29.03.2024

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28.03.09 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-09 vom 28. März 2009

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

immer, wenn vertraute Worte aus dem heimatlichen Sprachschatz in unserer Zeitung erscheinen, kommt die Erinnerung zurück: Ja, so war das, so haben wir als Kinder gesprochen, so hat Mutter gesagt, wenn … ja, wenn wir sie zum Beispiel fragten, was es denn zum Essen gäbe: Bunte Nuscht mit jeele Feetkes. Die haben wir zwar nie verspeist, denn das war kein Gericht aus der heimisches Küche, und im „Doennigschen“, dem Standardwerk der ostpreußischen Kochkunst, hätten wir das Rezept auch nicht gefunden, sondern es ist eine Redensart, um allzu neugierige Pottkicker hinzuhalten. Unsere Leserin Ingrid Lohmann – deren Suchwunsch wir in der letzten Folge ausführlich behandelt haben, erwähnte ihn in ihrem langen Brief, aber bei ihr sind die Nuscht „jeel“ und die Füßchen „witt“ – und wenn es was Gutes auf den Tisch in ihrem Gumbinner Elternhaus kam, hieß es „Good Kielkes“, also „gute Keilchen“, wie bei uns die Klöße genannt wurden. Ob Pflaumenkeilchen, ob Kartoffelkeilchen oder die berühmten Heilsberger Keilchen: Sie schmeckten immer und machten satt. Das war schon so vor 300 Jahren, wie ein alter Bericht bezeugt: „In keinem Land dürften die Mehlklöße oder Klumpen, die man allhier Käulchen oder plattdeutsch Külken nennt, so allgemein beliebt und in hohen und niedern Häusern so häufig gegessen werden wie in Preußen.“

Auch von einem anderen Leibgericht der Ostpreußen wird berichtet, den grauen Erbsen. „Ein fast tägliches Gericht des gemeinen Mannes und eine Sonnabendspeise in angesehenen Häusern sind die Kröll-, Krell- oder Spöckelerbsen, welches im Wasser weich gekochte Erbsen sind, die man trocken und mit fein gestoßenem Ingwer bestreuet aufträgt oder auch mit geschmolzener Butter und umhergelegten Bratwürsten speiset.“ Ingwer? Na ja, dieses exotische und damit kostspielige Gewürz blieb damals wohl nur sehr „angesehenen Häusern“ überlassen und damit belassen – wir lieben die „Grue Arfte möt Speck“, wie unsere Mütter sie kochten als deftiges Alltagsessen mit „Spirkeln“ oder „Krischeln“ und süßsauer abgeschmeckter Mehlsoße. Dieses so einfache Urrezept der ostpreußischen Küche hat unsere Leserin Ingrid Preylowski aus Bad Bent-heim wieder hervorgeholt, denn als sie kürzlich bei ihrer Tochter in Uetersen weilte, stellte sie fest, daß in vielen Lokalen in und um Elmshorn die „Graue Erbsen-Saison“ angesagt war, und das hat dort seinen historischen Grund. Einst haben nämlich die grauen Erbsen Elmshorn vor dem Hungertod gerettet, und so gibt es zur Faschingszeit Erbsen satt – aber wie: mit Schweinebacke, Kassler, Kochwurst und Speckstippe – dagegen können wir mit unserem ostpreußischen Leibgericht geradezu abspecken. Und übrigens haben ja die grauen Erbsen bei uns auch einen Eigenamen: Peluschken.

