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21.02.09 / Spiel mit vielen Unbekannten / US-Finanzminister Timothy Geithner: Sein Bankenrettungsplan hinterließ viele besorgte Gesichter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-09 vom 21. Februar 2009

Spiel mit vielen Unbekannten
US-Finanzminister Timothy Geithner: Sein Bankenrettungsplan hinterließ viele besorgte Gesichter

Mit bis zu 1000 Milliarden Dollar will Obamas Finanzchef die US-Banken von ihren faulen Papieren befreien. Die Zweifel wachsen.

War er einfach nur schlecht vorbereitet, oder tappt Timothy Geithner im Dunkeln, ohne Plan? Die Reaktionen auf den ersten großen Auftritt des frischgebackenen US-Finanzministers standen in krassem Kontrast zu den Jubelsprüngen, die die Wall Street aufführte, als Barack Obama den Ex-Chef der New Yorker Fed vergangenen November zum künftigen Finanzminister ausrief. Kurz nachdem Geithner letzte Woche seinen Bankenrettungsplan vorgestellt hatte, sausten die Börsenkurse in die Tiefe.

Der Bush-Regierung hatte Obama vorgeworfen, bei ihren Maßnahmen zur Stabilisierung des schwer angeschlagenen Finanzwesens zu sehr an der Oberfläche zu kratzen. Statt dessen müsse man das Problem an der Wurzel packen. Und der weltweit gefeierte Hoffnungsträger erweckte durch sein emsiges Treiben in den Wochen zwischen seiner Wahl und dem Amtsantritt am 20. Januar tatsächlich den Eindruck, vom ersten Tag an perfekt vorbereitet ans Werk gehen zu können.

Was sein Finanzminister nun vorstellte, blieb aber anders als erhofft sehr im Ungenauen. Details, so Geithner, würden später nachgeliefert. Soviel ließ er immerhin wissen: Die US-Regierung will 500 Milliarden Dollar mobilisieren, um unverkäufliche, „giftige“ Wertpapiere aufzukaufen und in einer sogenannten Bad Bank zu lagern. Dazu sollen, und das ist der Kniff, nicht nur Steuergelder fließen. Auch Privatinvestoren sollen sich beteiligen. Zudem sollten die schlingernden Geldinstitute einem „Streßtest“ unterzogen werden, um herauszubekommen, welche überhaupt noch gerettet werden können und wo jeder weitere Steuer-Cent ohnehin verloren wäre. Sollten die 500 Milliarden nicht reichen, peilt Geithner auch eine Verdoppelung des zu mobilisierenden Kapitals auf eine Billion an.

Zudem soll die US-Notenbank Fed ihr Programm zur Ankurbelung des Kreditflusses an Kleinunternehmer und Verbraucher von derzeit 200 Milliarden Dollar auf eine Billion erweitern. Außerdem will Geithner von Zwangsversteigerung bedrohten Hausbesitzern stärker unter die Arme greifen. Ausführungen dazu, wie das genau geschehen soll, blieb er schuldig.

Beobachter vermuten indes, daß es weniger die Ungenauigkeit Geithners war, welche die Enttäuschung auf dem Parkett ausgelöst habe. Vielmehr habe die Forderung an private Investoren, vornehmlich Banken, sich an der Finanzierung der „Bad Bank“ zu beteiligen, für die Enttäuschung an der Wall Street gesorgt. Zudem sei die Ankündigung eines „Streßtests“ mit Beklemmung aufgenommen worden.

