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07.03.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-09 vom 07. März 2009

Die Partei, die Partei ... / Warum die Länder klebrige Hände haben, wie Frau Ypsilanti das Gewissen kollektiviert, und wieso es keine Unrechtsstaaten gibt
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Konjunkturprogramm, das ist ein schönes Wort. „Konjunktur“ klingt nach munteren Geschäften, und unter „Programm“ stellt man sich einen Katalog wohlgeordneter, solide durchdachter Schritte vor. Alles in allem genau das, was wir nötig haben in dem Durcheinander.

Konjunkturprogramme müssen, heißt es, drei Anforderungen erfüllen: Sie müssen groß sein, damit es auch richtig funkt, sie müssen gezielt sein, damit nicht zuviel Streuverlust entsteht, vor allem aber müssen sie schnell sein, damit nicht alles schon in den Seilen hängt, wenn sie greifen.

Schnell? Als Politiker versprochen haben, daß die Investitionsanreize an die Kommunen „schnell und unbürokratisch“ umgesetzt werden sollen, hätten wir es wissen müssen. Diese Floskel ist der landestypische Startschuß für den Amtsschimmel, der alle Durchgänge für „schnelles Handeln“ sofort verstopft. Und er kennt wirklich alle Wege und Schlupflöcher.

Diesmal hat man es dem Schimmel sogar besonders leichtgemacht bei seiner Blockadearbeit. Seit der „Föderalismusreform I“ müssen Bundesbeihilfen für die Kommunen nämlich erst durch die Hände der Länder gehen, und die erwiesen sich, wie ein Vertreter des Städte- und Gemeindebundes feststellt, als „klebrig“. Die landesbankbeladenen Länder halten das Geld fest, solange sie können, soll das wohl heißen, am liebsten für immer.

Eine Ausnahme bilden Energiesparmaßnahmen, bei denen der Bund die Kommunen direkt bezuschussen darf. Also muß jetzt alles irgendwie mit Energie und Klima zu tun haben. Auf einem Kongreß der „Wirtschaftswoche“ stöhnte ein Kämmerer: „Wir trauen uns im Stadtrat nicht, mit dem Geld aus Berlin die Schultoiletten auf mitteleuropäischen Standard zu bringen, und diskutieren stattdessen, die Künstlergarderobe im Freilichtmuseum energetisch zu sanieren.“ Wie war das noch? „Groß, gezielt und schnell.“ Großes Geld, das gezielt für Blödsinn so schnell es geht verpulvert wird.

Arme Kommunen! Auf die drischt’s von allen Seiten, am härtesten trifft es die besonders schlauen. Die hatten vor fünf bis 15 Jahren eine neue Einnahmequelle entdeckt, und verdingten sich als Steueroasen für US-Unternehmen, bis die US-Regierung den windigen Handel 2004 stoppte.

Der Trick ging so: Die deutschen Stadtväter verpachteten ihre U-Bahn, ihre Müllverbrennungsanlage oder das Kanalnetz an einen US-Investor. Weil langfristiges Pachten nach damaligem Recht in den USA steuerlich wie Eigentumserwerb behandelt wurde, konnten die Amis den Pachtpreis von der Steuer absetzen. Dann pachtete die deutsche Gemeinde alles wieder zurück. Die Steuerersparnis der Amerikaner wurde brüderlich geteilt, und die Deutschen blieben mit ihrer Gewinnhälfte in der Tasche Herr über ihre kommunalen Einrichtungen.

Dachten sie. Gewarnt wurden sie von Anfang an, daß an der „cross border leasing“ getauften Liechtensteinerei etwas faul sein müßte. Aber beispielsweise die Berliner Verantwortlichen, die fast 1000 U-Bahn- und Straßenbahnwagen in solche Deals schmissen, kontern: Man habe ihnen gesagt, daß da praktisch nichts schiefgehen könne. „Man“, das waren die (unabhängigen!) Berater von der US-Bank J.P. Morgan, einem Hause, dessen Redlichkeit seit den Tagen des Ersten Weltkriegs unbestritten ist.

Im Zuge der Krise der US-Wirtschaft und insbesondere der dortigen Versicherer (welche die Geschäfte abgesichert hatten) wurde das Kleingedruckte in den Verträgen jedoch immer größer, und es offenbarten sich schaurige Fußangeln. Plötzlich sollen die deutschen Städte gewaltige Sicherheiten aufbringen.