Der Fasching ist zwar schon lange vorüber, aber wir müssen doch noch einen Nachschlag bringen – nein, keine Erbsen, sondern ein heiteres kleines Erlebnis, das unser Landsmann Horst Redetzky aus Delmenhorst übermittelte, nachdem er meine Geschichte vom Fastnachtsstorch in unserer Zeitung gelesen hatte. Ich lasse ihn erzählen: „Nach Krieg, langer Gefangenschaft und einem Pädagogikstudium war ich im Jahre 1956 schon ein ,betagter‘ Junglehrer. Trotzdem erinnerte ich mich noch gut an meine Schülerstreiche in der Tilsiter Niederung. Und natürlich erzählte ich davon gerne meinen Schülern, so auch über die ostpreußische Fastnacht. Meine Schilderung mußten sie aber falsch verstanden haben. Als ich am nächsten Morgen in die Klasse kam, prangte der Spruch ,Fastnacht feiert Katz und Maus …‘ schön verziert an der Tafel, und die Tornister und die Schüler waren weg! Nun ging das Suchen los: In den Gebäuden, auf den Schulhöfen und schließlich sogar in dem kleinen angrenzenden Park. Nichts! Leider war mein Suchen dem Schulleiter nicht verborgen geblieben. Es gab Krach. In einer so großen Schule kann man doch solch ein dummes Zeug nicht machen! Aber meine Kollegen fanden dafür Verständnis. Immerhin waren 17 von 23 Lehrern Vertriebene. Zum normalen Schulschluß löste sich das Rätsel auf: Die Schüler hatten jenseits der Straße auf einem stillgelegten Gleis der Linoleumwerke an der Delme Versteck gespielt. Sie schienen sich keiner Schuld bewußt. Und bei meiner Standpauke mußte ich mir mit aller Kraft das Lachen verbeißen. Womöglich lebt das Land Ostpreußen auf Grund dieses Ereignisses in 30 westdeutschen Schülern so nachhaltiger fort als durch jeden Fachunterricht.“

Aber es lebte auch in einer anderen Erinnerung von Horst Redetzky wieder auf, die wir in Folge 7 auf der Seite „Heimatarbeit“ unter dem Titel „ein Sommer in Pagelinen“ veröffentlichten. Er schildert den Abschied des damaligen Forstlehrlings von einer unbeschwerten Jugend – und diese Replik hat auch bei einer Leserin im fernen Namibia Erinnerungen an ihre Kindheit und Schulzeit geweckt, denn Ilse Kreiner lebte als Tochter des Oberförsters Lehnert im Forstamt Padrojen, dem späteren Horstenau, und ging in Pagelinen zur Schule. Sie bittet um die Anschrift des Verfassers, denn „vielleicht kennen wir uns?“ Auch wenn nicht: Die Erinnerung an dies Jugendparadies, von dem der Abschied schon schwer fiel, als der Vater an die Regierung in Gumbinnen versetzt wurde, verbindet auch noch nach Jahr und Tag. Aber vielleicht erinnern sich auch noch andere Pageliner, mit denen die 1929 Geborene zusammen auf der Schulbank saß, an Ilse Lehnert? Somit reiche ich ihren Wunsch, den sie an Horst Redetzky richtet, auch an unsere Familie weiter: „Es wäre schön, wenn wir miteinander korrespondieren und vielleicht Erinnerungen austauschen.“ Ihre Anschrift: Ilse Kreiner, Postfach 156, Windhoek, Namibia.

Haben wir jetzt schon zu lange plachandert? Muß auch mal sein, denn gerade im Gedankenaustausch und den gemeinsamen Erinnerungen an vergangene Tage wächst das Heimatgefühl, das unsere Ostpreußische Familie zusammenhält. Das habe ich so richtig bei der Frage nach der Bedeutung von „pergeln“ gemerkt, die eine Flut von Zuschriften auslöste und immer kommen noch welche. Aber unsere vordringlichste Aufgabe ist doch das Vermitteln von Suchwünschen, und deshalb dürfen die auch in unserer heutigen Kolumne nicht fehlen. Da meldet sich Frau Herta Rudau aus Bad Berka, die immer mit Spannung unsere Suchfragen und deren mögliche Ergebnisse verfolgt, und wenn Positives zu verzeichnen ist, freut sie sich sehr darüber. Und verstärkt die Hoffnung, daß sich vielleicht über unsere Familie das Schicksal ihres Vaters Fritz Hugo Rudau klären läßt oder daß wenigstens ein wenig Licht in das Dunkel seiner letzten Lebenstage gebracht werden kann. Sie forscht nun schon einige Jahre nach seinem Verbleib, beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) gilt er als verschollen, und zwar in Griechenland. Die meisten Suchfragen, die uns erreichen, beziehen sich ja auf Wehrmachtsangehörige, die an der Ostfront, vor allem beim Kampf um Ostpreußen, vermißt werden. Hier liegt der Fall nun etwas anders.

