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28.03.09 / Vergessene Kämpfer gegen Stalin / Es gab fast zwei Millionen nichtdeutsche Kriegsfreiwillige – Ausstellung in der Schweiz bricht ein Tabu

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-09 vom 28. März 2009

Vergessene Kämpfer gegen Stalin
Es gab fast zwei Millionen nichtdeutsche Kriegsfreiwillige – Ausstellung in der Schweiz bricht ein Tabu

Die Geschichte wird von den Siegern geschrieben. Und so wird auch die Geschichte des Zweiten Weltkrieges gemeinhin als Kampf der guten Alliierten gegen die bösen Achsenmächte dargestellt. Zu dieser Schwarzweißmalerei paßt nicht, daß in diesem Krieg 1,86 Millionen Nichtdeutsche freiwillig auf deutscher Seite kämpften. In Sankt Gallen ist den Eidgenossen, die dadurch in sowjetische Kriegsgefangenschaft gerieten, nun eine Ausstellung gewidmet.

Die gemessen an der Gesamtbevölkerung meisten Freiwilligen stellte Estland mit 60000 Mann. In der Wehrmacht kämpften 5000 Esten, in der Waffen-SS und den SS-Grenzschutzregimentern jeweils rund 20000, in Schuma- (Schutzmannschaft-) und Polizeibataillonen 9000 sowie im Selbstschutz und sonstigen Einheiten noch einmal mehrere tausend Mann. Dabei sind auf deutscher Seite rund 15000 der insgesamt 1,2 Millionen Esten gefallen. Das 1935 1,9 Millionen Einwohner zählende Lettland stellte rund 100000 Freiwillige, darunter 14000 Mann in den Schuma-Bataillonen, die zu Grenzschutzregimentern zusammengefaßt wurden. Rund 40000 Letten fielen auf deutscher Seite. Das damals 2,0 Millionen Einwohner zählende Litauen, dessen Grenze zu Deutschland in der Zwischenkriegszeit umstritten war, stellte dagegen nur 20000 Mann auf deutscher Seite gegen die Rote Armee. Während aus Weißrußland, dessen nationale Identität vergleichsweise gering ausgeprägt war, nur 47000 Freiwillige kamen, wird der bewaffnete Beitrag der Ukraine für die deutsche Kriegsführung auf 250000 Mann geschätzt.

Was kaum jemand weiß: Die meisten Freiwilligen, schätzungsweise 800000 Mann, kamen aus Rußland. Davon dienten 50000 in General Andrei Andrejewitsch Wlassows Russischer Befreiungsarmee. Hinzu kamen mindestens je 110000 Kaukasier und Turkestaner sowie 35000 Wolgatataren als Freiwillige auf deutscher Seite. Sonderverbände bildeten die Krimtataren mit 20000 sowie die Kalmücken mit 5000 Mann. Die Gesamtzahl der auf deutscher Seite gefallenen Kaukasier und Turkestaner wird auf mindestens 100000 Mann geschätzt.

Doch nicht nur im östlichen Teil Europas, der Stalins Unterdrückung aus leidvoller Erfahrung kannte, fanden sich Freiwillige, welche das Dritte Reich in seinem Kampf gegen den Kommunismus unterstützte. Eine Sonderrolle spielte dabei Kroatien, das sich durch engere Zusammenarbeit mit Deutschland von der italienischen Bevormundung befreien wollte und deshalb in einem besonderen Maße Freiwillige mobilisierte. Nicht weniger als 145000 Kroaten meldeten sich zum Kriegsdienst an der Seite der Wehrmacht.

Das Spanien Francisco Francos war deutschfreundlich, aber neutral. Dennoch gab es 47000 spanische Freiwillige, die in der Blauen Division zusammengefaßt waren. Von diesen wurden bis zu 4500 getötet und 8000 verwundet. 321 wurden von den Sowjets gefangengenommen. Die spanischen Freiwilligen bildeten insoweit eine Ausnahme, als sie die einzigen waren, die nach dem Kriege nicht dafür geächtet wurden, daß sie auf der Seite der Verlierer gekämpft hatten.

