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21.03.09 / Rumänien fürchtet den Tsunami / Nach Jahren des Booms erreicht die Weltfinanzkrise auch den Balkanstaat – Zahlungsunfähigkeit droht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-09 vom 21. März 2009

Rumänien fürchtet den Tsunami
Nach Jahren des Booms erreicht die Weltfinanzkrise auch den Balkanstaat – Zahlungsunfähigkeit droht

Noch im Jahr 2008 wuchs die Wirtschaft Rumäniens um stolze sieben Prozent, doch jetzt ist der Balkanstaat von der Zahlungsunfähigkeit bedroht, selbst in den Vorzeigeregionen steigt bereits die Arbeitslosigkeit. Beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU hat Bukarest wegen Milliardenhilfen vorgefühlt: Ein Land zwischen dem Ende der Wachstumseuphorie und dem Beginn einer womöglich tiefen und langen Krise.

Der Zustand ist seltsam, und er ist allgemein. Die von der Wirtschaftskrise arg gebeutelten Bürger Europas haben etwas vom Kaninchen an sich, das von der Schlange zwar hypnotisiert ist, aber dennoch seinen Alltagbeschäftigungen nachgeht, obwohl es jeden Augenblick verschluckt werden kann.

Und die Lage wird immer bedrohlicher – vor allem in Rumänien. Im Januar sind die Exporte um 1,91 Milliarden Euro zurückgegangen, 75 Prozent der rumänischen Manager befürchten eine Vertiefung der Finanzkrise. „Nein, es gibt keine Hamsterkäufe“, beruhigt Daniela Costa vom Pressebüro des Hermannstädter Bürgermeisters Klaus Johannis noch, „aber schon eine leichte Unruhe.“

In weite Ferne gerückt ist das siebenprozentige Anwachsen des Bruttoinlandsproduktes, das noch 2008 erreicht wurde. An der Zahl ist zu sehen: Die Krise erreichte den Balkanstaat spät, sie war vergangenes Jahr kaum zu spüren. Doch nun steht seiner Wirtschaft eine Bauchlandung bevor. Deutschland, Frankreich und Italien fragen bei den Automobil-Zulieferfirmen deutlich weniger nach, 120000 Rumänen verloren allein in diesem Bereich ihren Arbeitsplatz.

Insgesamt könnte die Arbeitslosigkeit von jetzt 5,3 auf sieben Prozent ansteigen. Allerdings profitiert Rumänien von der deutschen Abwrackprämie, da die günstigen Neuwagen der Marke Dacia gut nachgefragt werden. Bisher mußte das rumänische Tochterunternehmen von Renault kein Personal entlassen.

Selbst Hermannstadt, wegen seiner außergewöhnlichen wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen Jahre eine Vorzeigekommune des Landes mit annähernder Vollbeschäftigung, zähle mittlerweile 7418 Arbeitslose, davon 3063 Frauen, erklärte der Sprecher des dortigen Arbeitsamts der PAZ Die Arbeitslosenquote belaufe sich auf vier Prozent. Vor einem Jahr gab es noch 1700 Arbeitslose weniger. Erfolgversprechend ist eine Einrichtung von fünf Mini-Arbeitsbörsen. Die Rumänen tun, was sie können. Beobachter bemerken jedoch bitter, das alles wirke so, als wolle man Krebs mit Kamillentee bekämpfen.

Rumänien könnte Berichten zufolge nach Ungarn und Lettland das dritte EU-Land sein, das auf Hilfe vom IWF und von der EU angewiesen sei. Es soll sich um 19 Milliarden Euro handeln, immerhin ein solider Rettungsring. Analysten sind der Ansicht, daß dieser Betrag annähernd die gesamten Auslandsverpflichtungen abdecken würde.

Jede ausländische Hilfe – und diese wird kommen müssen –   bedeutet aber für Rumänien strenge Sparmaßnahmen. Die Rumänen müssen in diesem Jahr trotz der Krise ihr Haushaltsdefizit auf zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) senken. 2007 noch machte das Land Schulden in Höhe von fünf Prozent seines BIP. „Das Rettungspaket wird nicht verhindern, daß Rumänien eine lang anhaltende und ausgeprägte Rezession durchlaufen wird“ – so das Fazit von Neil Shearing vom Forschungsinstitut „Capital Economics“.

Staatspräsident Traian Basescu sprach Anfang des Monats mit der Regierungsspitze und einigen Parteichefs, um sie über die mögliche Anleihe vom IWF zu informieren und Maßnahmen zu erörtern, da Rumänien bereits 2009 von der Rezession betroffen werden könnte. Laut „Cotidianul“ („Die Tageszeitung“) sollte die Zinsaussetzungsfrist zwischen fünf und sieben Jahren liegen, 2014 soll das Geld demnach zurückerstattet werden.

Mittlerweile bestätigte die rumänische Regierung Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds und der EU über eine Anleihe von 20 Milliarden Euro. Auch in diesen schweren Wochen versucht Präsident Basescu indes, eine kleinliche Parteipolitik zu verfolgen: Mit dem geliehenen Geld will der Präsident die nächsten Präsidentschaftswahlen gewinnen.

Tsunami hin, Tsumani her, der IWF wird 2010 der große Gewinner der Geschäfte mit Osteuropa sein und, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg schreibt, im nächsten Jahr einen Gewinn von 650 Millionen Euro machen. In den letzten sechs Monaten gewährte der IWF folgende Darlehen: 16,5 Milliarden Dollar an die Ukraine, 15,7 Milliarden Dollar an Ungarn, 10,4 Milliarden an Lettland, 2,5 Milliarden für Weißrußland, 2,1 Milliarden für Island, 7,6 Milliarden an Pakistan und 516 Millionen an Serbien.

Während beim Währungsfonds die Milliarden nur so über den Tisch geschoben werden und die Hektik den Finanzleuten fast die Augen aus dem Höhlen preßt, geht das Leben in Rumänien bisher ruhig weiter. Zwar gibt es täglich Entlassungen.

Wovor sich der kleine Mann aber noch mehr fürchtet, das ist die Inflation, die schon jetzt bei 20 Prozent liegt.

Doch die Luxusgeschäfte in den Flaniermeilen der großen Städte finden noch immer ihre zahlungsfähigen Kunden, auch die Spitzenhotels hat die Krise offenbar noch nicht erreicht. Hansmartin Borger, Fachmann für Metallbaukonstruktionen, hat kürzlich erst einen Bauabschnitt des neuen Hermannstädter Luxus-Hotels „Golden Tulip“ abgenommen. Nach seiner Einschätzung hat die Krise Rumänien bislang nur in ersten Ausläufern erreicht: „Ja, es melden sich meines Wissens täglich rund 200 Leute arbeitslos, aber die Armenküche ist noch lange nicht überbelegt.“           Ernst Kulcsar

Foto: Ausnahme: Als einer von wenigen Autoherstellern entläßt Dacia bisher nicht.


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