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14.03.09 / »Icke« soll lächeln lernen / Zeit der Besucherrekorde vorbei: Berlins Tourismusbranche stemmt sich gegen die Krise

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-09 vom 14. März 2009

»Icke« soll lächeln lernen
Zeit der Besucherrekorde vorbei: Berlins Tourismusbranche stemmt sich gegen die Krise

Jahrelang von immer neuen Rekorden verwöhnt, spürt die Berliner Tourismusbranche nun die Krise. Neueste Zahlen belegen: Erstmals seit langem gingen Ende 2008 die Besucherzahlen zurück.

Wer hätte das gedacht? Die Wiedereröffnung des Neuen Museums (PAZ 10/09) wurde zum unerwarteten Publikumsmagneten – fast schon so wie vor fünf Jahren die Kurzzeit-Ausstellung des New Yorker Museum of Modern Art (Moma) in der Neuen Nationalgalerie. Dabei sind die Exponate noch gar nicht zurückgekehrt, es gab nur den Bau zu sehen. In langen Schlangen standen die Besucher des noch leeren Museums für die „Fete ohne Nofretete“ schon morgens auf der Museumsinsel. Sogar aus West- und Süddeutschland sind Leute extra angereist.

Nur eine Institution scheint diesen Knüller vollständig übersehen zu haben: die Berlin Tourismus GmbH. Die landeseigene Firma hat nicht im Traum daran gedacht, das bevorstehende Ereignis im ganzen Land durch Anzeigen oder Werbespots bekannt zu machen. „Die haben das Ereignis glatt verschlafen“, macht ein Hotelchef seinem Ärger über die Untätigkeit der Werber Luft.

Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der deutschen Hauptstadt, deren industrielle Basis in den Jahrzehnten der Teilung  zusammengebrochen ist. In Berlin liegt der Anteil des Fremdenverkehrs am Bruttoinlandsprodukt bei etwa fünf Prozent, nur in Mecklenburg-Vorpommern ist er noch höher. Etwa 170000 Arbeitsplätze hängen am Geschäft mit den Besuchern.

2008 zählte die Stadt 7,9 Millionen Hotelgäste aus dem In- und Ausland (plus 4,2 Prozent gegenüber 2007). Sie sorgten für 17,7 Millionen Übernachtungen (plus 2,8 Prozent). Die gestiegenen Besucherzahlen waren der fünfte Rekord in Folge. Je nach Herkunftsländern gibt es sehr unterschiedliche Entwicklungen. Vor allem aus dem Osten kommen immer mehr Berlin-Besucher – beispielsweise aus Rußland (plus 34 Prozent) oder Polen (plus 48 Prozent). Während andere westeuropäische Länder weiter wachsen, fällt das allerwichtigste Herkunftsland Großbritannien aber krisenbedingt um 4,3 Prozent. Allgemein wird 2009 ein schwieriges Jahr erwartet.

Die staatlichen Tourismus-Förderer hoffen auf ein baldiges Ende der Krise und setzen auf zwei Kampagnen, mit denen sie den Tourismus weiter ankurbeln wollen. Im Laufe des Jahres soll das 20. Mauerfall-Jubiläum genutzt werden, um wieder verstärkt Berlin als Reiseziel zu bewerben. Auf der in dieser Woche gestarteten Internationalen Tourismusbörse (ITB) ist das Jubiläum Hauptthema der Berlin-Werber. Im Mai soll es zum Beispiel eine große Freiluftausstellung auf dem renovierten Alexanderplatz geben.

Zum anderen startet gleichzeitig mit der ITB eine Freundlichkeitsoffensive des Berliner Senats. Die Zeiten, in denen Taxifahrer, Mitarbeiter der Stadtreinigung oder Polizisten eher pampig daherkommen, sollen vorbei sein. Zum Motto der Ordnungshüter etwa wurde der idiotenenglische Spruch „Be Cop, be top, be Berlin“ ausgerufen. Es ist nicht der erste Versuch, den Berlinern ihren traditionell flapsigen Tonfall („Bin ick die Auskunft, oder wat?“) abzugewöhnen.

Es muß etwas passieren: Die Branche steht unter großem Druck. Die Wirtschaftskrise hängt wie ein Damoklesschwert über der weiteren Entwicklung. Bereits in der zweiten Jahreshälfte 2008 kamen die Geschäfte ins Stottern. Im Dezember lagen die Hotel-Übernachtungen um 2,9 Prozent unter dem Vorjahreswert und um 8,8 Prozent unter dem Jahresdurchschnitt. Und für 2009 ist kaum mit einem Aufschwung zu rechnen.

Trotzdem werden immer neue Hotels eröffnet, allein in dieser Woche drei weitere. Am Hauptbahnhof sind zudem mehrere Großprojekte geplant. Bald wird Berlin bei den Hotelbetten die 100000er-Marke nehmen.

Was, wenn nun die Gäste wegbleiben? Im vergangenen Jahr waren die Kapazitäten nur noch zu 50 Prozent ausgelastet. 2009 zeichnet sich ein weiter sinkender Trend ab: Das noble Kempinski am Ku’damm war sogar während der Grünen Woche im Januar nur zur Hälfte ausgebucht, berichtet ein Hotelangestellter. Zumindest für die Berliner Luxushotels könnte eine schwere Zeit anbrechen.

Wie weit die Wirtschaftskrise zu noch mehr Zurückhaltung bei den Buchungen führen wird, kann nur geschätzt werden. Wer von Arbeitslosigkeit akut bedroht oder gar schon betroffen ist, wird kaum zum spontanen Kurzbesuch nach Berlin aufbrechen. Die Kurzurlauber sind das wichtigste Geschäft: Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von Berlin-Besuchern beträgt nur zwei Tage.

Burkhard Kieker, Geschäftsführer von Berlin Tourismus, räumt bereits ein: Die Wirtschaftskrise sei auch in der Hauptstadt zu spüren. Das zeigten allein schon sinkende Passagierzahlen auf den Berliner Flughäfen.

Die Berliner Flughafenwirtschaft trifft das hart, denn sie leidet auch unter der Krise der gewerblichen Wirtschaft: Berlin und Brandenburg versuchen seit einem Jahr, rund um den neuen Großflughafen Schönefeld Gewerbegrundstücke zu vermarkten. Eine sechsköpfige Expertengruppe kümmert sich darum. Doch das erhoffte Signal zur „Stärkung der Wirtschaftsregion“ ist bislang ausgeblieben: Nicht ein einziger (!) Investor ist bislang bereit, sich an dem Standort anzusiedeln.                

Patrick O’Brian

Foto: Die fast acht Millionen Touristen pro Jahr geben 170000 Berlinern Arbeit: Mit einem neuen  Werbespruch will Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) mehr Gäste in die Hauptstadt locken.


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