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21.03.09 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-09 vom 21. März 2009

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

es pergelt so munter weiter. Ihr erinnert Euch doch, Landslied, da hatte der Schleswig-Holsteinische Heimatbund uns die Frage übermittelt, ob dieser Ausdruck aus Ostpreußen stamme. Wir veröffentlichten sie in Folge 6, nichtsahnend, daß sie sich als wahrhaft „zündenter Funke“ erweisen sollte, Denn a) war das Wort tatsächlich in einem Teil unserer Heimat gebräuchlich und b) bezeichnete es soviel wie „durch einen Kienspan anzünden“, weil das Hauptwort „Pergel“ einen solchen bezeichnet. Und nun kommt noch c) dazu, denn „pergeln“ war nicht nur auf Ostpreußen beschränkt – eine Zuschrift, die sich auf die Neumark bezieht, haben wir bereits gebracht –, sondern auch im östlichen Ostseeraum gebräuchlich. Denn jetzt meldete sich Frau Anne Pekkaaro aus Estland und legt eine ganz andere Deutung des Wortes vor. Mit Feuer hat es auch irgendwie zu tun, denn in dem sollen die ja braten, die in die Hölle kommen: In der ugrischen Sprache bedeutet es nämlich „Satan“. In Finnland bezeichnet man den Teufel mit „perkele“ – gesprochen „pergele“, in Estland mit „pärgel“. Zwar gebrauchen nur noch die alten Esten das Wort, dafür aber fast in jedem Satz. Frau Pekkaro, die Königsbergerin, die schon als Kleinkind nach Estland kam, hat sich darüber Gedanken gemacht, meint, daß es durch die Wikinger an die Ostküsten des mare balticum gekommen sein könnte – sie erwähnt andere Beispiele –, aber sie denkt noch weiter: Könnte das Wort nicht mit dem prussischen Hauptgott Perkunos zusammenhängen, dessen Haupt ein Flammenkranz krönt, den Gott des Donners, für den das heilige Feuer gezündet wurde, das nie ausgehen durfte? Dieser Gedanke könnte noch weiter in unserer Leserschaft „pergeln“, dessen bin ich mir sicher.

Auch bei unserem Landsmann Gerhard Leithaus aus Berlin hat der Kienspan gezündet, allerdings hieß dieser in seiner engeren Heimat, „da, wo die Scheschuppe fließt“, ganz anders, nämlich „Schackel“. Er wurde beim Holzhacken gleich aussortiert. Den Ausdruck kannte ich allerdings, allgemein wurde damit ein Stück Brennholz bezeichnet. Ja, seine geliebte Scheschuppe – die später in „Ostfluß“ umbenannt wurde, nicht gerade eine glückliche Bezeichnung für dieses Einsamkeit und Stille atmende Gewässer – an diesen Fluß seiner Kindheit denkt Herr Leithaus noch immer zurück. Sein Heimatdorf Antbudupönen, später Vormwalde, lag direkt an der fischreichen Scheschuppe, und schon als kleiner Junge hat er mit seinem Vater und den Geschwistern geangelt und gefischt. Und da hat er eine Frage, „die ich leider viel zu spät stelle“, aber er darf sicher sein, es ist nicht zu spät. Besteckt wurden die Aalschnüre mit Tauwürmern, Gründlingen und „Wengilles“, und um diese dreht sich die Frage. Diese sehr guten Aalköder wurden in den Monaten Mai bis Anfang Juli mit einer Schaufel aus dem Modder des Ufers ausgegraben. Sie sahen wie kleine Aale aus, waren sehr lebendig und versuchten schnell in das Wasser zu gelangen. „Um welche Lebewesen handelt es sich?“ möchte Herr Leithaus wissen. Zweifellos ist es eine litauische Bezeichnung und vielleicht nur in diesem Grenzgebiet gebräuchlich. Ich stamme zwar auch aus einer „Anglerfamilie“, habe als kleines Gnoss schon Tauwürmer gegrapscht sowie Gringels und Flitzerchen mit der Senke gefischt, aber hier muß ich passen. Handelt es sich vielleicht um eine Jungform des Schlammpietzkers? Alte Angler werden es wissen. Also Petri Heil, lieber Gerhard Leithaus! (Rothaarweg 20 in 12103 Berlin.)

Noch immer kommen Zuschriften zu Fragen, die dankenswerterweise schon gelöst wurden. So zu dem „Guthaus im Winter“ in Folge 2, das sich als Reichsarbeitsdienstlager für den weiblichen Arbeitsdienst Arnstein im Kreis Heiligenbeil erwies. Auch die Haushaltschule St. Katharinen in Königsberg-Maraunenhof konnte aufgrund des Fotos eines unbekannten Königsberger Gebäudes in Folge 4 einwandfrei identifiziert werden, wobei ich aufgrund des Schreibens von Herrn Reinhard Klawki noch hinzufüge, daß sich der Orden der Katharinenschwestern heute in Münster befindet.

