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21.03.09 / Konservative sortieren sich neu / Britische und tschechische Rechte drohen der EVP-Fraktion mit Abspaltung – Nur Wahlkampfgetöse?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-09 vom 21. März 2009

Konservative sortieren sich neu
Britische und tschechische Rechte drohen der EVP-Fraktion mit Abspaltung – Nur Wahlkampfgetöse?

Seit Jahren denken die britischen Konservativen im Europäischen Parlament laut darüber nach, sich von der christdemokratisch geprägten Europäischen Volkspartei (EVP) zu lösen. Nun fiel ein entsprechender Beschluß für die Zeit nach der Europawahl am 7. Juni.

Mit derzeit 287 von 784 Abgeordneten ist die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP-ED) die klar stärkste Kraft im Straßburger Parlament vor den Sozialdemokraten mit 217 Sitzen. Momentan bliebe das auch noch so, wenn die britischen Konservativen und tschechischen Nationalliberalen (ODS) der EVP den Rücken kehren würden. Mit diesem Gedanken spielen diese beiden Parteien schon länger, zumal sich die inhaltlichen Vorstellungen stark unterscheiden.

Ein Blick auf die Internetseite der britischen Konservativen legt die Unterschiede sofort offen. „A Conservative Government would never join the euro“ wird die Einführung des Euro schnörkellos abgelehnt, mit groß geschriebenem „Conservativ“ und klein geschriebenem „euro“. Auch den Vertrag von Lissabon lehnen die Tories ziemlich offen ab. Falls dieser bis zum nächsten Regierungswechsel in Großbritannien (wo nach wie vor Labour unter dem glücklosen Gordon Brown regiert) noch nicht in Kraft getreten wäre, würde man den Vertrag dem britischen Volk zur Abstimmung vorlegen und zur Ablehnung empfehlen. Das ist mehr als delikat, weil beide Häuser des britischen Parlaments das Vertragswerk bereits vor fast einem Jahr ratifiziert haben; es belegt jedenfalls, wie groß der Unterschied zwischen britischen Konservativen und Christdemokraten vom europäischen Festland ist. Tatsächlich gehören die Tories der 1976 gegründeten EVP auch nicht an, sie bilden aber dennoch – bislang – eine gemeinsame Fraktion mit ihr.

Damit soll nach der Europawahl am 7. Juni Schluß sein, beschlossen die britischen Konservativen vergangene Woche. Die Entscheidung fiel allerdings in London und dort nicht etwa von den Abgeordneten selbst, die mit großer Mehrheit in der EVP-Fraktion bleiben wollen. Sprecher der EVP bekundeten umgehend ihr Bedauern, aber auch die Zuversicht, selbst ohne die Briten auch nach der Europawahl stärkste Kraft in Straßburg bleiben zu können. Inoffiziell ist zu hören, daß es solche Vorstöße schon mehrfach gegeben habe, daß auch im krisengeschüttelten Großbritannien Europawahlkampf herrsche und man ohnehin erst sehen müsse, welche Entscheidungen nach dem Wahltag tatsächlich fallen.

Ein Grund, warum die notorisch euroskeptischen britischen Konservativen aber auch die tschechische ODS in Straßburg nicht längst eigene Wege gehen, besteht im Verlust des Fraktionsstatus, der ihnen in diesem Fall drohen würde. Nach den Regeln des Europäischen Parlaments (EP) muß eine Fraktion nämlich aus mindestens 20 Abgeordneten aus sechs Staaten bestehen. Ersteres ist kein Problem − allein die Tories stellen jetzt schon 28 Europaabgeordnete und nach dem 7. Juni dürften es eher mehr sein, die ODS bringt es auf neun Abgeordnete. Noch ist die Mindestzahl der sechs Teilnehmerländer nicht erreicht, aber offenbar arbeiten britische Konservative und tschechische Nationalliberale seit längerem daran, Abgeordnete weiterer Länder und Fraktionen von ihrem Vorhaben zu überzeugen − und an dieser Stelle beginnt die politische Brisanz des Abspaltungsbeschlusses.

Denn die Plätze rechts der EVP  sind bereits besetzt − von der Fraktion der Union für das Europa der Nationen (UEN). Mit 44 Abgeordneten aus sechs Ländern  bildet die UEN die derzeit viertgrößte Fraktion. Ihr Programm ist nicht antieuropäisch, wohl aber auf die Wahrung der nationalen Souveränität der EU-Mitgliedstaaten gerichtet und deswegen gegen eine weitere Verlagerung von Zuständigkeiten nach Brüssel. Zu ihren Mitgliedsparteien gehören Rechtskonservative wie die italienische Lega Nord und die dänische Volkspartei, aber auch Radikale wie die polnische Bauernpartei „Selbstverteidigung“ und die „Liga polnischer Familien“. Eine dritte polnische Kraft in der UEN ist die Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) von Präsident Lech Kaczynski. Diese erwägt nun offenbar ebenfalls, sich der in Entstehung begriffenen, euroskeptischen Fraktion anzuschließen. Auch mit lettischen und litauischen Abgeordneten wird dem Vernehmen nach gesprochen. Falls diese Gespräche  zu einem Ergebnis führen sollten, wäre der begehrte Fraktionsstatus für die „Euroskeptiker“ freilich immer noch nicht ganz erreicht, der der UEN jedoch verloren.

Angesichts dieser Schwierigkeiten spricht einiges dafür, daß der Vorstoß von Tory-Chef David Cameron, mit dem dieser ein altes Wahlversprechen einlöst, doch eher Teil des laufenden Europa-Wahlkampfs ist. Falls diese Operation nach dem 7. Juni überhaupt fortgesetzt wird und zum Erfolg kommen sollte, wäre damit aus deutscher Sicht allerdings sicher nichts gewonnen − eher im Gegenteil. Während die UEN als vergleichsweise deutschfreundlich gilt (kürzlich führten UEN-Vertreter sogar Gespräche mit Massimiliano Lacota und anderen führenden Vertretern der Europäischen Union der Flüchtlinge und Vertriebenen/EUFV), hätten deutsche Konservative oder gar die Vertriebenen von einer Formation, in der britische Tories sowie Tschechen und Polen von ODS und PiS den Ton angeben, nichts Gutes zu erwarten.

Konrad Badenheuer

Foto: Freunde Deutschlands? Falls das Vorhaben der „Europa-Skeptiker“ David Cameron (r.) und Miroslav Topolánek (l.), dem Chef der tschechischen ODS, gelingen sollte, hätte Deutschland nichts davon.


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