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07.03.09 / Strom, der aus der Wüste kommt / Können solarthermische Kraftwerke den weltweiten Energiebedarf decken?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-09 vom 07. März 2009

Strom, der aus der Wüste kommt
Können solarthermische Kraftwerke den weltweiten Energiebedarf decken?

Deutsche Solarforscher unternehmen einen neuen Anlauf, die Kraft der Sonne für die Menschheit nutzbar zu machen. Das kühne Projekt namens „Desertec“: In der Sahara wird Strom erzeugt und über neuartige Gleichstromleitungen nach Europa transportiert.

Kilometer um Kilometer reihen sich gewaltige Spiegel aneinander, bündeln das Licht der Sonne ins für das menschliche Auge Unerträgliche, geben der kargen Landschaft ein völlig neues, nicht unbedingt schöneres Gesicht. Hightech mitten in der Sahara, die Wüste lebt, aber ganz anders als Walt Disney und James Algar es sich vorgestellt hatten, als sie vor 56 Jahren ihren Dokumentarfilm-Klassiker drehten.

Noch ist das Bild der Sahara als Standort gigantischer Solarkraftwerke Fiktion. Wie es dereinst aussehen könnte, läßt sich aber schon heute besichtigen. Man nehme die A92 von Granada nach Almeria und schütze seine Augen mit einer starken Sonnenbrille: Auf der Hochebene von Guadix ist die energiepolitische Zukunft bereits Wirklichkeit geworden. Auf einer Fläche von hundert Fußballfeldern hat Ende 2008 die Solaranlage „Andasol-1“ den Testbetrieb aufgenommen.

Das technische Zauberwort heißt Solarthermik. Dabei wird das Sonnenlicht nicht wie bei der Photovoltaik in Solarzellen direkt in elektrische Energie umgewandelt. Vielmehr wird es mit Spiegeln gebündelt, erhitzt Wasser oder ein spezielles Thermik-Öl. Der Rest läuft im Prinzip ab wie bei konventionellen Wärmekraftwerken: Der heiße Wasserdampf treibt Turbinen an, in denen Strom erzeugt wird.

Die Idee, auf diese Weise im großindustriellen Maße Strom zu erzeugen, ist nicht neu. Schon vor einem Vierteljahrhundert wurde in Kalifornien ein solarthermisches Versuchskraftwerk errichtet. In der Praxis zeigte sich aber, daß diese Technik viel zu teuer war; ferner sprach der immense Flächenbedarf dagegen.

In der Tat braucht man in Südspanien für eine eher mäßige Leistung von 50 Megawatt eine Fläche von 500000 Quadratmeter; insgesamt 15000 gewölbte Spiegel bilden aneinandergereiht eine gleißende Schlange von 60 Kilometern.

Die Erzeugerkosten liegen aktuell bei 20 Cent pro Kilowattstunde. Zum Vergleich: Windenergie läßt sich in Deutschland derzeit etwa zum halben Preis erzeugen, Strom aus Solarzellen kostet doppelt so viel, konventionell erzeugter Strom hingegen nur zwei bis drei Cent, vor allem dank preisgünstiger Kernkraftwerke (zur Klarstellung: dies sind Herstellungskosten und keine Verkaufspreise!).

Theoretisch wäre es tatsächlich möglich, den gesamten Energiebedarf der Menschheit von der Sonne decken zu lassen. Unser Zentralgestirn bestrahlt im Mittelwert jeden Quadratmeter Erde mit fast 1400 Kilowatt. Pro Jahr empfängt unser Planet 1500 Billiarden (1,5 x 1018) Kilowattstunden Solarenergie frei Haus. Das entspricht etwa dem 15000fachen dessen, was wir Menschen derzeit verbrauchen.

Energie zum Nulltarif jedoch ist und bleibt ein Traum. Die Technik, um Sonnenlicht und -wärme in nutzbare Energie umzuwandeln, ist teuer. Zwar wird sie billiger, konkurrenzfähig kann sie aber nur werden, wenn Kohle, Öl und Gas knapper und teurer werden. Auch dann werden die alternativen Energieträger mit den Atomkraftkosten nicht mithalten können, zumal wir möglicherweise irgendwann auch noch die Fusionsenergie als weiteren Mitbewerber haben.

Neben den Kosten machen den Solarstromplanern zwei technische Probleme  zu schaffen: Transport und Speicherung. Beides glauben die Planer des Wüstenprojekts „Desertec“ in 20 bis 30 Jahren zu beherrschen. Dann lägen die Kosten pro Kilowattstunde bei fünf Cent plus zwei Cent für den Transport. Ein neues Hochspannungsnetz (s. unten) würde allerdings Investitionen von 400 Milliarden Euro verschlingen.

Der Solarstrom, der aus der Wüste kommt, vielleicht für immer eine schöne Fiktion. Vielleicht, aber auch, in Kombination mit anderen alternativen Energiequellen, eine realistische Option für die fernere Zukunft.      Hans-Jürgen Mahlitz

Foto: Das Prinzip solarthermischer Kraftwerke: Parabolspiegel bündeln das Sonnenlicht ähnlich wie ein Brennglas und erhitzen dadurch Wasser. Der Dampf treibt dann Turbinen an und erzeugt somit Strom.

 

 Zeitzeugen

Ludwig Bölkow – Der 1912 in Schwerin geborene Ingenieur und Unternehmer ist vor allem als Flugzeugbauer bekannt. Während des Zweiten Weltkriegs war er an der Entwicklung des ersten Düsenjägers Me 262 beteiligt. Nach Kriegsende war Bölkow als Unternehmer und bis ins hohe Alter weiterhin als innovativer Ingenieur erfolgreich. So wirkte er an der Entwicklung des Transrapid mit, erarbeitete Konzepte zur Speicherung von Wasserstoff als umweltschonenden Energieträger und plante Solaranlagen in Wüstengebieten.

 

Hassan ibn Talal – Der 61jährige Onkel des jordanischen Königs Abdullah II. war von 2000 bis 2006 Präsident des „Club of Rome“. Talal engagiert sich intensiv für das Solarstromprojekt „Desertec“ und hat wesentlich dazu beigetragen, daß sich inzwischen auch Länder wie Marokko, Algerien, Ägypten und Israel für diese Technik interessieren. Besonders wichtig für diese Regionen: Die Effektivität solcher Kraftwerke ließe sich steigern, wenn man sie mit Prozeßwärme-Gewinnung zur Meerwasserentsalzung koppelt.

 

Christoph Richter – Der promovierte Chemiker zählt zu den Pionieren der Solarthermik. Er leitet das Team des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) an der Solar-Versuchsanlage im südspanischen Tabernas (Plataforma Solar de Alméria/PSA). Richter ist sicher, daß diese Technik schon in 15 bis 20 Jahren mit fossilen Brennstoffen konkurrieren kann. Dabei setzt er vor allem auf eine Erhöhung des thermischen Wirkungsgrads, also des Anteils am Sonnenlicht, der  als Strom nutzbar wird.

 

Eicke Weber – Der 58jährige Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg sieht das Wüstenprojekt „Desertec“ eher skeptisch. Er verweist darauf, daß Solarthermik nur in Regionen anwendbar sei, die sowohl über ausreichend Sonneneinstrahlung als auch über genug Kühlwasser verfügen; letzteres fehle aber mitten in der Sahara. Auch glaubt er nicht an deutliche Kostensenkungen. Die erwartet Professor Weber jedoch bei der Photovoltaik, die seiner Ansicht nach schon im Jahr 2020 über 15 Prozent des Stroms in Deutschland liefern könnte.


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