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07.03.09 / Im Zwiegespräch mit Käthe Kollwitz / Das Wiener Leopold Museum zeigt zum ersten Mal eine große Retrospektive mit Werken von Ernst Barlach

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-09 vom 07. März 2009

Im Zwiegespräch mit Käthe Kollwitz
Das Wiener Leopold Museum zeigt zum ersten Mal eine große Retrospektive mit Werken von Ernst Barlach

In der bisher umfangreichsten Barlach-Retrospektive in Österreich präsentiert das Wiener Leopold Museum das Werk des Bildhauers. Mehr als 40 Skulpturen und über 100 Zeichnungen geben Einblick in das Œuvre von Ernst Barlach (1870–1938), eines der bedeutendsten deutschen Expressionisten. Eine Gegenüberstellung von ausgewählten Arbeiten der Königsbergerin Käthe Kollwitz (1867–1945) ergänzt die Schau.

Kollwitz – Barlach, zwei Künstler, die oft miteinander verglichen werden, manches Mal sogar miteinander verwechselt. Vieles, was sie schufen – Zeichnungen, Druckgraphik und Plastiken –, weist Gemeinsamkeiten auf. Und doch ist künstlerisch jeder seinen eigenen Weg gegangen. Immer wieder einmal sind sie sich als Mitglieder der Berliner Sezession begegnet, eine persönliche Freundschaft pflegten sie jedoch nie.

Schon 1898 trafen auf der Großen Berliner Kunstausstellung ihre Werke aufeinander. Käthe Kollwitz war mit ihrem „Weberaufstand“ zu sehen, während Barlach seine „Krautpflückerin“ und ein Grabrelief präsentierte. Anders als Barlach, der 1906 auf seiner Reise nach Rußland dem Elend der Bevölkerung begegnete und durch dieses zu seinen Arbeiten angeregt wurde, hat die Königsbergerin Käthe Kollwitz durch eigenes schweres Leid wie den Tod des Sohnes Peter im Ersten Weltkrieg und durch die Eindrücke, die sie als Frau des Armenarztes Hans Kollwitz in Berlin erhielt, wesentliche Impulse für ihr Schaffen erhalten. Sie steht mitten im Leben, während Barlach eher als der Künstler gilt, welcher der Welt entsagt. So sind denn auch seine Arbeiten mehr ein Sinnbild für die Situation im Alltag der Menschen, zeigen sie Gottsucher und Wahrheitsverkünder. Gemeinsam aber ist beiden Künstlern der Kampf gegen alles Unmenschliche.

Käthe Kollwitz äußert wiederholt ihre Bewunderung für den Künstlerkollegen. „Gestern mit Professor Kern in den Sezessionen gewesen“, notierte sie am

25. Juni 1920 in ihrem Tagebuch. „Da sah ich etwas, was mich ganz umschmiß: das waren Barlachs Holzschnitte. Heut hab ich meine Steindrucke wieder angesehn und hab wieder gesehn, daß sie fast alle nicht gut sind. Barlach hat seinen Weg gefunden und ich hab ihn noch nicht gefunden.“

Ernst Barlach hingegen verhält sich Käthe Kollwitz gegenüber zurückhaltender. Es existieren nur wenige Schriftstücke, in denen er die Kollegin namentlich erwähnt, zu ihren Werken äußert er sich nie.

Als Barlach im Oktober 1938 in einem Rostocker Krankenhaus stirbt, fährt Käthe Kollwitz zur Trauerfeier nach Güstrow. Eindrucksvoll ist ihre detaillierte Schilderung der Begegnung mit dem toten Kollegen: „Der Sarg steht in der Mitte des Raumes. Er ist feierlich und kostbar aufgebaut. Ein schwarzer Teppich und weiße Atlasdecken. Barlach ist ganz klein. Er liegt mit ganz zur Seite gesenktem Kopf – als ob er sich verbergen wolle. Die weggestreckten und nebeneinander gelegten Hände ganz klein und ganz mager. Ringsherum an den Wänden seine schweigenden Gestalten. Hinter dem Sarge Tannen aufgebaut. Über dem Sarge die Maske des Güstrower Dom-Engels. Um den Sarg herum läuft sein kleiner Hund und schnuppert zu ihm auf ...“

Die Ausstellung in Wien spürt den zahlreichen persönlichen und künstlerischen Berührungspunkten zwischen Ernst Barlach und Käthe Kollwitz nach, verdeutlicht aber auch die zwischen ihnen bestehenden Kontraste. Durch die Gegenüberstellung von Werken entfaltet sich ein künstlerisches „Zwiegespräch“.                        Silke Osman

Die Barlach-Ausstellung im Leopold Museum Wien, Museumsplatz 1, ist bis zum 25. Mai täglich außer dienstags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr geöffnet, Eintritt 10 /6,50 Euro.

Foto: Ernst Barlach: Die Plastik „Russische Bettlerin mit Schale“ (Steinzeug) schuf der Künstler im Jahr 1906.


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