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14.03.09 / Konservative begehren auf / In der CDU ist ein Richtungsstreit entbrannt – Merkel mit offener Kritik konfrontiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-09 vom 14. März 2009

Konservative begehren auf
In der CDU ist ein Richtungsstreit entbrannt – Merkel mit offener Kritik konfrontiert

Die CDU hat nacheinander mehrere Stammwählergruppen vergräzt: Zuerst durch permanente Kompromisse mit der SPD den klassischen Mittelstand, dann die Wertkonservativen. Angesichts schlechter Umfragen ist nun offener Streit ausgebrochen.

Da sage einer, unsere Kanzlerin hätte keinen Humor. Schelmisch lächelnd hielt sie dem innerparteilichen Gemurre über ihr Defizit an konservativem Profil diese Enthüllung entgegen: Als ihr 2000 der Parteivorsitz angetragen wurde, habe sie gefragt, ob sie dafür denn „konservativ genug“ sei. Worauf ein wohlmeinender Parteifreund klargestellt habe: „Das sagen wir dir schon, wann du konservativ sein mußt!“ Genau diese Situation ist nun da. Die lange Zeit guten Umfragewerte sind in den letzten Wochen abgebröckelt. Plötzlich geht in der Partei die Angst um, selbst mit einer weiter erstarkenden FDP könnte es für das schwarz-gelbe Projekt nicht reichen. Dreieinhalb Jahre Große Koalition mit all ihren faulen Kompromissen werden nicht mehr nur der SPD, sondern auch CDU und CSU angekreidet. Und siehe da: Die Union entdeckt ihre konservativen Stammwähler wieder – beziehungsweise die Lücke, die selbige am Wahlabend zu hinterlassen drohen.

Zwei Vorgänge waren es vor allem, die Angela Merkel jetzt offene Kritik aus den eigenen Reihen eingebracht haben. Im Streit um Erika Steinbachs Zentrum gegen Vertreibungen ließ die Kanzlerin jegliches Stehvermögen vermissen. Nur halbherzig ließ sie die BdV-Vorsitzende durch Regierungssprecher und Generalsekrtär gegen übelste Schmähungen in Schutz nehmen, und der von deutschen Sozialdemokraten unterstützen polnischen Erpressung trat sie kaum entgegen. Vertriebene und patriotisch gesinnte Konservative begannen sich zu fragen, wo Angela Merkel eigentlich im Herbst zur Wahl antreten will – in Deutschland oder in Polen?

Zuvor hatte die CDU-Vorsitzende sich ohne Not Papst Benedikt XVI. in völlig ungehörigem Stile öffentlich gemaßregelt. Damit brachte sie reihenweise gläubige Christen – nicht nur Katholiken – in Rage. Jetzt ist die Sorge unter CDU-Wahlkampfstrategen groß, daß die schweigende Stammwählerschaft bei der nächsten Wahl zuhause bleiben könnte.

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm, einer der letzten wahrhaft Konservativen in einem Spitzenamt, fordert seine Bundesvorsitzende unmißverständlich auf, nun endlich zu „zeigen, wofür die CDU steht“. Noch klarer hatte zuvor schon sein Bruder Wulff Schönbohm, in der Ära Kohl einer der wertkonservativen Vordenker der Union, den Unmut artikuliert: Statt ihrer „scheinliberalen Politische-Mitte-Soße“ solle Angela Merkel das konservative Profil stärken.

In Rheinland-Pfalz dringt Landeschef Christian Baldauf auf einen klaren Kurswechsel und fordert „aus dem Adenauerhaus mehr CDU und weniger Große Koalition“. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger verblüfft Freund und Feind gar mit der Aufforderung, Merkel solle „die Uniform der Kanzlerin in den Schrank hängen und die Uniform der Kanzlerkandidatin und Parteivorsitzenden anziehen“, will dies allerdings vor allem auf wirtschaftspolitische Fragen bezogen wissen. Es dürfe, so der Stuttgarter Regierungschef, „nicht der Eindruck entstehen, die CDU sei die Partei der Verstaatlichung“.