Fritz Hugo Rudau stammt, wie der Name schon vermuten läßt, aus Ostpreußen. Er wurde am 25. November 1904 in Königsberg geboren, war von Beruf Klempner und verheiratet mit Engelberta Rudau geborene Kosollek. Das Ehepaar hatte vier Kinder, die Familie wohnte in Königsberg auf dem Hinterroßgarten 58. Als Wehrmachtsangehöriger war der Obergefreite zum letzten Mal Weihnachten 1943 auf Heimaturlaub bei seiner Familie, die dann im August 1944 ausgebombt wurde. Frau Rudau kam mit ihren vier Kindern nach Drugehnen, wo sie bis Oktober bei der Familie Mrosek Unterkunft fanden. Dorthin wurde auch die letzte Post des Vaters, ein Brief und eine Karte, nachgesandt. Der Brief war in Wien abgestempelt. Die Feldpostnummer lautete 453824. Der Vater schrieb, daß er zur Partisanenbekämpfung nach Griechenland käme. Danach hat die Familie kein Lebenszeichen mehr erhalten. Ob Fritz Rudau in Griechenland verstarb, ob er in Gefangenschaft geriet – niemand weiß es. Deshalb lautet die Frage von Herta Rudau: „Wer kannte meinen Vater? Was ist aus ihm geworden?“

Vielleicht können ehemalige Wehrmachtsangehörige, die ebenfalls in Griechenland waren, etwas über diese Einsätze sagen. Frau Rudau wäre für jede Zuschrift dankbar. (Herta Rudau, Tiefengrubener Straße 46 in 99438 Bad Berka, Telefon 036458/30663.)

„Wenn es möglich ist, bitte ich Sie, einen Artikel im Ostpreußenblatt darüber zu schreiben“ – so der Wunsch unseres Landsmanns Günther Vogehr aus Lengerich. Wir erfüllen ihn gerne, denn „darüber“ bezieht sich auf eine Mitteilung seines Vetters Ulrich Strahl aus Kanada und dessen Mitwirkung bei einem denkwürdigen Vorgang: der Ehrung für alle Gefallenen bei den Kampfhandlungen im Zweiten Weltkrieg am Kriegerdenkmal in Brighton, Kanada. Die Vettern stammen aus Brittanien, Kreis Elchniederung. Wahrend Günther Vogehr nach Kriegsende und Vertreibung in Westdeutschland blieb, wanderte der ehemalige Luftwaffenoffizier 1954 nach Kanada aus und schaffte sich dort eine neue Existenz. Heute lebt Ulrich Strahl mit seiner Frau Edith im Sommer in Brighton, Ontario, im Winter zieht es sie nach Florida. Von dort aus sandte er seinem Vetter einen kurzen Bericht über die am letzten Tuesday’s Remembrance Day im November vergangenen Jahres am Kriegerdenkmal in Brighton stattgefundene Gedenkstunde für die Gefallenen, die nicht nur wie bisher den Kriegstoten der Royal Canadian Legion galt, sondern auch die der ehemaligen Gegenseite mit einbezog. Eine Ehrung mit starkem Symbolcharakter für Versöhnung und Vergebung über alle Gräber und Gräben hinweg, den zwei „Second World War veterans“ vollzogen: der Brigadier General Jack Gibbons und der ehemalige Offizier der Deutschen Luftwaffe, Ulrich Strahl. Sie trugen gemeinsam den Kranz für die Gefallenen zum Cenotaph, dem Kriegerdenkmal von Brighton, auf dem alle Namen der Gefallenen des Ortes verzeichnet sind. Diese gemeinsam vollzogene Ehrung wurde in der Öffentlichkeit viel beachtet, weil sie in dieser Form noch nie stattgefunden hat. Einige Presseberichte legte Herr Strahl dem Brief an seinen Vetter bei, der sie uns übersandte. Vielen Dank, lieber Herr Vogehr, für die Vermittlung dieser Symbolhandlung, die ein Ostpreuße mit vollzog. Und deshalb, so glaube ich, hat der kleine Bericht gerade in unserer Kolumne einen guten Platz.

Eure Ruth Geede

Foto: Fritz Hugo Rudau: Wer etwas zur Klärung des Schicksals des Luftwaffenobergefreiten beitragen kann, wende sich an seine Tochter Herta Rudau, Tiefengrubener Straße 46 in 99438 Bad Berka, Telefon (036458) 30663.


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