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14.03.09 / Staat trifft Unterwelt / Grenzenlose Welt der Mafia

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-09 vom 14. März 2009

Staat trifft Unterwelt
Grenzenlose Welt der Mafia

Im letzten Jahr sorgte der auf dem gleichnamigen Bestseller Roberto Savianos beruhende Film „Gomorrha“ für Furore. Er nimmt den Zuschauer mit in die kriminelle Welt der Camorra in und um Neapel. Einen Blick über den nationalen Tellerrand hinaus gewährt das Buch „McMafia – Die grenzenlose Welt des Organisierten Verbrechens“ des ehemaligen BBC-Reporters Misha Glenny. Jahrelang recherchierte der heute 50jährige Brite in der Unterwelt und führte rund 300 Interviews mit Gangstern, Opfern, Politikern und Polizisten. Angefangen hatte alles mit dem Zerfall Jugoslawiens und den Bürgerkriegen zwischen den einstigen Teilrepubliken, über die Glenny für das heimische Fernsehen berichtete. In Bosnien beobachtete er, wie Söldner paramilitärischer Einheiten ihre Beute als Startkapital zum Aufbau großer Verbrecherbanden nutzten. Über diese sorgten sie trotz des UN-Embargos für Rüstungsnachschub, schmuggelten illegale Waren und Dienstleistungen nach Europa und sorgten für Rüstungsnachschub. Seitdem haben dort Kriminelle in Politik und Wirtschaft das Sagen.

Die Verquickung von Staat und Unterwelt ist jedoch kein balkanspezifisches Problem, wie Glenny auf seiner Reise rund um den Globus erkannte. Die kasachische Kaviarmafia, ukrainische Waffenschmuggler, russische Geldwäscher, polnische Autoschieber, kolumbianische Drogenbosse, chinesische Menschenhändler und Markenfälscher sowie nigerianische Internetbetrüger; sie alle speisen ihre kriminellen Energien aus der Armut der Entwicklungsländer, der stetigen Gier nach Rauschgift und Waffen sowie dem materiellen Überfluß des Westens. So floriere das Geschäft mit der Illegalität auch deshalb, „weil ganz normale Westeuropäer einen immer größeren Teil ihrer Freizeit und ihres Geldes dazu verwenden, mit Prostituierten zu schlafen, steuerfreie Zigaretten zu rauchen, sich eine Linie Koks für 50 Euro reinzuziehen, zugewanderte Schwarzarbeiter zu Hungerlöhnen zu beschäftigen, sich über Elfenbein zu freuen, auf Teakholz zu sitzen oder sich die Leber oder Niere eines bedauernswert armen Menschen aus einem Entwicklungsland zu kaufen“.

Das organisierte Verbrechen sei der größte Profiteur der Globalisierung, lautet die zentrale These des Autors. Die führenden Industrienationen hätten es versäumt, die Folgen des Ostblock-Zusammenbruchs und die Liberalisierung der internationalen Finanz- und Warenmärkte zu analysieren und zu regulieren. Das weltumspannende System der kriminellen Schattenwirtschaft ist längst untrennbar mit den globalen Volkswirtschaften verflochten und macht nach Finanzexperten mittlerweile zwischen 17 und 25 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts aus. Überholt ist das verklärte Verbrecherbild im Stil Al Capones. Stattdessen bedient sich die Branche ebenso wie McDonalds, Nike und Shell neuer Managementmethoden, Arbeitsteilung und Franchising. 

„McMafia“ ist eine ebenso informative wie erschütternde Reise durch das Mafia-Weltreich. Bei seiner Tour de force – die Deutschland leider ausspart, obwohl es auch hier einiges zu erzählen gäbe – sieht der Autor manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht. Der Fakten- und Zahlenwust sowie Glennys Berufskrankheit, reportageartige Einzelschicksale in Hülle und Fülle einzustreuen, machen die Lektüre etwas mühsam und unübersichtlich. Keine Nachttischlektüre für Einsteiger.     Sophia E. Gerber

Misha Glenny: „McMafia – Die grenzenlose Welt des organisierten Verbrechens“, DVA, München 2008, geb., 528 Seiten, 24,95 Euro


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