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21.03.09 / Sie hielten als letzte zur DDR / Ausgerechnet die DDR-Opposition wollte den SED-Staat erhalten und reformieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-09 vom 21. März 2009

Sie hielten als letzte zur DDR
Ausgerechnet die DDR-Opposition wollte den SED-Staat erhalten und reformieren

Kann man die friedliche Revolution vor 20 Jahren mit dem Etikett „Deutscher Herbst“ versehen? Deutscher Herbst – das meint vor allem den RAF-Terror 1977, diesem militanten Ausfluß der 68er Revolte. Die von der „Gesellschaft für Deutschlandforschung“ im Berliner Rathaus veranstaltete Fachtagung zum 20. Jahrestag des Mauerfalls war dennoch so überschrieben: „Deutscher Herbst 1989“ hieß es ohne weiteren Zusatz.

Vielleicht aber waren die Überlegungen des Chemnitzer Politikwissenschaftlers Eckhard Jesse ein Schlüssel für den eigenwilligen Titel, denn neben den vielen bekannten Thesen und Fakten zur DDR-Demokratiebewegung widmete sich sein Referat einer Frage, die seitdem eher mit einem gewissen Unbehagen diskutiert wird: „Die alternative Bürgerbewegung – gescheitert oder erfolgreich?“

Die Antwort lieferte Jesse gleich zu Beginn: „Die Bürgerrechtler“, so sagte der bekannte Extremismusforscher, „waren erfolgreich, weil ihre Ziele gescheitert sind“. Jesse erinnerte daran, daß die bekannten Köpfe der DDR-Oppositionsbewegung nicht die deutsche Einheit anstrebten, sondern nach dem Sturz der SED-Diktatur dem Unrechtsstaat ein menschliches Antlitz geben, ihn aber als eigenständigen Staat erhalten wollten. Hierbei seien sie in „ideologische Fallen“ getappt – Fallen, die aber vornehmlich aus den argumentativen Schemen der westdeutschen Linken im Gefolge der 68er Bewegung gebaut waren.

So hat laut Jesse schon vor den dramatischen Ereignissen von 1989 die „Reformfalle“ gelauert, denn wie die westdeutschen Linksintellektuellen, die bis dato die sogenannte „DDR-Forschung“ an den Universitäten dominiert hätten, seien auch DDR-Oppositionelle wie Bohley, Poppe und Schulze davon ausgegangen, die DDR reformieren zu können – ganz im Gegensatz zu ihrer verknöcherten Führung, die ironischerweise hellsichtig genug war, in jedem kleinsten demokratischen Ansatz die Existenz des Staates bedroht zu sehen. Damit seien zahlreiche DDR-Bürgerrechtler auch in die „Teilungsfalle“ gelaufen, da sie wie Grass, Habermas oder Enzensberger die Mauer als gerechte Strafe für Hitlers Krieg begriffen.

„Aus den Konzepten der DDR-Bürgerrechtsbewegung sprach oftmals Revolutionsromantik“, resümiert Jesse, „vergleichbar jener der rebellierenden Studenten um Rudi Dutschke“.

„Bei derlei Fehleinschätzungen hat man natürlich das Recht verwirkt, auf hohem Niveau politisch arbeiten zu können“, kam es da selbstgefällig aus dem Auditorium – ein Kommentar zur dürftigen Präsenz der einstigen Protagonisten in der heutigen Politik.

Das jedoch blieb nicht ohne Widerspruch: Die DDR sei ein totalitäres System gewesen, warf ein Teilnehmer ein, man habe im eigenen kommunistischen Saft gekocht, so daß es kaum verwunderlich gewesen sei, sich an der westdeutschen Linken zu orientieren – ganz zu schweigen davon, daß falsche Analysen auch ein Joschka Fischer in grundlegenden Fragen geirrt und dergleichen nie seine Karriere behindert habe. „Es gehörte großer Mut dazu, der SED-Führung auf den Demonstrationen in Leipzig und Berlin zu trotzen“, sagte dann ein ehemaliger Oppositioneller, „wir wußten nicht, ob russische Panzer kommen“. Das ist zweifellos der Unterschied zu den 68ern – und zu den feigen Mördern des anderen „Deutschen Herbstes“.               Michael Böhm


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