Im Vergleich dazu fällt die Zahl von 10000 Freiwilligen aus Frankreich (ohne die zwangsrekrutierten Elsässer und Lothringer) ab. Die jahrhundertealte deutsch-französische „Erbfeindschaft“ war eben noch lebendig.

Dagegen dienten während des Zweiten Weltkrieges 38000 Belgier, 22000 Flamen und 16000 Wallonen, in der Waffen-SS. Die Niederlande stellten mit 40000 Mann das größte nichtdeutsche Kontingent der Waffen-SS.

In Dänemark sollen sich über 6000 Personen freiwillig für den Dienst in Wehrmacht und Waffen-SS gemeldet haben. Hinzu kamen 2000 Angehörige der deutschen Volksgruppe in Nordschleswig. Rund die Hälfte der 3890 dänischen Ostfrontkämpfer ist gefallen, 400 gelten als vermißt. (Oder war die Zahl der Kämpfer womöglich höher?)

Im Falle Norwegen ist von Bedeutung, daß mit Finnland ein skandinavischer Nachbar vom Sowjetimperialismus bedrängt wurde. Rund 6000 Norweger kämpften erst mit der finnischen Armee und dann mit den Deutschen gegen die Rote Armee.

Selbst unter den strikt neutralen Schweizern fanden sich rund 2000 Teilnehmer am deutschen Kampf gegen den Stalinismus. Denjenigen von ihnen, die in sowjetische Kriegsgefangenschaft gerieten, ist in ihrem Land nun eine Ausstellung gewidmet. „Kälte, Hunger, Heimweh – In sowjetischer Kriegsgefangenschaft 1941 bis 1956“ ist der Titel dieser Ausstellung, die im Historischen und Völkerkundemuseum St. Gallen zu sehen ist.

Auf Initiative eines St. Galler Bürgers, dessen Vater als Angehöriger der deutschen Wehrmacht 1944 in sowjetische Gefangenschaft geriet, wurde die für die Schweiz wohl einmalige Schau zusammengestellt. Der ehemalige Kriegsgefangene hatte Anfang der 1950er Jahre seine Erlebnisse wie so viele Leidensgenossen aufgezeichnet. Damit haben sie nicht nur ihr eigenes Schicksal zu verarbeiten versucht, sondern auch der Forschung wichtige Hinweise gegeben.

Der freiwillige Eintritt von (Auslands-)Schweizern in die deutsche Wehrmacht oder gar Waffen-SS hatte unterschiedlichste Gründe. Wie viele in Kriegsgefangenschaft gerieten, ist ungeklärt. Das Schick­sal der Schweizer Freiwilligen wird in der Ausstellung nur am Rande thematisiert. Im Vordergrund stehen die unterschiedlichen Aspekte des Gefangenen- und Lagerlebens. Kälte, Hunger und Heimweh, Stacheldraht, Krankheit, Sorgen und Entbehrung, Heimweh und Sehnsucht bestimmten das Leben der Gefangenen. Jeder noch so einfache Gegenstand, der diese entbehrungsreiche Zeit überstanden hat und in die Heimat gerettet werden konnte, ist heute von großer Bedeutung, veranschaulicht er doch das karge Leben, das die Männer über Jahre fristen mußten. Aus einer Billardkugel wurde eine Madonna geschnitzt, Birkenrinde diente als Grundlage für ein Büchlein mit Gedichten. Filzstiefel sollten vor sibirischer Kälte schützen. Sie alle sind Zeuge dafür, wie Phantasie und Geschick für das Überleben in den Lagern unabdingbar waren. „Dank der großzügigen Unterstützung ehemaliger Kriegsgefangener und deren Bereitschaft, über jene Zeiten zu sprechen und Auskunft zu erteilen, konnten viele Lücken geschlossen werden“, so die Kuratoren der Ausstellung.          

Manuel Ruoff / Silke Osman

Die Ausstellung „Kälte, Hunger, Heimweh – In sowjetischer Kriegsgefangenschaft 1941 bis 1956“ ist im Historischen und Völkerkundemuseum, Museumstrasse 50, St. Gallen bis zum 13. September, Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr zu sehen.

Foto: Sowjetische Kriegsgefangenschaft: Auch einige Hundert Schweizer traf dieses Schicksal.


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