beraten jetzt intern über den EU-Vertrag

Die mündliche Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht ist vorbei. Die detaillierten Fragen der Richter während dieser lassen vermuten, daß sie den Lissabon-Vertrag nicht ohne Vorgaben durchwinken werden.

Ob denn alle Beteiligten wirklich über ein und denselben Vertrag sprächen, kam die Frage von Seiten der Richter. Doch die eher scherzhaft gemeinte Frage entbehrte nicht eines tiefen Kerns, denn während Vertreter der Bundesregierung betonten, wie transparent doch der Lissabon-Vertrag sei, bemängeln die Kläger das Fehlen jeglicher Transparenz. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler, die Linke-Fraktion des Bundestages und eine Gruppe um den Tübinger Europarechtsexperten Joachim Starbatty haben das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angerufen und wollen nun, daß die Richter des Zweiten Senats entscheiden, ob der EU-Reformvertrag von Lissabon grundgesetzkonform ist. Tatsächlich hatten die Richter viele Fragen. Zu viele Fragen, wie so mancher Beobachter meinte.

Vor allem Richter Udo di Fabio wurde von den Befürwortern des Vertrages aufmerksam beäugt. Der Chef der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, Martin Schulz, unterstellte ihm bei der mündlichen Verhandlung sogar eine ideologisch motivierte Argumentation. Von di Fabio, in Schulz’ Augen ein eindeutiger EU-Skeptiker, habe er ja nichts anderes erwartet, aber auch die anderen Richter, so der SPD-Politiker, hätten Fragen gestellt, die besorgniserregend seien: „Also die Fragen der strafrechtlichen Elemente, die da aufgeworfen worden sind, die Frage des Freiheitszuwachses oder der Freiheitsreduzierung – das hat mich bestürzt.“ Bestürzt reagierte auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Nachdem er auf die Erfolge der gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik verwiesen hatte, wurde er gefragt, inwieweit es ein Gewinn für die Freiheit sei, wenn der nationale Staat Kernkompetenzen wie Inneres und Justiz an die EU abgebe. Schäuble wich der Frage aus und spielte damit den Klägern zu, die kritisieren, daß der nationale Staat zu viel Einfluß an Brüssel abgebe.

Auch in anderen Punkten widersprachen die Befürworter und Gegner des Lissabon-Vertrages einander in einem beachtlichen Ausmaß. So ist laut den Klägern das Wahlrecht zum EU-Parlament, das kleine Staaten gegenüber großen wie Deutschland bevorzugt, „kraß demokratiewidrig“ und somit „undemokratischer als das preußische Dreiklassenwahlrecht“. Der Rechtsvertreter des Bundestages, der Berliner Verfassungsrechtler Ingolf Pernice, hingegen unterstellte den Klägern, viel zu sehr in Vorstellungen des 19. Jahrhunderts verhaftet zu sein. Sie sollten aufhören, ständig zu befürchten, die EU würde zu einem eigenen, alle Mitgliedsländer überspannenden Bundesstaat. Die EU sei etwas ganz Neues und deswegen müßten auch die klassischen Kriterien für Demokratie und Souveränität neu gedacht werden. Das zum Neu-Denken durchaus auch ein Gang nach Karlsruhe gehören kann, scheint den Befürwortern des Lissabon-Vertrages jedoch nicht genehm. Sie fürchten allein die Vorstellung, Karlsruhe könnte das Prestige-Projekt der Großen Koalition unter Führung von Angela Merkel kippen. Überhaupt dürften nur wenige Mitglieder des Bundestages die Einstellung der FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin teilen. Die ist nämlich überzeugt, daß die Klagen gut seien. „Denn sie führen zur öffentlichen Beschäftigung mit dem, was in Brüssel und Straßburg passiert – und das geschieht in Deutschland noch viel zu wenig.“

Damit, daß die Karlsruher Richter nach den folgenden, internen Beratungswochen den Lissabon-Vertrag von deutscher Seite verhindern, rechnet keiner. Allerdings lassen die vielen Fragen der Richter vermuten, daß sie Einfluß auf die deutschen Begleitregelungen zum Vertrag nehmen werden. So sind Anweisungen zur Auslegung bestimmter, vom Gericht als intransparent eingestufter Vorschriften, einseitige Erklärungen und Protokolle wahrscheinlich. Rebecca Bellano

Foto: Die Richter hatten viele Fragen: Der Vorsitzende des Zweiten Senats Andreas Voßkuhle (2.vl.) eröffnete die Prozeßtage. Bild: ddp


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