Offenbar hatten sich die Finanzdienstleister auf eine „Bad Bank“ gefreut, die ihnen auf Steuerzahlerkosten ohne Ansehen des Instituts die Bilanzen ausmistet, indem sie ihnen all die verbrieften Ramschkredite und andere praktisch unverkäuflichen „Vermögenswerte“ abnimmt. Aber: Kann Geithners Plan überhaupt aufgehen? Die Frage ist: Wie will er private Investoren dazu bringen, sich am Kauf „ausgebombter“ Wertpapiere zu beteiligen? Wer kauft so etwas? Am Ende, so wird befürchtet, müßte er sie mit staatlichen Garantien für den Fall locken, daß die Papiere wertmäßig am Boden bleiben und nicht, wie erhofft, irgendwann – womöglich sogar mit Gewinn – wieder verkauft werden können. Das aber hieße abermals: Fällt Gewinn an, geht ein Großteil davon in private Hände, gibt es nur Verluste zu verteilen, bliebe der Staat allein darauf sitzen.

Über den Gesamtumfang der unter die Räder gekommenen Wertpapiere, die in den US-Bankenbilanzen schlummern, kursieren sehr unterschiedliche Zahlen, unter einer Billion Dollar liegt keine der Schätzungen mehr. Und die Summe wächst mit der Krise: Je mehr beliehene Sachwerte wie Häuser oder Fabriken an einlösbarem Marktwert verlieren, desto mehr Kredite und Kreditderivate fallen unter die Kategorie „toxisch“.

Die schärfsten Kritiker zweifeln indes die ganze Richtung an. Ziel des Bankenrettungsplans sei es schließlich, die Institute wieder zu mehr Risikofreude bei der Kreditvergabe zu ermuntern. Die Kritiker weisen darauf hin, daß es gerade die Fahrlässigkeit beim maßlosen Geldverleihen gewesen sei, die in die derzeitige Krise geführt habe. Wenn die Banken nun vorsichtiger würden, sei dies erstens eine Lehre aus den vergangenen Fehlern und zweitens eine logische Folge der Rezession, und nicht deren Ursache. In Zeiten grassierender Firmenzusammenbrüche und Privatinsolvenzen schaue jeder verantwortungsbewußte Bankier eben zweimal hin, wem er Kredit gibt.

Besorgte Ökonomen warnen überdies davor, daß sich die Industriestaaten insgesamt, also bei weitem nicht nur die USA, mit ihren gigantischen Bankenrettungs- und Konjunkturprogrammen verheben könnten. Es sei ein heikles Spiel auf Zeit, das nur gut gehen könne, wenn die Volkswirtschaften in absehbarer Zeit wieder ansprängen. Und die bisher ausgestreuten Steuermilliarden hätten erstaunlich wenig bewirkt.

Indes mehren sich die Stimmen, die von einer längeren Dauer der Krise ausgehen, vielleicht gar von mehreren Jahren. Das aber hieße, daß etlichen Ländern vor der ersehnten Erholung die Puste ausgehen könnte, weil alle Mittel ausgeschöpft sind. Fest steht jedenfalls, daß die Staaten eine derartige Steigerung ihrer Schulden wie derzeit nicht etliche Jahre durchhalten können. Der kritische Punkt ist erreicht, wenn die Anleger das Vertrauen in die Regierungen verlieren und aus den Staatsanleihen fliehen. Zunächst müßten die Regierungen immer höhere Zinsen auf die Anleihen zahlen, um doch noch neue Anleger zu ködern. Die Lasten der Schuldendienste wüchsen ins Unermeßliche. Am Ende stünde die Insolvenz, der Staatsbankrott. So oder so müssen die derzeit aufgehäuften Schulden künftig mit Zinsen bedient werden, welche künftige Generationen belasten. „Irgendwann ist Zahltag“, raunt der österreichische Finanzminister Josef Pröll. Auch Timothy Geithners Plan kann letztlich nur aufgehen, wenn die US-Konjunktur in absehbarer Zeit wieder nach oben zeigt und die derzeit unverkäuflichen, „toxischen“ Wertpapiere wieder handelbar werden. Bislang jedoch verharren die sogenannten Frühindikatoren, die einem beginnenden Aufschwung lange im voraus anzeigen, trotz gelegentlicher Schwankungen im Keller. Hans Heckel

Foto: Die letzte Patrone verschossen? Obamas Finanzminister Timothy Geithner (r.) wirkt bedrückt. Bild: pa


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