Es sollte keine Philippika sein, die liegt mir gänzlich fern, sondern eher eine Bitte, mit der ich in Folge 8 unsere Kolumne einleitete: nämlich uns doch bei Erfolgen eine kleine Benachrichtigung zukommen zu lassen, damit wir diese erfreuliche Tatsache an unsere hilfreichen Leserinnen und Leser weitergeben können. Frau Dolores Tannwitz aus Dülmen stieß im Internet auf diesen Passus und auf den Suchwunsch von Frau Eleonore Otto aus Wesseling nach ehemaligen Mitschülerinnen aus Allenstein und sandte mir sofort eine Erfolgsmeldung. Denn auch sie ist für eine Bekannte, Frau Inge Schwab, auf der Suche nach ehemaligen Mitschülerinnen von der Horst-Wessel-Schule in Allenstein, und gerade diese Schule hatte Frau Otto genannt. Frau Inge Schwab geborene Dronschkowski wollte sofort Kontakt mit Frau Otto aufnehmen. Frau Schwab, * 1929, sucht vor allem ihre Mitschülerinnen Ida Preuß und Irmgard Stade sowie die aus Hamburg stammende Freundin Elfriede Wulf, die stets in den Ferien zu ihren Verwandten nach Allenstein kam. (Zuschriften an Frau Dolores Tannwitz, Postfach 1616 in 48237 Dülmen, Fax/Telefon 02594/789876, E-Mail: museval@aol.com)

Und ganz, ganz schnell hat sich Herr Martin Schulz aus Dresden für die Veröffentlichung seines Wunsches in Folge 8 bedankt. Der in Hoppendorf, Kreis Pr. Eylau Geborene ist jetzt dabei, seine Familiengeschichte so reichhaltig wie möglich zu erstellen, damit er sie seinen Nachfahren weitergeben kann. Ein wohl aus den 20er Jahren stammendes Foto aus einem kürzlich entdeckten Schuhkarton mit alten Aufnahmen, das eine unbekannt, wahrscheinlich aus Hoppendorf stammende Dame zeigt, haben wir auch gebracht. Dazu ist leider – und so schnell auch kaum möglich – noch keine Zuschrift gekommen, aber es haben sich einige Leserinnen und Leser bei Martin Schulz gemeldet, die auch aus seiner Heimat stammen, so eine ehemalige Mitschülerin seiner Schwester. „Ob ein Ergebnis kommt oder nicht, es ist gut zu wissen, daß es eine Reihe von Menschen gibt, die mit viel Herzlichkeit sich meiner Angelegenheit annehmen“, schreibt Herr Schulz. Und das wird ihn über den Tod seiner Mutter Olga Schulz geborene Barleben ein wenig hinwegtrösten, die jetzt so unerwartet verstarb. Die 101jährige wachte aus ihrem Mittagsschlaf nicht mehr auf. Ein gnädiger Tod, so muß man wohl sagen. Mit ihr verlor der Sohn auch eine Chronistin, die mit ihren wachen Erinnerungen auch in dem hohen Alter die Familiengeschichte bereichert hat.

Auch Herr Heinz Bartsch aus Halle hat vor einigen Jahren schon Resonanz in unserem Familienkreis gefunden, nun wendet er sich erneut an uns, und ich meine, er kann wieder auf ein positives Echo hoffen. Es geht um seinen Vater Bruno Bartsch, * 4. Dezember 1907 in Königsberg. Wie ihm der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) vor kurzem mitteilte, hat Bruno Bartsch den Krieg überlebt und befand sich 1945/46 in amerikanischer Gefangenschaft. Die Entlassungsanschrift lautet: Jesau über Königsberg, Siedlung C 33. Sein Sohn hat keine Erinnerung mehr an diesen Ort südlich von Königsberg mit seinem Flugplatz, aber mit Sicherheit einige unserer Leser und Leserinnen. Auch in unserer Kolumne tauchte schon öfters der Name auf. Ob allerdings die dringlichste Frage von Herrn Bartsch beantwortet werden kann, ist fraglich, denn sie lautet: „Gibt es noch Jesauer, die meinen Vater Bruno Bartsch und seine Familie kannten, vielleicht ehemalige Nachbarn aus der Siedlung?“ (Heinz Bartsch, Franz-Maye-Straße 19 in 06116 Halle/Saale, Telefon 0345/5636630.)

