29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
28.03.09 / Abschied vom Ausstieg / Siemens setzt weiterhin auf Kernenergie und sucht sich neue Partner

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-09 vom 28. März 2009

Abschied vom Ausstieg
Siemens setzt weiterhin auf Kernenergie und sucht sich neue Partner

Raus aus der Atomtechnik, rein in die Atomtechnik – Siemens im nuklearen Wechselbad. Der Konzern, der wie kein anderer für Kernenergie „made in Germany“ steht, setzt auf den Ausstieg aus dem von Rot-Grün verordneten Ausstieg. Die sich anbahnende Partnerschaft mit dem russischen Atomkonzern Ros-atom soll auch Brennelemente und Reaktoren einschließen.

Vor wenigen Wochen noch wurde in der veröffentlichten Meinung ein gänzlich anderes Bild gezeichnet. Im Januar teilte die Münchner Konzernzentrale mit, die Partnerschaft mit dem französischen Kernkraftwerk-Bauer Areva solle zu Anfang 2012 gekündigt werden. Schon jubelte der „Spiegel“: „Siemens steigt aus Atomkraft-Unternehmen aus“, was übereifrige Anti-Atom-Ideologen gleich als Totalausstieg interpretierten.

Dabei hatten sie „übersehen“, daß Siemens bei Areva gar nicht aus der Nukleartechnologie aussteigen konnte – die Franzosen hatten die Deutschen in diesen sensiblen Bereich nie einsteigen lassen. Die Freunde und Partner östlich des Rheins durften allerlei konventionelles Equipment beisteuern, Turbinen oder Leitungen zum Beispiel. Das nukleare Herz der Kraftwerke aber blieb fest in französischer Hand. Dafür durften die Deutschen sich großzügig an den Millionenverlusten beteiligen, die dank Management- und Kommunikationsfehlern derzeit beim Bau des finnischen Atomkraftwerks Oikiluoti eingefahren werden.

Grund genug also für den neuen Konzernchef Peter Löscher auszusteigen. Aus dem Gemeinschaftsunternehmen Areva NP, nicht aber aus der Zukunftsoption Kernkraft. Das wurde wenige Wochen nach der in Paris heftig kritisierten Kündigung deutlich. Löscher und sein russischer Kollege Sergej Kirijenko, Chef des russischen Staatskonzerns Rosatom, kündigten ganz unbescheiden an, gemeinsam baldmöglichst Weltmarktführer in Sachen Kernkraft zu werden.

Bei Areva war Siemens mit lediglich einem Drittel beteiligt, hatte kaum Einfluß auf die Konzernstrategie und wurde von den technologisch interessanten Geschäftsfeldern gezielt ferngehalten, übrigens entgegen allen vollmundigen Prognosen des damaligen Siemensvorsitzenden Pierer. Der Wert der deutschen Beteiligung wird auf rund zwei Milliarden Euro geschätzt; in Deutschland beschäftigt das Gemeinschaftsunternehmen derzeit an drei Standorten 4200 Mitarbeiter.

Der Zusammenschluß mit dem russischen Staatskonzern, der voraussichtlich im Mai besiegelt wird, soll deutlich andere Strukturen zeitigen. Zwar will Moskau die Mehrheit an dem geplanten Gemeinschaftsunternehmen halten, diese soll sich aber auf 50 Prozent plus eine Aktie beschränken. Und von den deutschen Partnern erwarten die Russen ausdrücklich mehr als die hinlänglich bekannte Kompetenz im Management komplexer Hochtechnologie-Projekte – sie sollen auch ihre jahrzehntelangen Erfahrungen im Reaktorbau und in der Herstellung von Brennelementen einbringen.

Hier spielt der Aspekt der nuklearen Sicherheit eine ganz besondere Rolle. Deutschland galt zumindest bis zum ideologisch motivierten Ausstieg als das Land mit den weltweit sichersten und zuverlässigsten Kernkraftwerken. In der jährlich von der internationalen Atomenergiebehörde IAEA veröffentlichten Liste der Reaktoren mit der besten Verfügbarkeit liegen deutsche AKW regelmäßig auf den Spitzenplätzen. Gebaut wurden sie alle von der damaligen Siemens-Tochter „Kraftwerk Union“ (KWU).

