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28.03.09 / Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-09 vom 28. März 2009

Was wirklich lohnt / Was Bonus mit Schaumkuß zu tun hat / Von Amerika lernen heißt verdienen lernen / Auch die Kanzlerin irrte sich – und gibt es zu
Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

Kennen Sie den? Leistung muß sich wieder lohnen! Stimmt, die kürzesten Witze sind meist die besten. Leider sind sie auch oft die bittersten.

Wer würde einer solchen Selbstverständlichkeit nicht reinen Herzens zustimmen? Klar muß sich Leistung wieder lohnen. Fragt sich nur, für wen! Seit die Krise mit dem Potential zur Katastrophe über uns kam, haben sich einige neue, sehr bedenkliche Schimpfwörter im allgemeinen Sprachgebrauch eingenistet. Harmlose, unbescholtene Wörter, denen man gar nichts Böses zutraute. Das Schicksal teilen sie jetzt mit anderen Begriffen, die schon seit vielen Jahren auf der schwarzen Liste politisch korrekter Gutmenschen stehen, etwa „Negerkuß“ (korrekt: Schaumkuß) oder, noch viel schlimmer, „Ausländer“ (korrekt: Mitbürger mit Migrationshintergrund). Nebenbei bemerkt: Letztere Wortschöpfung ist schon deshalb so beliebt, weil sich hinter einem Migrationshintergrund alles verstecken läßt: die erste, zweite und dritte Generation nach Deutschland gezogener Ausländer, die mit und die ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die arbeitenden und die nicht arbeitenden. Alle mit Migrationshintergrund.

Wer auf dem Pfad der Tugenden aller Gutmenschen wandeln will, der berücksichtigt so etwas bei seiner Wortwahl. In der Krise aber heißt es, dazu lernen. Plötzlich sind sogar Wörter anrüchig, in denen das Gute schlechthin stecken sollte. Deren Wert ist über Nacht mindestens ebenso verdorben wie der Kurs einer Ramschanleihe vom amerikanischen Immobilienmarkt. Eigentlich bedeutet das lateinische Wort „bonus“ schlicht gut, der Begriff „bona fides“ steht für Treu und Glauben. Bon, so weit gut und schön – das war gestern. Hört der normal veranlagte mitteleuropäische Bürger heute das Wort „Bonus“, sträuben sich ihm die Nackenhaare, er ergänzt unwillkürlich: Hypo Real Estate, Dresdner Bank, Deutsche Postbank, AIG, Citibank. Dann tanzen Nullen vor den Augen, jene Milliarden, die Manager dieser werten Institute versenkten – und die vielen anderen Nullen der Boni, die sich ebendiese Manager für ihre enorme Fehlleistung auszahlen lassen. Ganz allmählich dämmert uns, daß etwas ganz anderes gemeint war, als wir dachten, als es hieß: „Leistung muß sich wieder lohnen.“

Es gab einmal eine Zeit, sie liegt noch gar nicht so lange zurück, da wurde der Begriff der Managerkrankheit geprägt. Die hatte was mit Streß zu tun, mit Überlastung und endete schon mal mit einem Infarkt. Die armen Kerle. Irgendwie ist das in Vergessenheit geraten. Heute gilt eine gewisse Kurzsichtigkeit schon eher mal als Managerkrankheit. Die kennzeichnet ein starrer Blick von Quartal zu Quartal, bloß nicht darüber hinaus.

Man muß kein Elefantengedächtnis haben, um sich zu erinnern, wie das mit dem Bonus für die Bosse anfing. Gerade mal ein Dutzend Jahre – wirklich und wahrhaftig nicht mehr – ist es her, daß die Bosse in Deutschland feststellten, sie seien seit Jahren zu kurz gekommen. Geradezu lächerlich seien ihre Bezüge im Vergleich mit den Bossen in Amerika. Jürgen Schrempp, der war damals Boß von Daimler-Benz, strampelte sich für ein Jahresgehalt von 2,7 Millionen Mark ab (bitte genau lesen: Mark, nicht Euro!). Hilmar Kopper von der Deutschen Bank malochte für 2,2 Millionen Mark. Und Heinrich von Pierer von Siemens mußte sich jeden Morgen fragen, ob es sich für 1,6 Millionen Mark im Jahr lohne, überhaupt aufzustehen.

Lausige Zeiten waren das 1996. Neidhammel meinten zwar, so bummelig zwei Milliönchen, das sei doch auch ein ganz nettes Sümmchen, für das eine alte Frau ein paar Leben lang stricken müsse. Aber für den Kauf einer Orangenfarm in Spanien oder eines Weinguts in Südafrika reichte das nicht. Dafür brauchten Schrempp und Co. mehr.

Zum Glück ersannen just in dieser Zeit ein paar pfiffige Manager in den Vereinigten Staaten ein wunderbares System, Geld in die private Schatulle umzuleiten und dafür auch noch Beifall zu bekommen. „Shareholder value“ nannten sie das und behaupteten, das geschehe zum Wohl der Aktionäre. Weil die Manager den Wert der Aktien steigerten, hätten sie auch Anspruch auf einen Teil des Fischzuges. Das leuchtete allen ein, und alle freuten sich, so wie sich alle gefreut hatten, wenn der Kaiser neue Kleider trug. Und falls ein Kind mal rief „Aber der Kaiser hat ja gar nichts an“, dann raunzten die anderen: „Halts Maul, davon verstehst du nichts.“

Darum wollten die Manager in Deutschland gerne auch alle so sein wie jener Jack Welch, der Boß von General Electric. Der kaufte und verbrauchte Firmen wie unser eins die Frühstücksmilch, und kassierte dabei für sich immer ein bißchen ab. Er war Mister Shareholder value. Darüber wurden Bücher geschrieben. Heute sagt er, das System sei totaler Mist gewesen. Dieser Sinneswandel wird in Kurzmeldungen veröffentlicht.

Damals haben auch in Deutschland die Herren im Nadelstreifen zuerst verwundert auf die wundersame Geldvermehrung geblickt. Dann haben sie kräftig in die Hände gespuckt und sie steigerten ihr persönliches Bruttosozialprodukt. Niemand kann sagen, sie seien dabei nicht erfolgreich gewesen. Seit damals – und „damals“ ist wohlgemerkt erst ein Dutzend Jahre her – stiegen die Einkünfte des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank auf 14 Millionen Euro (vorher: 2,2 Millionen Mark), des Vorstandsvorsitzenden von Daimler auf zehn Millionen Euro (vorher 2,7 Millionen Mark). Da darf man staunen.

Ein paar Newcomer, die man „damals“ unter den Top Ten überhaupt nicht auf der Rechnung hatte, machen allerdings noch ganz andere Rechnungen auf. Absolut an der Spitze liegt der Boß von Porsche, geschätzt auf 54 Millionen Jahreseinkommen (was kürzlich sogar den in dieser Hinsicht unverdächtigen Bundespräsidenten zu einer sozialneidischen Bemerkung der Verwunderung verführte).

Das ist ja das Schöne an dieser Krise, wir dürfen uns jeden Tag erneut wundern und gestehen, das alles übersteige unseren Horizont, ohne sogleich als total bekloppt zu gelten. Zum Beispiel, wieso sich Fehlleistungen viel mehr lohnen als Leistungen. Wir befinden uns mit unserem bisherigen Mißverständnis in guter Gesellschaft. Selbst die Kanzlerin mußte am vergangenen Sonntag bei Anne Will einen Irrtum eingestehen: „Das Irre an Boni ist, daß wir früher dachten, die gibt es nur für Erfolg. Und jetzt stellen wir fest, daß es sie für Mißerfolg gibt.“

Und das nicht zu knapp. Für das bloße Anwärmen eines Chefsessels gibt es bereits einen Bonus, lernten wir zwischenzeitlich. Und wenn einer seine Anwesenheit dazu nutzte, das Geld anderer Leute zu verbrennen, gibt es noch einen Bonus zum Sesselbonus. Weil – man kann es nicht oft genug sagen – Leistung sich lohnen muß. Darum scheint mit der Höhe der Verluste auch der Anspruch auf Bonuszahlungen zu steigen.

Von Amerika lernen heißt kassieren lernen. Dort wurde gezeigt, wie aus hochtoxischen Schrottanleihen Geld zu machen ist, wie Shareholder value dem eigenen Konto gut tut, wie Crossborder-Leasing aus deutschen Kläranlagen duftende Blüten sprießen läßt, wie man Dollar so schnell drucken kann, daß er noch feucht in den Umlauf kommt.

Und wie man sich auch ohne Leistung einen Bonus leisten kann. Der US-Versicherer AIG wurde bisher vom amerikanischen Steuerzahler mit 180 Milliarden Dollar künstlich am Leben gehalten. Nach Zahlung der ersten Rate machten die Manager einen Betriebsausflug nach Florida, wo sie ein Faß aufmachten. Das gab Ärger. So what? Nach der vierten Milliarden-Rate reichte der Zaster dann endlich auch, um ein paar hundert Bonus-Milliönchen für die AIG-Bosse abzuzweigen. Weil das alle anderen wütend machte, wird nun vorgeschlagen, solche Boni mit 90 Prozent Steuer zu belegen. Die Idee hat Charme. Das würde den Kreislauf des Geldes beflügeln: Der Staat gibt das Geld der Steuerzahler aus, zieht es mit einer kleinen zeitlichen Verzögerung fast vollständig wieder ein – und jeder freut sich: der Steuerzahler, weil mit seinem Geld ein Unternehmen gerettet wird, der Politiker, weil er sich einen weißen Fuß machen kann, der Manager, weil sich Versagen wieder mal lohnt und zum Schluß noch einmal der Steuerzahler, weil endlich die raffgierigen Manager mit Strafsteuer belegt werden. Davon hätten doch mal alle was.


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