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14.03.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-09 vom 14. März 2009

Zurückhaltung, bitte / Wie uns die Albaner lehren, daß alles noch schlimmer kommen kann, warum es die SPD besser hat, und wie die Zeit beim Lügen hilft
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Alte Börsenweisheiten gibt es für jede Gelegenheit, sogar eine für epochale Bruchlandungen wie die jetzige. Sie lautet: Erst wenn die letzten Optimisten die Fahne eingeholt haben und zum Lager der Schwarzseher übergelaufen sind, dann kann es wieder aufwärts gehen. Da sind wir noch nicht (ganz), aber es mehren sich die Symptome, daß es nicht mehr weit ist zu jenem toten Punkt.

Der Analyst einer großen Bank meinte neulich, wenn wir eins gelernt hätten in dieser Krise, dann, daß die Devise „wird schon nicht so schlimm“ der falsche Ansatz sei. Das klingt doch schon recht ermutigend nach Tiefpunkt, aber Gemach. Es kann immer noch schlimmer kommen, wie diese neueste Meldung lehrt: Albanien will am 28. Juni einen Antrag auf Aufnahme in die EU stellen.

Die ersten Reaktionen aus EU-Ländern werden als „zurückhaltend“ beschrieben. Was nicht von ungefähr kommt. Vor 20 Jahren erschien das Volk der Skipetaren, wie man sie auch nennt, den meisten Europäern eher exotisch, aber keineswegs unsympathisch. Doch seitdem hat sich eine Menge getan: Einige ganz spezielle Angehörige des kleinen Adriavolkes sind nämlich lange vor ihrem Land in Europa angekommen. Sie haben dafür gesorgt, daß das Wort „Albaner“ für den durchschnittlichen Zeitungsleser von Lissabon bis Helsinki nur mit einem Bindestrich erinnerlich ist, hinter dem Vokabeln wie „Mafia“, „Bande“ oder „Connection“ folgen. Kurz: Diese in Wahrheit recht kleine Gruppe von Albanern hat es geschafft, das Ansehen ihrer Nation gründlich in die Tonne zu treten.

Noch schlechter als ihr Ruf scheinen indes die Berater der Albaner zu sein. Von der Verdauung Rumäniens und noch mehr Bulgariens hat die Europäische Union bis heute einen Schluckauf zurückbehalten, der nicht aufhören will, sie zu quälen. Dazu kommt: Statt über Erweiterung zu reden, schwirren düstere Ahnungen durch den europäischen Debattenraum, daß der ganze Laden unter dem Druck der Weltkrise auch auseinanderfliegen könnte. In so einer Situation hat man eher keine Verwendung für Albaner.

Von alldem scheint man in Tirana nicht viel mitbekommen zu haben. Regierungschef Sali Beri­sha warnt, eine „Zurückhaltung der EU bei der Aufnahme neuer Mitglieder“ könne in seinem Land zu einer „verminderten Zustimmung für einen EU-Beitritt“ führen. Was sollen wir darauf sagen? Erstens: Das trifft uns aber richtig ins Herz. Zweitens: Dann wissen wir ja, wo wir ansetzen müssen. Zurückhaltung ist eine Tugend, jetzt mehr denn je.

Berisha hofft unverdrossen darauf, daß die Bemühungen, sein Land EU-reif zu machen, auch gewürdigt werden. 2005 hätten kriminelle Banden in Albanien ganze Städte und Bezirke sowie Häfen und Grenzübergänge kontrolliert. Heute hingegen stünden „Hunderte Kriminelle“ vor Gericht.

Das wirft Fragen auf: Kann man ganze Städte, Bezirke, Häfen und Grenzposten mit „Hunderten“ beherrschen?  Wer das für unwahrscheinlich hält und eher an Tausende denkt, der fragt sich, wo die anderen sind. Schließlich irritiert der kurze Zeitraum: 2005 ging es Berisha zufolge in seinem Land also noch her wie in einer riesigen Räuberhöhle. Gerade vier Jahre später jedoch haben Zucht und Ordnung das Regiment übernommen. Kann das wahr sein? Und wenn ja: Wie haltbar ist die neue Ordnung? Der Gärtner weiß: Je rascher etwas wächst, desto schneller kippt es wieder um.

Doch seien wir realistisch: Die Albaner dürften das Schicksal der Türken teilen, die seit 1963 im Wartesaal des ewigen EWG-, EG-, EU-Anwärters dahinschmoren. Ab und zu kommt mal einer zu ihnen heraus und beruhigt: „Es wird sich gleich jemand um euch kümmern.“ Dann passiert wieder jahrelang gar nichts, was niemanden mehr wirklich aufzuwühlen scheint, nicht einmal die verladenen Türken.