Die Russen hingegen sind genau für das Gegenteil bekannt. Spätestens seit der Katastrophe von Tschernobyl weiß man, welch geringen Stellenwert Sicherheit in Konstruktion und Betrieb dort haben. Zwar wurden aus dem schweren Unfall von 1986 Konsequenzen gezogen, aber längst nicht alle erforderlichen und zudem auch nicht konsequent genug.

Die Zusammenarbeit mit Siemens eröffnet den Russen nun die Chance, vom Image des unsicheren Kantonisten wegzukommen – angesichts der weltweiten Renaissance der Kernenergie und der damit zu erwartenden Milliardengeschäfte ein wichtiger Aspekt.

Vielleicht ist es ja auch ein gutes Omen, daß die künftigen Partner offenbar über ein erstes gemeinsames Projekt im nördlichen Ostpreußen nachdenken. Aufgrund der besonderen geschichtlichen und staatsrechtlichen Situation dieser Region stehen Berlin und Moskau hier in gemeinsamer Verantwortung, den Menschen in Königsberg und Umland das sicherste und zuverlässigste Kernkraftwerk zu präsentieren.     H.-J. Mahlitz

Foto: Während hier Kernkraftwerke still gelegt werden, kann Siemens in Rußland neue bauen: Rosatom-Chef Sergej Kirijenko (r.) vor dem Modell eines geplanten AKW.

 

Zeitzeugen

Werner von Siemens – Der 1816 im niedersächsischen Lenthe Geborene mußte das Gymnasium wegen wirtschaftlicher Probleme der Eltern ohne Abschluß verlassen und – obwohl hochbegabt – auf ein Studium zunächst verzichten. Sein Glück: Die preußische Armee schickte ihn 1835 als Offiziersanwärter an die Berliner Artillerie- und Ingenieurschule, wo er eine naturwissenschaftliche Ausbildung genoß. 1847 gründete er mit Johann Georg Halske die Berliner Telegraphenbau-Anstalt. Den Durchbruch brachte 1848 der Bau einer Telegraphenleitung von Berlin nach Frankfurt am Main. Weitere bahnbrechende Erfindungen: 1879 elektrische Straßenbeleuchtung und Elektro-Lok, 1880 elektrischer Aufzug, 1881 elektrische Straßenbahn. 1888 wurde Siemens von Kaiser Friedrich III. in den Adelsstand erhoben. Als er Ende 1892 in Berlin starb, war das von ihm aufgebaute Unternehmen bereits einer der führenden deutschen Weltkonzerne.

 

Heinrich Karl Friedrich Eduard Pierer von Esch – Der 68jährige Manager, der sich verkürzt Heinrich von Pierer nennt, leitete von 1992 bis 2005 als Vorstandsvorsitzender den Siemens-Konzern. Zwei weitere Jahre agierte er als Vorsitzender des Aufsichtsrats, mußte dann aber unter zunehmendem öffentlichen Druck zurücktreten und sieht sich nun selber als Beschuldigter in der Korruptionsaffäre. Seine Familie stammt aus Österreich. Sein Großvater hatte 1900 zum Preis von 280 Kronen das Adelsprädikat erworben. 1919 schaffte Österreich alle Adelstitel ab. Pierers Vater Leo aber siedelte 1937 nach Erlangen über und schaffte es auf bis heute ungeklärte Weise, das „von“ wieder im Namen führen zu dürfen. Pierer von Esch war 1969 nach dem Jura- und Volkswirtschafts-Studium zu Siemens gegangen; nach 23 Jahren hatte er sich an die Spitze des Konzerns emporgearbeitet.

 

Peter Löscher – Der 51jährige Österreicher wurde im Mai 2007 nach dem ebenso kurzen wie erfolglosen Interregnum Klaus Kleinfelds zum neuen Vorstandsvorsitzenden der Siemens AG benannt. Schnell gelang es ihm, aus dem Schatten seiner glücklosen Vorgänger zu treten, mit der von Korruptionsaffären belasteten Vorgeschichte zu brechen und das Unternehmen bislang auch in der Krise auf Kurs zu halten.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren