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21.03.09 / Wie Preußen an den Rhein kam / Vor 400 Jahren brach der Jülich-Klevische Erbfolgestreit aus – Europäische Dimension

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-09 vom 21. März 2009

Wie Preußen an den Rhein kam
Vor 400 Jahren brach der Jülich-Klevische Erbfolgestreit aus – Europäische Dimension

Am 25. März 1609 starb Johann Wilhelm III., der Herzog von Jülich, Kleve und Berg, Graf von Mark (an der mittleren Ruhr) und Graf von Ravensberg (rund um Bielefeld). Er hinterließ keine erbberechtigten Nachkommen für seinen reichen Besitz am Niederrhein. Daher war nun die Stunde der angeheirateten Erbansprüche gekommen, und die große europäische Politik wurde aufmerksam.

Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg warf seinen Hut in den Ring, denn er war verheiratet mit Anna, der Enkelin des vorletzten Herzogs Wilhelm, die ihrerseits der Ehe von Albrecht Fried­rich, dem Herzog von Preußen, und der Tochter Leonore des Herzogs Wilhelm entsprossen war. Anna war nach brandenburgischer Auffassung die Erbin, denn Kaiser Karl V. hatte den Herzögen von Jülich-Kleve-Berg das Privileg der Erbfolge auch im weiblichen Stamme erteilt. Aber Mutter Leonore hatte noch zwei jüngere Schwestern, die ins Herzogtum Pfalz-Neuburg und ins Fürstentum Pfalz-Zweibrücken (beide wittelsbachisch) geheiratet hatten.

Damit gab es zwei weitere Anwärterinnen. Leonore wäre als älteste der Schwestern eigentlich bevorrechtigt gewesen, hatte aber keine männlichen Nachkommen. Deshalb schrieben die Pfalz-Neuburger die Erbschaft ihrer Familie zu. Kaiser Friedrich III. (1440–1493) jedoch hatte für den Fall des Aussterbens der männlichen Linie das Recht der Nachfolge an die sächsischen Wettiner vergeben – dem hatte das Privileg Karls V. allerdings widersprochen. Es gab insgesamt also vier Bewerber, und wenn alle Ansprüche sich als unbegründet herausstellen sollten, so hoffte der gerade amtierende Kaiser Rudolf II. zusammen mit seinen Kronjuristen, dann könnte die fette Erbschaft wohl auch ihm zufallen.

Vor diesem Hintergrund verkündete der Kaiser, er wolle im Herbst über die Erbansprüche entscheiden. Die streitenden Fürsten erkannten, daß ihre Interessen keine Einmischung des Reichsoberhauptes duldeten. Deshalb schlossen Brandenburg und Pfalz-Neuburg im Juli 1609 zu Dortmund einen vorläufigen Kompromiß: Die Erb­länder waren bis zu späterer friedlicher Entscheidung gemeinsam zu verwalten, seitens der Brandenburger durch Ernst, den Bruder des Kurfürsten. Beide Parteien nannten sich „die Possidierenden“ (vom lat. possidere = besitzen). Immerhin, die Pfalz-Zweibrückener erkannten den Dortmunder Vertrag an und schieden damit aus dem Rennen aus.

Während der Kaiser vergeblich anmahnte, den Dortmunder Vertrag aufzuheben, begannen die im Bündnis der „Union“ vereinten protestantischen Fürsten Deutschlands, sich für den Fall zu interessieren. Die Erbländer sollten nicht wieder einen katholischen Herrscher bekommen. König Heinrich IV. von Frankreich seinerseits war entschlossen, eine eventuelle Festsetzung der spanischen Truppen, die in Luxemburg und an der Maas standen, am Niederrhein zu verhindern, begann daher mit Rüstungen und zog die „Union“ in sein Kriegsprojekt gegen Spanien hinein. Der Konflikt erreichte also eine europäische Dimension.

Der Kaiser schickte seinen abenteuerlustigen Neffen Leopold zur Besetzung von Jülich. Deutsch-protestantische, französische, auch niederländische und englische Einheiten zogen daraufhin zur Belagerung auf – im Gegenzug rüsteten die Spanier. Vielleicht wäre der Dreißigjährige Krieg schon damals ausgebrochen, wenn Heinrich IV. nicht am 14. Mai 1610 plötzlich ermordet worden wäre und wenn die Nachfolgeregierung in Paris sich nicht sofort um Ausgleich bemüht hätte.

Diese Entspannung wurde abgelöst durch Spannung unter den „Possidierenden“, als 1613 der Neuburger zum Katholizismus und Johann Sigismund zum Calvinismus übertraten. Die logische Folge war, daß die Spanier sich hinter den Neuburger stellten und die Niederländer hinter den Brandenburger. Ihre Truppen standen sich schon Auge in Auge gegenüber, da zogen es beide doch vor, sich an ihren Waffenstillstand von 1609 zu erinnern. Am 12. November 1614 kam es in Xanten zu einem Ausgleich, der das Kondominium, die Gesamt-Regierung durch eine territoriale Aufteilung ersetzte. Brandenburg bekam die Verwaltung in Kleve, Mark und Ravensberg, Jülich und Berg fielen an Pfalz-Neuburg.

Kurfürst Friedrich Wilhelm (1640–1688), der „Große Kurfürst“, forderte noch einmal mit Nachdruck die gesamte Erbschaft. Nach unendlich langen und komplizierten Verhandlungen, in die der nunmehrige Kaiser Leopold I. begütigend eingriff, um beide Streitparteien zu seinem Kampf gegen Frankreich verwenden zu können, kam es 1666 in Duisburg zum endgültigen Erbvergleich – gemäß dem Vertrag von Xanten.

Der Grundstein zur späteren preußischen „Wacht am Rhein“ mit den Provinzen Rheinland und Westfalen war damit gelegt. Bernd Rill


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