Berliner Haushaltspolitiker haben die Sache kurz durchgerechnet und stottern nun, die Riskien drohten für die Hauptstadt „unbeherrschbar zu werden“. Die Hauptstädter sollen sich dem Vernehmen nach für 2010 auf steigende Fahrpreise einstellen, weil die Verschuldung ihrer Verkehrsbetriebe „cross border“ durch die Decke auf über eine Milliarde Euro hochschießen dürften. Daß Berlin bei weitem nicht die einzige deutsche Kommune ist, die mit Schwung in dieses Bockshorn gerannt ist, öffnet den Blamierten den üblichen Ausweg aus solcher Peinlichkeit: „Einseitige Schuldzuweisungen“ seien schon deshalb fehl am Platze, weil das damals ja ganz viele so gemacht hätten. Was insofern richtig ist, als daß es sich mal wieder um eine ganz und gar überparteiliche Eselei gehandelt hat, weshalb die Angelegenheit natürlich auch „kein Wahlkampfthema sein kann“.

So schminkt man den Mist, den man höchstpersönlich gebaut hat, elegant zu einer allgemeinen Zeiterscheinung im Range eines Natur­er­eignisses um. Gerissen, nicht? Dennoch verspürt unsereins beim allgemeinen Schulterzucken der Verantwortlichen doch den Drang, kurz im Nebenzimmer zu verschwinden, wo wir ungehört all die Wörter brüllen dürfen, die uns in der Öffentlichkeit nicht über die wohlgezügelten Lippen kommen.

Wenigstens entschuldigen könnten sie sich ja. Die Frage ist allerdings, was solche Entschuldigungen wert sind. Hatte sich die hessische SPD-Spitze nicht auch dafür entschuldigt, die Wähler an der Nase herumgeführt zu haben? Nur daß das so wenig ehrlich herüberkam, daß wir darauf lieber verzichtet hätten.

Monatelang hatten wir darüber gerätselt, was Andrea Ypsilanti nur zu diesem apokalyptischen Ritt durchs Jahr 2008 getrieben hat. War es reine Machtgier? Oder wollte die Genossin doch mehr?

Bei ihrem theatralischen Abschied vergangenes Wochenende gab sie uns allen die Antwort: Und ob sie mehr wollte! Auf die „Verräter“ gerichtet dozierte sie vor den hessischen SPD-Delegierten in Darmstadt: „Gewissensentscheidungen dürfen nicht einseitig und willkürlich getroffen werden“, denn, „der einzelne darf  nicht mehr gelten als der Mehrheitsbeschluß einer Partei“. Und schließlich: „Man muß nicht hinnehmen, daß sich Täter zu Opfern stilisieren.“

Da müssen wir erstmal ganz tief durchatmen. Was hat Frau Ypsilanti gesagt? Mein Gewissen ist nur dann eines, wenn ich es vorher mit dem Parteikollektiv abgeglichen habe. Wenn ich statt dessen für mich allein entscheide, „da mache ich nicht mehr mit, das geht gegen mein Gewissen“, dann mache ich mich zum „Täter“. Kurz gesagt: Die Partei mit ihren Mehrheitsentscheidungen ist das Gewissen, wer sich die Frechheit eines Privatgewissens herausnimmt, der muß als „Täter“ geächtet werden.

Noch weiter links geht es nicht. Wo selbst das Gewissen kollektiviert wird, da ist wirklich Endstation. Hierzu paßt, daß ihr Lieblingskoalitionspartner Linkspartei gerade dabei ist, den Begriff „Unrechtsstaat“ endgültig abzuschaffen, damit man die Vergangenheit nicht mehr beim Namen nennen kann.

„Einen Unrechtsstaat DDR hat es für mich nicht gegeben, ohne Wenn und Aber“, poltert der Landeschef der Linken von Thüringen, Knut Korschewsky. Die Linken argumentieren gar nicht ungeschickt: Zwar habe es da ein paar Häßlichkeiten gegeben im SED-Staat. Doch schließlich sei man in der Bundesrepublik wie in der DDR gleichermaßen für Delikte wie Raub oder Schwarzfahren zur Rechenschaft gezogen worden, oder? Daher sei die DDR schlimmstenfalls ein Staat gewesen, in dem es „auch“ Unrecht gegeben habe, aber eben kein „Unrechtsstaat“. Außerdem müsse man doch das „soziale Unrecht“ in der Bundesrepublik im Auge behalten.

Solche Sätze sind pures Gold für die Freunde jedweder Diktatur, sei sie totalitär oder „bloß“ autoritär, ein Militärregime oder ein Einparteienstaat, links oder rechts: In all diesen Systemen gab und gibt es jene ganz alltäglichen Dinge wie Verkehrskontrollen und Steuerfahndung, weshalb sie in dieser Hinsicht alle sind wie eine freiheitliche Demokratie, also kein „Unrechtsstaat“? Wolf Biermann nannte das „mit der Wahrheit lügen“.


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