Deutlicher werden da seine Nachbarn im Süden. CSU-Chef Horst Seehofer vermißt einen „klaren Kurs“ und ruft die Schwesterpartei auf, sich „zuallererst auf ihre Stammkundschaft zu konzentrieren, statt sich ins Nirwana der Wechselwähler zu begeben“. Ausdrücklich erwähnte er dabei auch die Heimatvertriebenen; daher sei es notwendig gewesen, daß wenigstens die CSU in Sachen Steinbach „die Dinge beim Namen genannt“ habe. Seehofers neuer Generalsekretär Alexander Dobrindt assistiert: Es könne nicht sein, daß „in der Union allein die CSU konservatives Profil zeigt“.

Bemerkenswert, weil aufschlußreich für die tieferen Ursachen des Dilemmas, ist auch die kritische Empfehlung Wulff Schönbohms, die CDU-Vorsitzende solle sich für den überfälligen konservativen Kurswechsel „Gefolgsleute suchen“. Genau das Gegenteil nämlich hat Merkel während der vergangenen Jahre praktiziert. Beispielhaft sei an die Ausbootung des konservativen Wirtschafts- und Finanzexperten Friedrich Merz und den politisch wie menschlich fragwürdigen Umgang mit Martin Hohmann erinnert. In dessen Wahlkreis Fulda hat die CDU seitdem übrigens bei weitem nicht mehr die früheren Ergebnisse erzielt.        Hans-Jürgen Mahlitz

Foto: Die ewige Frage nach der Mehrheit: Spitzenpolitiker können nicht in allen Fragen als Überzeugungstäter handeln.

 

Zeitzeugen

Jörg Schönbohm – Der brandenburgische Innenminister gilt als einer der letzten profilierten Konservativen in der CDU. Der 1937 geborene Generalleutnant a. D. war erst 1994 in die Union eingetreten. Heute fordert er von Parteichefin Angela Merkel, daß sie zeigen möge, wofür die CDU steht. „Wir dürfen nicht nur eine Variante der SPD sein“, moniert Schönbohm mit deutlichem Wink zur Kanzlerin.

 

Günther Oettinger – Der 1953 in Stuttgart geborene CDU-Ministerpräsident von Baden-Württemberg hat mit der CDU-Chefin eine Rechnung offen. In seiner Trauerrede für Amtsvorgänger Hans Filbinger hatte Oettinger 2007 den Verstorbenen vor NS-Vorwürfen in Schutz genommen. Dafür war er massiv unter Beschuß gekommen, auch von der Kanzlerin persönlich. Zunächst hatte Oettinger seine Rede verteidigt, sich später aber unter Merkels Druck von seinen Worten distanziert.

 

Angela Merkel – Die 1954 in Hamburg geborene Bundeskanzlerin ist in der DDR sozialisiert worden. Nach der Abwahl und der Spendenaffäre der CDU wurde sie mit ihrer Kritik an Helmut Kohl zur Hoffnungsträgerin ihrer Partei. Sie ist nach wie vor eine der beliebtesten deutschen Politikerinnen.

 

Ronald Pofalla – Der 1959 im niederrheinischen Weeze geborene Sozialpädagoge und Rechtsanwalt ist seit 2005 Generalsekretär der CDU. Die „FAZ“ zählt ihn zu „Merkels Talentschuppen“, die „Zeit“ zu deren „Boygroup“. Seit 1990 sitzt er im Bundestag. Von 2002 bis 2004 war er Justitiar und von 2004 bis 2005 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die Bereiche Wirtschaft und Arbeit sowie Mittelstand.

 

Werner Münch – Der 1990 in Bottrop geborene Politikwissenschaftler und Hochschullehrer war ab 1991 Ministerpräsident und CDU-Vorsitzender Sachsen-Anhalts. 1993 trat er von beiden Ämtern zurück, nachdem ein „Spiegel“-Artikel die sogenannte Gehälteraffäre ausgelöst hatte. In späteren Gerichtsentscheidungen wurde Münch jedoch vollständig von dem Vorwurf rehabilitiert, sich unrechtmäßig auf Kosten des Staates bereichert zu haben.


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