„Immer, wenn ich die Zeitung aufschlage und sehe Ihr Bild, muß ich an meine Großmutter denken“, schreibt Frau Ingrid Lohmann aus Stuttgart. Der Königsberger Dichter Walter Scheffler hat einmal ein kleines Gedicht geschrieben, dessen Endzeile lautet: „Ich trag’ meiner Heimat Gesicht.“ Ja, Landslied, da ich ostpreußisches, und wirklich nur ostpreußisches Blut in meinen Adern habe, kann ich das auch auf mich beziehen. Jedenfalls freue ich mich über diese persönliche Beziehung zu unserer Leserin, für die unser Ospreußenblatt ein Stück Heimat ist, die sie sogar nach Amerika mitnahm, als sie im vergangenen Jahr ihre jüngste Schwester Hannelore in den USA besuchte. Da saßen die beiden Schwestern zusammen, lasen unsere PAZ und den Heimatbrief und waren wieder tohuus in der Gumbinner Stadtrandsiedlung Annahof, wo die Mutter Johanne Schmidt geborene Thielert bis zur Flucht mit ihren drei Töchtern wohnte. Der Vater Otto Schmidt blieb seit 1943 in Rußland vermißt. Mutter und Töchter waren eine „kleine verschworene Gemeinschaft“, wie Ingrid Lohmann schreibt, und das blieben sie auch nach der Vertreibung: „Mutter sorgte für uns, später sorgten wir für Mutter.“ Die Töchter heirateten – auch Ostpreußen: Ingrids Mann stammte aus Lyck, Hannelore heiratete Hans-Joachim Koerner aus Gumbinnen und ging mit diesem in die USA.

Und damit kommen wir zu den Fragen, die uns Frau Lohmann übermittelt. Sie kristallisierten sich bei ihrem Besuch in Endicott, NY, heraus, wo Hannelore Koerner lebt. Wo sie auch schon gewohnt hat, als ihr Mann nach Texas ging und dort vor zwei Jahren verstarb. Hans-Joachim Koerner war fünf Jahre bei der US-Army, besaß die US-amerikanische Staatsangehörigkeit, war zuerst in Coldwell, New Jersey und dann für IBM in Texas tätig. Anscheinend hat Frau Koerner keine Verbindung mehr zu der Familie ihres Mannes, im Nachruf für den angesehenen US-Bürger wurden seine deutschen Verwandten – Neffen, Großneffen, Nichten, Großnichten – erwähnt. Seine Eltern wohnten nach dem Krieg in Geisenheim, eine Schwester und deren Kinder ebenfalls in der Gegend, auch Wiesbaden und Essen werden genannt. Frau Koerner kennt aber nicht die Namen dieser Verwandten, zu denen sie gerne Verbindung aufnehmen möchte. Sie und ihre Schwester Ingrid hoffen, daß dies durch unsere Ostpreußische Familie geschieht. Und dann hat sie noch einen Wunsch: Sie sucht ihre Freundin aus der Gumbinner Kindheit, Gerda Röder. Als Sechsjährige haben sie zusammen in der Siedlung Annahof gespielt, Hannelore wohnte in der Mozartraße, Gerda in der Schubertstraße. Wohin es die Freundin verschlagen hat, haben die Schwestern nie erfahren können. Ein Wiederfinden wäre schon ein kleines Wunder, meint Frau Lohmann, und wir glauben es auch. Sie selber würde sich sicher freuen, alte Bekannte aus Gumbinnen zu finden. Die Anschriften der Schwestern: Ingrid Lohmann, Tapachstraße 12 in 70437 Stuttgart, Telefon (0711) 844724 / Hannelore Koerner, 49 Old Newark Valley Rd. Endicott, N.J. 13760-6331, Telefon 001/607/7540/766.)

„Es ist fast eine Ewigkeit her, und doch hofft jeder Suchende auf ein Wunder“, schreibt auch Frau Irmgard Kohlhaase, die genau jeden Suchwunsch in unserer Kolumne liest, denn „es könnte ja sein, daß doch einmal ein früherer Wegbegleiter unserer damaligen Wanderschaft 1944 bis 1946 sich findet. Es ist fast eine Ewigkeit her, und der Kreis der Mitmenschen, die unseren Lebensweg kreuzten, wird immer kleiner, nur selten flattert ein Brief noch ins Haus.“

Deshalb bringe ich auf unserer Familien-Seite so viele Namen wie möglich, so finden sich doch unverhofft Landsleute wieder zusammen oder lernen sich kennen. Manchmal stößt das auf Unverständnis. Eine Leserin – der bereits etliche Wünsche erfüllt wurden – monierte kürzlich, daß ich die Frage nach einem alten Gedicht gebracht habe, das doch spielend leicht im Internet zu finden sei. Abgesehen davon, daß vor allem ältere, einsam lebende Menschen keinen Zugang zu den elektronischen Medien haben, spürte ich, daß in diesem Falle auch die Hoffnung dahinter stand, Verbindung zu anderen Lesern aus der Heimat zu bekommen. Und so geschah es dann auch. Und das zählt mehr als das gefundene Gedicht.

Eure Ruth Geede


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