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07.03.09 / Wie der Dalai Lama Exilant wurde / Vor 50 Jahren erhoben sich die Tibeter vergeblich gegen die Herrschaft der chinesischen Kommunisten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-09 vom 07. März 2009

Wie der Dalai Lama Exilant wurde
Vor 50 Jahren erhoben sich die Tibeter vergeblich gegen die Herrschaft der chinesischen Kommunisten

Vor einem halben Jahrhundert brach in Tibets Hauptstadt Lhasa ein Aufstand gegen die Besatzungstruppen der Volksrepublik China aus. Um der Gefangennahme zu entgehen, ging das politische und geistliche Oberhaupt der militärisch hoffnungslos unterlegenen Tibeter ins Exil. Der 1989 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Dalai Lama ist seitdem einer der bekanntesten Exilanten der Welt – und Stimme seines Volkes.

Nachdem Mao Zedongs Kommunisten im chinesischen Bürgerkrieg mit den Bürgerlichen 1949 auf dem Festland den Sieg davon getragen hatten, überquerten sie im Oktober 1950 die tibetische Ostgrenze. Tibets Regierung schien ernsthafter Widerstand ob der militärischen Überlegenheit der chinesischen Volksbefreiungsarmee sinnlos und sie fügte sich in ihr Schicksal. Im Mai 1951 willigte sie in ein Siebzehn-Punkte-Abkommen mit den Chinesen ein. Hierin verzichteten die Tibetaner auf ihre Unabhängigkeit und verpflichteten sich „in die große Völkerfamilie des Mutterlandes – der Volksrepublik China – zurück[zu]kehren“, erhielten dafür jedoch regionale Autonomie, Religionsfreiheit und Bestandsschutz für ihr politisches System. Daraufhin konnte die Volksbefreiungsarmee ohne Widerstand nach Zentraltibet vorrücken.

Der Vormarsch erfolgte gesittet und geordnet, und anfänglich waren die Chinesen tatsächlich bemüht, sich als Besatzer nicht unbeliebt zu machen. Dieses Bemühen ließ allerdings über die Jahre in dem Maße nach, in dem die militärische Infrastruktur der Chinesen in Tibet mit Straßen und Flugplätzen anwuchs. 1954 war der Dalai Lama zu Gast bei Mao Zedong. Das Treffen verlief freundlich, bis Chinas starker Mann dem tibetischen Religionsführer klar machte, daß er Religion für ein Gift halte, das ein Volk zerstöre und den Fortschritt eines Landes bremse. Nach der Rückkehr des Dalai Lama aus Peking begannen die Chinesen ein unter ihrem Einfluß stehendes „Vorbereitendes Komitee der Autonomen Region Tibet“ einzurichten als Konkurrenzinstitution zur tibetischen Regierung. Die Chinesen gestanden dem Dalai Lama zwar den Vorsitz in diesem Komitee zu, doch war er in diesem chinesisch dominiert.

Die Unruhe begann jedoch nicht in Tibets Regierungszentrale in Lhasa, sondern im Osten. Dort leben die Khampas, die als wild und freiheitsliebend gelten. Sie wehrten sich gegen die Kollektivierungsmaßnahmen der Chinesen und deren Versuche, die Nomaden seßhaft zu machen. Im Winter 1955/1956 unternahmen sie einen spontanen und unorganisierten Aufstand, der von den Chinesen mit Gewalt niedergeschlagen wurde. In der Folge gingen viele Khampa-Kämpfer in den Untergrund und lieferten den Chinesen einen blutigen Guerillakrieg. Und mehr als 15000 Khampa-Familien flohen aus Osttibet ins Landesinnere. 1958 hatten die Khampa-Widerstandsgruppen fast alle abgelegenen Regionen Tibets unter ihre Kontrolle gebracht.

Tibets Regierung sympathisierte mit den Rebellen und vermied es, den Besatzern die geforderte Unterstützung zu gewähren, was die Beziehungen zwischen Peking und Lhasa belastete. Angesichts der Bedeutung, die der Dalai Lama traditionell für das tibetische Volk hat, ging vor dem Hintergrund der wachsenden tibetisch-chinesischen Spannungen in Lhasa die Angst um, die Chinesen würden nun versuchen, das politische und geistliche Oberhaupt der Tibeter in ihre Gewalt zu bringen. In der Tat war es schon auffallend, wie häufig und nachdrücklich die Chinesen in dieser Zeit Tibets politisches und geistliches Oberhaupt einluden, ihr Gast zu sein.

Besonders großen Verdacht erregte eine am 9. März 1959 ausgesprochene Einladung des chinesischen Kommandanten von Lhasa an den Dalai Lama, ohne seine Minister und ohne seine ihn normalerweise bewachende Eskorte zu einer Tanzvorführung ins chinesische Hauptquartier zu kommen. Als die Einladung bekannt wurde, strömten am 10. März 1959 Zigtausende zum Sommersitz des Dalai Lama, um ihn davon abzuhalten, der Einladung zu folgen. Als die Nachricht das tibetische Militär erreichte, schlossen sie sich an, um mit den Zivilisten die Residenz gegen einen befürchteten chinesischen Angriff zu verteidigen. Man schätzt, daß sich bis zum 12. März rund 30000 tibetische Soldaten und Zivilisten am Norbu Lingka versammelt hatten.

Aus nicht zweifelsfrei geklärten Motiven schossen die Chinesen am 17. März zwei Granaten auf das Gelände des Norbu Lingka, die unweit des Palastes des Dalai Lama einschlugen. In Erwartung eines chinesischen Sturmangriffes wurde der Dalai Lama daraufhin in Sicherheit gebracht. Am 30. März überschritt er die Grenze zu Indien und war damit in Sicherheit, aber auch in einem Exil, das bis zum heutigen Tage andauert.

Am 19. März begannen die Chinesen mit der systematischen Beschießung des Norbu Lingka. Als sie am Abend den Tibetanern per Lautsprecher verkündeten, daß deren Oberhaupt entführt worden sei, gingen diese zur Offensive über. Ihr zorniges Aufbegehren war aber hoffnungslos. Innerhalb weniger Tage brach der Aufstand zusammen. Tausende von Tibetern waren gefallen, Tausende wurden exekutiert oder verschleppt, Tausende traten die Flucht ins Exil an. China war fortan unumschränkter Herr in Tibet.    Manuel Ruoff

Foto: Kapitulation: Die Tibeter hatten gegen die militärische Übermacht der Chinesen keine Chance.


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