Die Zusagen der EU sind so wertvoll wie das Versprechen der Briten und Franzosen, die seit den 50er Jahren beteuerten, wie sehr sie ihrem neuen deutschen Verbündeten bei seinem Streben nach nationaler Einheit die Daumen halten. Als es soweit war, bestieg Margaret Thatcher bekanntlich rasend vor Entrüstung ihren Besen. Danach faselte die vormals „Eiserne Lady“ vor lauter Deutschenhaß nur noch Unsinn.

So ist das mit „politischen Versprechen“, das werden auch die Opelianer noch zu spüren kriegen. Das Häßliche ist: Der Belogene weiß eigentlich, daß er hinters Licht geführt wird. Ihm bleibt aber gar nichts anderes übrig, als den Scharlatanen zu applaudieren, weil ihm sein Überlebensinstinkt sagt, daß Hoffnung selbst in auswegloser Lage immer noch besser ist, als allen Mut fahren zu lassen.

Für die Politik ist die Causa Opel hingegen nicht ganz ohne Hoffnungsschimmer, das rettende Ufer ist die Bundestagswahl. Bis dahin muß die Fassade mit der Aufschrift „Wir retten Opel“ stehenbleiben, danach: „Ungeachtet aller unserer intensiven Bemühungen ...“ etc, pp. Sie kennen den Sermon von anderen traurigen Gelegenheiten.

Die Zeit ist ein Freund der politischen Lüge, sie überwuchert die Heuchelei mit einem dicken Polster, dem sogenannten „Gewöhnungseffekt“. Erinnern Sie sich noch an die Streitereien zur Einführung des Euro in den 90ern? Wer damals behauptete, die Deutschen müßten in der Gemeinschaftswährung am Ende „für die anderen blechen“, den überführte man umgehend der Verbreitung „dumpfer Stammtischparolen“, geschöpft aus einem „D-Mark-Nationalismus“ mit latent rechtsradikaler Färbung.

Heute: Vom deutschen Finanzminister Peer Steinbrück bis zum EU-Währungskommissar Joaquín Almunia  leugnet niemand mehr, daß die EU-Partner vom Bankrott bedrohte Mitgliedstaaten im Ernstfall raushauen müssen. Unklar ist noch wie, ausgemacht ist hingegen längst, daß Deutschland als größte EU-Volkswirtschaft einen „besonderen Beitrag“ wird leisten müssen.

Politische Lügen sind allerdings keine ordinäre Flunkerei, es sind Kunstwerke des Betruges. Wenn’s zu platt gerät, gibt’s was auf die Nase, wie Hessens SPD erleiden mußte. In der Opel-Sache gehen die Sozialdemokraten jetzt viel klüger vor, sie haben es aber auch leichter als der schwarze Partner, denn sie stehen nur von einer Seite im Scheinwerferlicht, angestrahlt von Gewerkschaften und Opel-Arbeitern. Da entsteht auf der anderen Seite viel Schatten, in dem man die Wahrheit verstecken kann.

Angela Merkel würde gern ebenso durchkommen bis zur Wahl. Doch die Kanzlerin wird von beiden Seiten illuminiert: von den Gewerkschaften und Opelianern einerseits und den marktwirtschaftlichen „Ordnungspolitikern“ auf der anderen Seite. Alles, was sie vor den einen verstecken will, kriegen die anderen sofort zu sehen. Würde sie etwa wie Herausforderer Frank-Walter Steinmeier den Arbeitern ewige Treue schwören, sähen die Ordnungspolitiker ihre gekreuzten Finger auf dem Rücken und würden „Alles Blödsinn! Gar nicht durchzuhalten!“ rufen.

In ihrer Not versucht die CDU-Chefin, sich in wolkigen Formulierungen unsichtbar zu machen. Dabei scheut sie keinen Superlativ: „Wir werden Opel helfen, wenn der Nutzen für alle Menschen größer ist als der Schaden.“  Die Gesamtheit des Menschengeschlechts und Opel – Dimensionen spielen keine Rolle, wenn es darum geht, den größtmöglichen Dunst zu verbreiten.

Es ist zwar noch eine Weile hin bis zur Bundestagswahl. Doch im Moment deutet einiges darauf hin, daß Merkels Strategie nicht mehr trägt: Sie wollte sich allen Wählergruppen gleichzeitig empfehlen, indem sie wie ein freundlicher Nebelgeist über allem Gezänk wogte – kaum zu fassen, aber dennoch irgendwie gemocht.

Das ist schon bei der Steinbach-Kontroverse in die Hose gegangen. Die wollte Merkel (wie bei anderen Fällen erfolgreich erprobt) einfach mit Schweigen von sich fernhalten, bis sie zwischen allen Stühlen gelandet war. Gut, da saßen schon viele, aber selten war das der Platz der Sieger.


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