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07.03.09 / Bundesland auf der Kippe / HSH Nordbank bringt Schleswig-Holstein an den Rand des Ruins – Notfusion mit Hamburg?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-09 vom 07. März 2009

Bundesland auf der Kippe
HSH Nordbank bringt Schleswig-Holstein an den Rand des Ruins – Notfusion mit Hamburg?

Weil auch in den vergangenen Jahren munter weiter Schulden gemacht wurden, trifft das Desaster der Landesbank Kiel besonders hart. Landeseigentum, das man zu Geld machen könnte, ist auch keines mehr da.

Die Deutschen haben offenbar eine Hornhaut aus Fatalismus gebildet. Die täglichen Schreckensnachrichten aus Finanz- und Wirtschaftswelt haben eine weitere Verbesserung des Konsumklimas in der Bundesrepublik nicht aufhalten können. Seit Oktober zeigt der GfK-Konsumklimaindex nun durchgehend, wenn auch nur moderat, nach oben.

Daran konnte auch das neueste Landesbank-Desaster nichts ändern. Und doch ist die Krise mit der dramatischen Schieflage der HSH Nordbank offenbar in neue Sphären vorgedrungen. Hier könnte am Ende ein ganzes Bundesland gleichsam von der Landkarte gefegt werden. Gleich nachdem bekannt wurde, daß Hamburg und Schleswig-Holstein  Finanzspritzen von je etwa 1,5 Milliarden Euro und zudem eine Bürgschaft über zusammen zehn Milliarden Euro stemmen müssen, wurde die Frage gestellt, ob das nördlichste Bundesland den Kraftakt überstehen kann.

Der Fraktionschef der oppositionellen Grünen im Kieler Landtag, Karl-Martin Hentschel, sieht schwarz für Schleswig-Holsteins Zukunft als eigenständiges Bundesland: „Das Land ist pleite, und wenn die Rettung der HSH scheitert, bleibt Schleswig-Holstein nur die Wahl zwischen einer Zwangsverwaltung durch den Bund oder einer Fusion mit Hamburg.“

Mit wenigen Ausnahmen hatten es Bund und Länder in den vergangenen Jahren geschafft, ihre Neuverschuldung bis auf nahe Null zu mindern oder gar wieder leichte Überschüsse in den laufenden Haushalten zu erreichen. Nicht so Schleswig-Holstein: Selbst die konjunkturell guten Jahre 2007 und 2008 schloß das von einer Großen Koalition regierte Land mit einem Defizit von je 600 Millionen Euro ab, bei einem Gesamtetat von gerade einmal rund zwölf Milliarden. Die neuen Belastungen bedrohen also einen Haushalt, der schon zuvor keinen Boden finden konnte.

Hinzu kommt, daß die Nordlichter kein Tafelsilber, also verkaufbaren Landesbesitz mehr haben. Um die ausufernden Budgets zu finanzieren, hat Schleswig-Holstein in der Vergangenheit bereits alles zu Geld gemacht, was zu privatisieren war.

Auf der anderen Seite löst die mit der Föderalismusreform geplante „Schuldenbremse“ ab 2020 bereits heute Angstschübe aus. Für die Vorsitzende des „Südschleswigschen Wählerverbandes“ (SSW), der Partei der dänischen Volksgruppe, Anke Spoorendonk, hat das „Land eine Schlinge um den Hals – am einen Ende des Seils zieht die Föderalismuskommission, am anderen Ende der Vorstand der HSH Nordbank“.

Die politische Führung um Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) und SPD-Landeschef Ralf Stegner wiegelt noch ab: Eine Fusion stehe nicht auf der Tagesordnung. Auch Hamburg schaut eher beklommen auf die Fusionsphantasien. Man fürchtet, vom maroden Nachbarn noch tiefer in den Schlamassel gezogen zu werden. Dem Stadtstadt geht es zwar besser, sowohl was das Vorhandensein von Tafelsilber angeht als auch die zuletzt annähernd ausgeglichenen Landesetats. Doch auch die Hanseaten fürchten, daß lange nicht klar ist, ob die jüngste Unterstützung für die Nordbank wirklich die letzte war, oder ob weitere Löcher nur auf ihre Entdeckung warten.

Denn wie in anderen Fällen von Beinahe-Zusammenbrüchen oder dramatischen Schieflagen stecken hinter dem HSH-Nordbank-Desaster abermals Milliardeninvestitionen in jene sattsam bekannten „Kreditderivate“ aus den USA. Alle sieben Landesbanken zusammen sitzen dem Vernehmen nach auf solchen Papieren im Wert von 300 Milliarden Euro, für die letztlich der Steuerzahler bürgt.

Wie kam es zu diesen Schulden, was hatten die staatlichen Banken überhaupt auf dem hochriskanten Derivatemarkt verloren, fragen sich die geschockten Bürger. Die Geschichte beginnt 2001. Einst machten die Landesbanken ihr Geschäft damit, Geld an den Kapitalmärkten aufzunehmen und dieses Kredite dann zu höheren Zinsen weiterzuverleihen. Das war ein gutes Geschäft, weil für die Landesbanken per „Gewährträgerhaftung“ die Länder geradestanden. Daher hatten die Landesbanken die beste Bonitätsstufe AAA und konnten ihre Kredite entsprechend billig bekommen. 2001 aber setzten die Privatbanken bei der EU durch, daß die Gewährträgerhaftung als Wettbewerbsverzerrung verboten wurde.

Dabei bekamen die Landesbanken aber eine Schonfrist bis 2005. Die Frist nutzten die Landesinstitute als letzte Gelegenheit, billig an Kredite zu kommen, weidlich aus und holten sich gigantische Darlehen, von denen die letzten erst 2015 beglichen werden müssen.

Womit indes ein neues Problem auftrat: Was tun mit dem vielen Geld? Es gab in ihrem Betätigungsfeld, vor allem der Förderung des heimischen Mittelstandes, nicht auch nur annähernd soviel attraktive Kreditnachfrage, wie die Landesbanken selbst an günstigem Kredit vom Kapitalmarkt geholt hatten.

In diesem Moment traten die amerikanischen Händler mit den „verbrieften Kreditderivaten“ auf den Plan, jenen Papieren, die heute als „toxische Papiere“ oder gar „finanzielle Massenvernichtungswaffen“ bezeichnet werden. Dahinter verbargen sich unter anderem jene Ramschkredite an US-Häuslebauer, denen (der Bonität nach) nie ein Kredit hätte eingeräumt werden dürfen.

Die HSH Nordbank beispielsweise hat (bei einer Bilanzsumme von 200 Milliarden Euro, mehr als das Bruttoinlandsprodukt beider Länder zusammen) nur etwa zehn Milliarden Euro an heimische Mittelständler ausgeliehen.  Demgegenüber sind 30 Milliarden in den berüchtigten Kreditderivaten investiert. Deren realer Wert? Niemand kennt ihn, alle befürchten aber Übles.

Insider prophezeien der HSH angeblich weitere zwei Milliarden Euro Verlust bis Ende 2010. Wie in anderen Fällen, etwa der Hypo Real Estate, rechnen sie also damit, daß die ganze Wahrheit erst scheibchenweise ans Licht kommen wird. Wie Hohn klingt da die Versicherung von Hamburgs Erstem Bürgermeister Ole von Beust, daß die HSH-Verluste keine „direkte“ Auswirkung auf die Stadt haben würden. Seine CDU ist bei der jüngsten Umfrage auf 36 Prozent abgesackt. Noch im vergangenen November lagen die Hamburger Christdemokraten bei 44 Prozent.           Hans Heckel

Foto: „Schlinge um den Hals“: Landesväter Carstensen und Beust in der Klemme


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